Nachhaltigkeit ist „Kompass, Navigationsgerät für eine Reise in ein unbekanntes Territorium – die Zukunft“
„Der Autor Ulrich Grober beschreibt Nachhaltigkeit, wie ich finde, treffend „als einen Kompass, als unser Navigationsgerät für eine Reise in ein unbekanntes Territorium – die Zukunft“. Mit einem solchen Navigationsgerät können wir uns vornehmen, immer wieder ganz konkrete Ziele zu erreichen. Dafür hat – bei allen schlechten Nachrichten des vergangenen Jahres – die Weltgemeinschaft eine gute Nachricht gesetzt, als sie sich auf die Verabschiedung der Agenda 2030 geeinigt hat. Das ist ein ganz wichtiger Meilenstein. Mit unseren Vereinbarungen belassen wir es eben nicht beim Bekenntnis zu nachhaltiger Entwicklung, sondern nehmen das gesamte Spektrum von Umwelt, Wirtschaft und sozialem Leben in den Blick.
Die Agenda ist umfangreich geworden. Die Millennium-Entwicklungsziele hingegen waren überschaubar. Aber ich erinnere mich, dass es allen, die an der Agenda 2030 mitgearbeitet haben, wichtig war, den anvisierten Umfang mit 17 Zielen und 169 Unterzielen beizubehalten. Wir werden sicherlich Schritt für Schritt lernen, mit diesen vielen Zielen umzugehen und entsprechende Initiativen in Gang zu setzen. Dazu gehört natürlich der Kampf gegen Armut, Hunger und Diskriminierung von Frauen. Dazu gehört Bildung für alle. Dazu gehören der Schutz des Klimas und der Biodiversität sowie mehr Engagement für Frieden und Rechtsstaatlichkeit, um nur einige Beispiele zu nennen.
Dass sich alle 193 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen auf gemeinsame Nachhaltigkeitsziele verständigen konnten, ist an sich schon ein Riesenerfolg. Aber zum Tragen kommt er erst, wenn wir diesen Zielen auch wirklich Schritt für Schritt näherkommen. Wir wissen, dass wir schon von den Millennium-Entwicklungszielen nicht alle bis 2015 umgesetzt haben. Das heißt, wir wissen, dass wir uns mit Blick auf die neuen Ziele sehr anstrengen müssen.
Jetzt geht es darum, die nächsten Schritte konkret und die Ziele allgemein verständlich zu machen. Denn je mehr Menschen sich angesprochen fühlen, desto besser können wir das Gemeinschaftswerk zum Gelingen bringen. Alle anzusprechen, heißt: nicht nur die Regierungen, nicht nur die Wirtschaft, nicht nur die Wissenschaft, sondern auch die Zivilgesellschaft insgesamt. Daher sehe ich uns in der Politik und, wenn ich das sagen darf, auch Sie im Nachhaltigkeitsrat – aber Sie tun das auch sowieso – in der Pflicht, nachhaltiges Handeln als persönliche Aufgabe eines jeden Einzelnen in unserer Gesellschaft zu vermitteln. Wenn man sich einmal vor Augen führt, wie wertvoll etwa der Zugang zu sauberem Wasser ist, dann fängt man an, mit dieser Ressource anders umzugehen. Wer weiß, dass mancherorts Fabrikarbeiter ihre Gesundheit riskieren, fragt viel eher nach: Woher kommt eigentlich das Produkt, das ich einkaufe? Wer sieht, wie heute allein der Geburtsort über Lebenschancen entscheidet, der denkt dann auch anders über Entwicklungshilfe nach.
Eine umfassende, globale Nachhaltigkeitspartnerschaft lebt von kleinen wie von großen Beiträgen. Beispiele hierfür sind Klimarisikoversicherungen oder die Pandemic Emergency Facility der Weltbank, um Staaten im Fall von Epidemien schnell Unterstützung zuteilwerden zu lassen. Ich denke im Übrigen, dass Versicherungslösungen methodisch sehr wichtig sind, weil sie den Vorteil haben, dass sie die Menschen, die von bestimmten Entwicklungen betroffen sind – sei es von Epidemien oder von Schäden infolge des Klimawandels –, aus der Bittstellerrolle heraus in eine Anspruchsrolle auf Ersatz für Schäden bringen. Ich denke, das ist sehr wichtig. Wir haben etwa über Klimarisikoversicherungen mit der Afrikanischen Union diskutiert. Es gibt also erfolgreiche Ansätze. Ich denke, diese Methode hat Zukunft.
Das sind innovative Initiativen, die ich für wichtig halte ebenso wie eine bessere institutionelle Ausrichtung der Vereinten Nationen an der Agenda 2030. Ich kann sowohl vom G7-Gipfel in Japan als auch vom humanitären Gipfel in Istanbul berichten, dass das Denken in institutionellen Zusammenhängen zunimmt und versucht wird, viele vereinzelte Projekte besser zu bündeln. Ich habe zum Beispiel die Initiative des UN-Generalsekretärs für den ersten humanitären Gipfel in Istanbul für sehr wichtig gehalten, weil es nicht mehr nur darum geht, Regierungen einzuladen, sondern weil auch Nichtregierungsorganisationen eingeladen werden, weil Datenbanken, weil Transparenz und Effizienz geschaffen werden sollen, weil man sich damit auseinandersetzen muss, was gut klappt und was vielleicht weniger gut klappt. Denn wir alle sind Lernende in der Frage, wie wir uns engagieren sollen.“
Folgt: Wir helfen stark, die Ursachen von Flucht einzudämmen