Vorfestlegung des Gesetzgebers?
Die gesetzliche Ankündigung einer Umstellung auf Ausschreibungen zielt offenkundig auf eine Vorfestlegung des Gesetzgebers. Der insofern anders lautende Koalitionsvertrag sollte über das EEG 2014 korrigiert werden, ohne dass es hierfür einen entsprechenden Handlungsbedarf gegeben hätte. Gesetze sind aber dafür da, Rahmenbedingungen zu definieren. Gesetze sind hingegen nicht dafür da, eine auf die Zukunft gerichtete „Absichtsbekundung“ zu verbriefen und hiermit parlamentarischen Verfahren vorzugreifen.
Festzuhalten bleibt: Die im Rahmen des EEG 2014 formulierte gesetzgeberische Absichtserklärung über ein in der Zukunft liegendes Gesetzesverfahren widerstrebt parlamentarischen Grundsätzen. Sie entfaltet keine Pflicht zur Einführung von Ausschreibungen; das Parlament kann eine freie Entscheidung über das Ob treffen. Ein parlamentarisches Verfahren über die Ausgestaltung eines für die Energiewende so maßgeblichen und weichenstellenden Punktes, wie dies für die Umstellung auf Ausschreibungen zutrifft, kann nicht über eine zwei Jahre zurückliegende schlichte gesetzliche Absichtserklärung ersetzt werden. Dies kann und darf es für ein Parlament bereits seinem Selbstverständnis nach nicht geben. Soweit die Entwicklung keine neuen Handlungserfordernisse aufwirft, etwa in Gestalt internationaler Verpflichtungen, so dem Klimaabkommen von Paris, muss und sollte für uns der Koalitionsvertrag gelten; über ihn hat nicht zuletzt auch die SPD-Mitgliedschaft abgestimmt.
Sollte es mit der Umstellung auf Ausschreibungen im Zuge eines EEG 2016 sowohl zu einer Verlagerung in der Akteursstruktur als auch zu Einbrüchen beim Ausbau Erneuerbarer Energien und hier verorteten tausenden Arbeitsplätzen kommen, gehen uns viel Knowhow, Fachkraft, Innovationspotenzial und insbesondere wirtschaftliche Entwicklungsperspektive verloren. Nach bereits vollzogenen Einschnitten und einer im Jahr 2012 nicht rechtzeitig angegangenen subventionsbasierten Marktverdrängung seitens China (Ähnliches geschieht zur Zeit mit der Stahlindustrie, worauf nun politisch richtigerweise reagiert wird), verzeichnete die Wirtschaft im Erneuerbare-Energien-Sektor bereits große Einbußen, auch an Beschäftigten.
Innovative Unternehmen, viele kleine ausführende Betriebe, Bürgerinnen und Bürger, Kommunen und Stadtwerke schoben einst als Pioniere der Erneuerbare-Energien-Technologien die Energiewende auf Grundlage des EEG an und erfuhren anschließend – zuletzt mit den Restriktionen der EEG-Novelle 2014 insbesondere im Bereich der Photovoltaik und Bioenergie – erneut starke Rückschläge.
Mit der Fortentwicklung des EEG müssen wir sowohl Fehlentwicklungen korrigieren, die Akteursvielfalt weiter ermöglichen als auch für einen auf die Energiewendeziele ausgerichteten sowie den Verpflichtungen aus dem Klimaschutzabkommen von Paris gerecht werdenden Rahmen sorgen.
Energiewende als sozialdemokratisches Projekt zum Erfolg führen
Erneuerbare Energien stehen für einen weltweit verfügbaren und damit von Grund auf gerechten Zugang zu Energie. Die Abhängigkeit von fossilen Ressourcen wird bei ihrer Verknappung und zugleich steigenden Energiebedarfen zu massiven Verteilungskämpfen führen, die Gefahr von Kriegen verschärfen und die Schere zwischen Arm und Reich in einem unvorstellbaren Ausmaß auseinanderdrücken. Flucht vor dem Klimawandel und vor Energiearmut wären absehbare Entwicklungen mit verheerenden Folgen.
Mit Hilfe Erneuerbarer Energien und unter Einsatz von Energieeffizienztechnologien ist bereits binnen weniger Jahre eine Entkopplung von Wachstum und relativen Energiebedarfen gelungen. Insofern ist es die auch friedenspolitische und an zentralen Gerechtigkeitsfragen von morgen ausgerichtete Aufgabe der Sozialdemokratie, den schnellstmöglichen Umstieg auf Erneuerbare Energien unter Ablösung fossiler und auch atomarer Energiegewinnungsformen z u leisten – bevor sich Verteilungskämpfe um Energieressourcen häufen.
Es ist eine sozialdemokratische Aufgabe, dafür zu sorgen, dass der hierbei unvermeidbare Strukturwandel in Begleitung der Betroffenen geleistet wird. Überlassen wir die Entwicklungen dem freien Lauf und lassen Strukturbrüche oder Energieverknappung entstehen, erschwert dies die Gestaltung der Energiewende bereits ökonomisch, aber auch zeitlich. Wenn bereits heute in industrialisierten Staaten trotz niedriger Rohstoffpreise steigende Energiearmut zu beobachten ist, wie soll mit Energiearmut verfahren werden, wenn die Rohstoffpreise wegen Verknappung und Weltmarktspekulationen steigen und massive Klimafolgeschäden hinzukommen? Politisch wird die Energiewende dann ungleich schwerer zu gestalten sein, als es uns heute möglich ist. Es ist keine Lösung, sich „schützend“ vor die betroffenen Branchen zu stellen und hiermit einen politischen Weg der Ablösung fossiler Energieträger zu verhindern, der auch für die heute in der herkömmlichen Energiewirtschaft Beschäftigten eine Zukunft böte. Die betroffene Arbeitnehmerschaft muss aber auch morgen noch eine Zukunft sehen. Es ist eine sozialdemokratische, da an Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität ausgerichtete Aufgabe, den Ausstieg aus der ökonomisch und ökologisch erdrosselnden Abhängigkeit von fossilen Energieressourcen aktiv zu gestalten.
Diese vor uns liegenden Aufgaben hat zuletzt eindringlich die Klimakonferenz von Paris unterstrichen. Wir Sozialdemokraten müssen uns der Energiewende – Verantwortung sowohl zur Vermeidung von Klimafolgeschäden als auch in Bezug auf den Wirtschaftsstandort Deutschland und Europa bewusst zuwenden und als einzigartige Chance wahrnehmen, Energiebedarfsfragen mit technologischen Entwicklungsmöglichkeiten, Exportchancen und breiten dezentral en Beteiligungsmöglichkeiten zu verknüpfen. Das für die Erfolge der Energiewende bislang maßgebliche Instrument des Einspeisevergütungssystems EEG hat weltweite Ausstrahlungswirkung. Der Ausbau Erneuerbarer Energien steht für den Abbau von Importabhängigkeiten und für dezentrale Gestaltungsmöglichkeiten – auch in Entwicklungs-und Schwellenländern. Die im Zuge der Energiewende bereits entstandene demokratisierende Teilhabe vor Ort vermag nicht zuletzt einer derzeit in Europa wachsenden Entsolidarisierung entgegen zu wirken.
Folgt: Antwort des BEE