Nina Scheer, MdB – Hermann Falk, BEE
Die SPD-Bundestagsabgeordnete Dr. Nina Scheer hat Anfang Mai in ihren Eckpunkten zur EEG-Novelle den Sinn von Ausschreibungen bestritten, wie sie ab 2017 eingeführt werden sollen. Der Ausbau Erneuerbarer Energien sei aufgrund von Marktverzerrungen zugunsten der Fossilen immer noch auf Förderung angewiesen. Die Umstellung auf Ausschreibungen gefährde allerdings die Akteursvielfalt und stoße auf Protest. Die Erneuerbaren-Verbände applaudierten. Solarify dokumentiert den Brief des BEE-Geschäftsführers Dr. Hermann Falk.
Nina Scheer, MdB: Eckpunkte zum EEG 2016 (Stand: 9. Mai 2016)
Wir tragen in Deutschland mit Blick auf die Fortsetzung der Energiewende eine große Verantwortung. Weltweit besteht eine hohe Aufmerksamkeit, mit welchen Instrumenten in der Industrienation Deutschland als europaweit wirtschaftsstärkstes Exportland die Energiewende vorangebracht wird.
Dreh- und Angelpunkt der Energiewende ist der Ausbau Erneuerbarer Energien: Über 30 % unseres Stroms in Deutschland ist inzwischen regenerativ. Es entstanden auf diesem Weg ca. 450 000 Arbeitsplätze – verteilt auf kleine Installationsbetriebe, aber auch Erneuerbare-Energien-Unternehmen, die die betreffenden Technologien binnen weniger Jahre zu Weltmarktprodukten revolutionierten.
Der Ausbau Erneuerbarer Energien gibt uns zugleich reale Systemveränderungs-, Netzausbau- und Speicherbedarfe an die Hand und vermittelt Anreize für die Entwicklung von Synergien und Verknüpfungen mit dem Wärme- und Mobilitätssektor (Sektorenkopplung). Aufgrund nach wie vor bestehender Marktverzerrungen zugunsten konventioneller Energiegewinnungsformen (insbes. nicht hinreichend eingepreiste externe Effekte) ist der Ausbau Erneuerbarer Energien heute noch auf ein effektives Förderinstrument angewiesen.
Bislang steht hierfür das Erneuerbare – Energien – Gesetz (EEG) mit seinen beiden Säulen: Der über 20 Jahre gesetzlich garantierten Einspeisevergütung mit Abnahmevorrang von Strom aus Erneuerbaren Energien. Eben diese Mechanismen veranlasst eine Vielfalt von Akteuren, vor Ort aktiv zu werden und die Energiewende mit zu gestalten.
Mit dem EEG 2016 soll lt. Referentenentwurf eine Umstellung auf Ausschreibungen im Rahmen von Ausbaukorridoren vorgenommen werden. Verbreitet, von Seiten der Erneuerbare – Energien – Branchen, aber etwa auch von Seiten von Gewerkschaften und Bürgerinnen und Bü rgern, die bislang zu den Hauptakteuren der Energiewende zählen, wird dies kritisch gesehen bzw. abgelehnt. In der Großen Koalition konnte während der letzten Monate noch keine Einigung erzielt werden.
Folgende Punkte (im Anschluss erläutert) sollten mit Blick auf die EEG-Novelle berücksichtigt werden:
- Eine Umstellung auf Ausschreibungen kann laut Koalitionsvertrag erst nach der Beweisführung erfolgen, dass mit Ausschreibungen die Energiewendeziele kostengünstiger zu erreichen sind. Zu den Energiewendezielen zählt auch das Erreichen des anvisierten Ausbaus Erneuerbarer Energien unter Wahrung der Akteursvielfalt als dem bis heute maßgeblichen Motor der Energiewende mit breiter Akzeptanz. Eine Umstellung auf Ausschreibungen in diesem oder dem kommenden Jahr ist vor diesem Hintergrund nicht darstellbar. Die Einführung von Ausschreibungen kann von heute aus gesehen (2016/2017) somit nur in „Projektform“ erfolgen, auch um Erfahrungen bei Windenergie – oder Bioenergiegewinnung zu sammeln.
- Beihilferechtlich kann von Ausschreibungen bereits auf Grundlage der EU-Beihilfeleitlinie gänzlich (etwa bei zu erwartenden niedrigeren Projektumsetzungsquoten) oder in breitem Umfang ( De-Minimis-Regelung ) abgesehen werden.
- Steuerungswirkungen des EEG 2014, die bereits zu einer Unterschreitung von Ausbauzielen und zu Einbrüchen in der Ausbaudynamik geführt haben oder absehbar führen, müssen nachsteuernd korrigiert werden.
- Unsere mit dem Koalitionsvertrag vereinbarten Ausbauziele sollten mit Blick auf Klimaschutzziele – die Klimaschutzvereinbarung von Paris eingeschlossen – sowie vor dem Hintergrund zunehmender Verknüpfungen mit dem Wärme- und Mobilitätsbereich (Sektorenkopplung) nicht als starre Ausbaugrenzen gesehen werden. Mit einem Korridor von 40 – 45 % bis 2025 sind unsere Klimaschutzziele nicht zu erreichen. Ausbauziele sollten als Mindestziele verstanden werden.
- Aus Gründen der Sektorenkopplung widerspricht es den Energiewendezielen, Anlagen mit (anteiligem) Eigenverbrauch (die nicht den gesamten Zeitraum ins Netz einspeise n) gänzlich von der Förderung auszunehmen , so aber § 27a EEG 2016 REntw., der in sofern gestrichen werden sollte .
- Es widerspricht der Planungssicherheit sowohl der Unternehmen, als auch der Länder und Kommunen im Hinblick auf die Flächenausweisung , wenn Ausbaukorridore zwischen den Technologien verrechnet werden.
- Es widerspricht ferner der Planungssicherheit, wenn der Ausbau Erneuerbarer Energien außerhalb von Förderungen in den Ausbaukorridor eingerechnet wird, wie dies aber durch eine Formel des derzeitigen Referentenentwurfs vorgesehen ist. Diese Formel sollte gestrichen werden.
- Die seit 2014 erhobene EEG – Umlage auf solaren Eigenverbrauch wirkt – neben zu starker Degression – als Ausbauhemmnis und konnte keine spürbaren Entlastungseffekte (ca. 0,002 Cent je KWh) erzielen. Sie sollte abgeschafft werden.
- Die Aufhebung der Stromsteuerbefreiung (§ 19 Abs. 2 Nr. 2 REntw.) erscheint gegenüber der Behandlung von KWK-Strom als Ungleichbehandlung (Streichung der Aufhebung).
Darüber hinaus:
- Die EEG-Umlage sollte dahingehend überarbeitet werden, dass die Technologieentwicklungskosten, die im Rahmen der Einspeisevergütung bei Anlagen der ersten Vergütungsjahre einen wesentlichen Teil der Umlagekosten verursachen, einer anderen Finanzierungsform zugeführt werden (unter Beibehaltung der garantierte Einspeisevergütung). Die so gewonnene Entlastungswirkung käme insbesondere sozial schwachen und Geringverdienern zugute, die so um die Entwicklungskosten für EE-Technologien entlastet werden können.
Bei einer Reform des EEG sollte es darum gehen, die Kosteneffizienz des Systems fortzuentwickeln, zugleich aber auch die Erfolgsfaktoren zum Ausbau Erneuerbarer Energien und die hierin liegenden Chancen für innovative, zukunftsorientierte Wirtschaftszweige zu erhalten. Ohne einen anreizbasierten dynamischen Ausbau Erneuerbarer Energien wird nicht zuletzt der Handlungsdruck für den Aufbau einer systemintegrativen und auf Flexibilität ausgerichteten Netzinfrastruktur schleppen bzw. aussetzen.
Zunehmend offenbart sich die Notwendigkeit der Sektorenkopplung in Form einer Verknüpfung der Bereiche Strom, Wärme und Mobilität. Hierüber können Synergien und Flexibilität erschlossen werden, die bei einem wachsenden Anteil fluktuierender Energien – insbesondere Wind und Sonne – immer bedeutsamer werden. Letzteres verlangt auch nach neuen Förderrahmen für Bio- und Reststoffenergien.
Der heute vorliegende Referentenentwurf erfüllt diese Anforderungen nicht.
Folgt: Hintergrund