Speicher vor 2030 nicht nötig
Also brauchen wir zunächst mal gar keine Speicher?
Die Frage ist, was für Speicher. Was machen wir, wenn wir mehr Wind- und Solarstrom im Netz haben, als wir verbrauchen können? Es gibt ja Tage, an denen die Sonne scheint und der Wind weht. Wir werden immer mehr Tage haben, an denen wir mehr Strom produzieren, als wir verbrauchen können. Da ist es naheliegend, den überschüssigen Strom erst einmal in die Nachbarländer zu verkaufen, die noch nicht so viel erneuerbare Energien haben. Da gibt es ja einige. Aber trotzdem ist die Frage, was macht man mit überschießendem Strom. Da helfen uns unsere bestehenden Speicher, nämlich die Pumpspeicherwerke, eher weniger. Es helfen auch kleine Batteriespeicher, die wir gerade aufbauen, nicht.
Was denn dann?
Was wir bräuchten, wären saisonale Speicher, die Strom drei bis vier Wochen aufnehmen könnten, um ihn dann auch wieder drei bis vier Wochen abzugeben. Da haben wir im Energiesystem eigentlich nur einen Speichertyp, den es schon gibt. Das sind die großen Seen, die Wasserspeicher, in Skandinavien und in den Alpen. Dort, im Süden, allerdings mit begrenzter Kapazität, etwa zehn Terawattstunden. Skandinavien hat knapp 120 Terawattstunden an Speichervolumen. Das ist interessant, weil es sich schon heute rechnet, diese Speicher über eine Leitung mit dem zentraleuropäischen Stromsystem zu verbinden. Bei hohem Windstromaufkommen im Nordosten Deutschlands können wir günstigen Windstrom nach Schweden liefern und dort Stromerzeugung aus Wasserkraft einsparen. Bei Flaute wiederum kann dieser indirekt gespeicherte Wasserkraftstrom aus skandinavischen Speicherbecken zurück nach Deutschland fließen. Der Nutzen würde sich ziemlich gleich auf die Volkswirtschaften verteilen, weshalb es auch die Bereitschaft gibt, diese Leitungen zu bauen. Da braucht es nicht einen Euro Subvention, das rechnet sich allein über den Handel in beide Richtungen vom ersten Tag an. Was wir darüber hinaus an Saisonalspeicher benötigen werden, wird erst zwischen 2030 und 2050 ein wirtschaftlich interessantes Thema. Derzeit sehe ich dafür nur „Power to gas“, also die Produktion von Wasserstoff mit dem Überschussstrom, das dann in einem weiteren Verarbeitungsschritt zu Methan gemacht wird. Daraus kann dann auch wieder Strom produziert werden. Vielleicht gibt es bis dahin aber auch noch andere technische Möglichkeiten.
Der Netzausbau
Wie läuft es denn im 50Hertz-Gebiet mit dem Netzausbau?
Es ist interessant zu sehen, dass es stabil eine relativ hohe Zustimmung zur Energiewende gibt. Das zeigen alle Umfragen. Wenn man fragt, ob die Bevölkerung dafür mehr zu zahlen bereit ist, nimmt die Zustimmung schon leicht ab. Und wenn man nach einem Windrad in der Nachbarschaft oder einem Strommasten vor der Tür fragt, dann sinkt die Zustimmung deutlich. Damit müssen wir uns auseinandersetzen. Solche großen Infrastrukturprojekte lassen sich nicht mehr im stillen Kämmerlein umsetzen, wie das vor etlichen Jahren noch der Fall gewesen sein mag. Diese Projekte lassen sich nur dann erfolgreich umsetzen, wenn wir und die Politik es schaffen, sehr frühzeitig mit den Menschen in den betroffenen Regionen ins Gespräch zu kommen und plausibel zu erklären, wofür es diese Projekte braucht. In der Politik, zumindest auf Bundes- und Landesebene, gibt es zur Notwendigkeit des Netzausbaus ja mittlerweile eine sehr breite Zustimmung. Es geht also nicht mehr um das Ob, sondern um das Wie. Und hier müssen die Menschen in die Planung einbezogen werden. Sie müssen wissen, welche Alternativen es gibt.
Und dann läuft es?
Man muss echte Dialogbereitschaft mitbringen, und zwar bevor alle Projekte und Lösungen bereits im Detail ausgeplant und mehr oder weniger entschieden sind. Das mussten und müssen wir lernen. Wir sind da schon vorangekommen, und erleben, dass es uns zumindest gelingt, Verständnis für die Projekte zu wecken. Wir haben uns entschieden, so viele Informationen wie möglich zur Verfügung zu stellen, und die Fragen, die Menschen haben, sehr ernst zu nehmen. Wir veröffentlichen zum Beispiel auf unserer Website unsere Lastflussdaten mit Viertelstundenwerten. Das sind Daten, die eigentlich nur Wissenschaftler an Universitäten oder Forschungsinstituten richtig nutzen können. Aber es ist immer wieder gefordert worden, diese Daten zu veröffentlichen, um die Basis für die Berechnung des Leitungsbedarfs nachvollziehen zu können. Das hat mit dazu geführt, dass die Notwendigkeit der Leitungen kaum noch infrage gestellt wird.