„Klimawandel und Migration – die neuen Flüchtlinge“

Erstmals in Österreich wird zentrale Fluchtursache Klimaveränderung umfassend thematisiert

Rund 250 Interessierte beschäftigen sich beim 9. Umweltkongress des Landes Oberösterreich am 21.06.2016 im Linzer Schlossmuseum erstmals umfassend mit dem Thema „Klimawandel und Migration – die neuen Flüchtlinge“. Es ging darum, Zusammenhänge aufzuzeigen, rechtliche Lücken aufzudecken und mögliche Maßnahmen zu diskutieren – teilt das Büro von Landesrat Rudi Anschober mit.

Landesrat Rudi Anschober: „Klimawandel als Fluchtursache wird aktuell noch drastisch unterschätzt. Obwohl schon jetzt mehr Flüchtlinge wegen dem klimabedingten Wegfall ihrer Lebensgrundlagen flüchten als wegen Gewalt allein, nehmen wir es nicht so wahr, da klimabedingte Migration bisher regional begrenzt ist und binnenorientiert stattfindet. Auch für die Krisenregion Syrien gilt mittlerweile unter Wissenschafter/innen als gesichert, dass die extreme, klimabedingte Dürre in der sonst so fruchtbaren Daara-Ebene als Mitursache für Konflikt und Flucht gesehen werden muss. Dies zeigt uns: Wenn wir jetzt den Klimavertrag von Paris nicht umsetzen und somit dem Klimawandel Einhalt gebieten, kommt es zwangsläufig zu einem massiven Anstieg der Flüchtlings- und Migrationsbewegungen. Und der Klimawandel trifft die Schutzlosesten auf unserem Planeten am meisten, jene, die auch Anpassungsstrategien oft nicht finanzieren können.“

Prof. Dr. Manfred Stock, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung: „Wir sind mittendrin im Klimawandel und aktuell in einer Trainingsphase für die Herausforderungen der Zukunft. Aktuell sind wir bei rund 1°C Erwärmung gegenüber der vorindustriellen Periode, im Weltklimavertrag von Paris ist eine Erhöhung um maximal 2°C festgehalten. Dies einzuhalten ist schwierig genug, aber wenn wir nichts tun, sind die Auswirkungen des Klimawandels nicht mehr beherrschbar. Wir müssen jetzt handeln, damit das Unvorhersehbare vermieden wird – wir können und müssen das schaffen. Schon seit 1980 sind die klimabedingten Fluchtsituationen stark spürbar. Auch in Syrien hat die globale Politik versagt und sowohl die kriegerische Auseinandersetzung als auch die finanzielle Unterstützung für die regionalen Flüchtlinge in den Lagern der Region übersehen. Was wir brauchen ist weltweiter Klimaschutz, Anpassungsmaßnahmen samt globaler Unterstützung dafür und gesteuerte Migration, z.B. für Inselstaaten.“

Vera Künzel, Germanwatch e.V.: „In internationalen Abkommen über Migration gibt es eine Schutzlücke für Menschen, die klimabedingt flüchten müssen. Davon besonders betroffen sind Menschen des globalen Südens, die nicht nur vom Klimawandel besonders stark betroffen sind, sondern, die sich auch Anpassungsmaßnahmen oftmals nicht leisten können. Im Zuge des zähen Prozesses hin zur Beachtung dieser klimabedingten Flucht wurde von Norwegen und der Schweiz die Nansen-Initiative gestartet, eine freiwillige Schutz-Agenda mit Prinzipien zum Schutz von Klimaflüchtlingen. Statt einer weltweiten Schutzregel handelt es sich hierbei um nationale Übereinkommen. In einem weiteren Schritte wurde dazu eine Plattform zur Implementierung der Schutz-Agenda gegründet, bei der auch die EU mitmacht.“

Monika Mayerhofer, Ludwig-Boltzmann-Institut für Menschenrechte: „Klimawandel als Fluchtursache wäre über die Menschenrechte lösbar, etwa mit dem Recht auf Leben, Gesundheit, Ernährung oder Wasser, aber diese finden in den Klimaverträgen zu wenig Beachtung. Besonders betroffen von den Klimawandel-Folgen sind Menschen in ohnehin prekärer Lage. Es wird unterschiedliche Formen der Migration entstehen, nachdem die Lebensgrundlagen – durch den Klimawandel zerstört – woanders gesucht werden müssen. Die Genfer Flüchtlingskonvention sagt dazu nichts, vorhanden Ansätze etwa in Europa werden zu wenig beachtet. Was es hier braucht, sind legale Wege und rechtliche Werke für Arbeitsmigration.“

LR Anschober abschließend: „Zusammenfassend gibt es drei Kernaussagen, die wir politisch rasch umsetzen müssen: 1. Klimaschutz entscheidet über das Ausmaß der Fluchtbewegung – entsprechender Klimaschutz ist machbar, das zeigt OÖ vor, und bei der Konferenz der Landesumweltreferent/innen letzte Woche wurde eine konkrete Strategie samt Evaluierung zur Ausarbeitung bis Jahresende vereinbart. 2. Schutzstandards für Klimaflüchtlinge. 3. Kooperation mit Regionen, die am stärksten vom Klimawandel betroffen sind, aber am wenigsten leisten können – sowohl finanziell als auch mittels Know-how, z.B. über Gesundheitssystem, Klimawandel-Anpassungsstrategie, etc.“

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