Harte Daumenschrauben für die Windindustrie?
Ein Resümee von Nicolai Herrmann und Daniel Peschel
-mit freundlicher Genehmigung-
Feste Brutto-Zubaumenge ab 2017
Die im Vorfeld zur Gesetzesnovelle am häufigsten diskutierte Frage war wohl die nach dem Ausschreibungsvolumen in den ab 2017 stattfindenden Auktionen für Windenergie an Land. Der erste Referentenentwurf enthielt eine „Weltformel“, welche Onshore-Windenergie zum nachrangigen Lückenfüller zur Erreichung der EE-Ziele gemacht hätte. Diese Regelung ist im jetzigen Beschluss gestrichen worden und durch eine feste Ausbau-Obergrenze ersetzt worden. Von Seiten der Windindustrie wurde eine großzügige Zubaumenge von mindestens 2.500 MW/Jahr netto (d.h. ohne die für Repowering / Bestandserhalt notwendigen Kapazitäten) gefordert. Dieser Forderung ist die Politik nicht vollumfänglich nachgekommen. Stattdessen schreibt der Kabinettsentwurf eine Brutto-Zubaumenge von 2.800 MW jährlich fest.
Ab dem Jahr 2020 soll sie auf 2.900 MW jährlich erhöht werden. Diese Brutto-Zubaumenge beinhaltet den Ersatz von außer Betrieb gehenden WEA; nur die Differenz zwischen Ersatz und Ausbaudeckel steht somit für ein reales Kapazitätswachstum aus Onshore-Wind zur Verfügung. Welche Auswirkungen dies auf den Netto-Leistungszubau von Onshore-Wind im Zeitverlauf hätte, verdeutlicht Abbildung 1.
Die Abbildung zeigt: während in den ersten Jahren nach Inkrafttreten des EEG 2016 der größte Teil der bezuschlagten Mengen tatsächlich auf neue Projekte entfällt, nimmt der Anteil der Leistung für den Ersatz von Außerbetriebnahmen (Repowering) am Ausschreibungsvolumen im zeitlichen Verlauf deutlich zu. Zugrunde liegt die Annahme einer durchschnittlichen Betriebsdauer der WEA von 20 Jahren. In der Realität wird die Menge der Stilllegungen bis zum Jahr 2020 voraussichtlich jedoch geringer ausfallen, da erst ab diesem Zeitpunkt Anlagen in größerem Umfang nicht mehr nach dem EEG vergütet werden.
Zu Beginn der 2020er Jahre steigt die zu ersetzende Leistung unter dieser Prämisse dann stark an, was z.B. im Jahr 2023 dazu führt, dass das gesamte vorgesehene Ausschreibungsvolumen zum Ersatz von außer Betrieb gehenden Anlagen verwendet werden müsste. Aus diesem Grund wäre punktuell sogar ein Rückgang der in Deutschland installierten Windkapazitäten zu beobachten. Gleiches gilt für die Jahre 2034/2035, die mit 20-jährigem Zeitversatz auf den starken Windzubau in 2014/2015 folgen.
Dem in Abb. 1 dargestellten Verlauf liegt eine statische Annahme zugrunde, die wahre Lebensdauer von WEA wird selbstverständlich um die hier angenommenen 20 Jahre herum streuen. Dennoch zeigt sich die Problematik eines stark schwankenden Netto-Wachstums der Onshore-Windkapazitäten hieran sehr deutlich. Aus Sicht der Windindustrie (insbesondere der Anlagenhersteller) ist es hingegen in erster Näherung nicht ausschlaggebend, ob die Projektpipeline für Neubau oder Repowering verwendet wird. Wichtiger ist die Frage nach dem absoluten Marktvolumen, also der Ausschreibungsmenge von 2.800 bzw. 2.900 MW/Jahr.
Einmaldegression des anzulegenden Wertes nach EEG 2014
Grundsätzlich haben Projekte, die noch in 2016 eine Genehmigung nach BImSchG erlangen und zwischen dem 1.1.2017 und dem 31.12.2018 in Betrieb gehen, die Wahl zwischen einer Vergütung nach EEG 2014 oder der Teilnahme an der Auktion. Die Entscheidung hierfür muss spätestens zum 01.03.2017 verbindlich getroffen werden. Um jedoch eine möglichst hohe Beteiligung an der ersten Ausschreibung für Windenergie im Mai 2017 zu erreichen, zielt der aktuelle Kabinettsentwurf nun darauf ab, einen Verbleib von Projekten im aktuellen EEG 2014 unattraktiver zu machen. Dies soll durch eine Einmaldegression der Vergütung und eine Verschärfung des sogenannten „atmenden Deckels“ erreicht werden.
Der starke Zubau in den Jahren seit Inkrafttreten des EEG 2014 hat bereits dazu geführt, dass die Anfangsvergütung nach EEG 2014 in den beiden Quartalen in 2016 um den Maximalwert von je 1,2% abgesenkt wurde. Darüber hinaus lassen die aktuellen Zubauzahlen kaum mehr Spielraum für eine Abschwächung dieses Trends erkennen; es ist also auch zu den weiteren Degressionsterminen in diesem Jahr eine Absenkung um jeweils 1,2% zu erwarten. Mit der im Kabinettsentwurf des EEG 2016 avisierten zusätzlichen Einmaldegression um fünf Prozent zum 1. Juni 2016 und der neu geschaffenen Möglichkeit von Absenkungen um bis zu 2,4% pro Quartal danach wird die Anfangsvergütung für Projekte in der Übergangsregelung nach EEG 2014 noch einmal deutlich abgesenkt. Dies verdeutlicht Abbildung 2, in der die mögliche Entwicklung der Höhe der Anfangsvergütung im zweistufigen Vergütungssystem nach EEG 2014 unter den Neuregelungen des EEG 2016 dargestellt ist, der Einfluss der 5%-Einmaldegression ist orange gekennzeichnet.
Folgt: Auswirkungen auf die Windindustrie: Wer die Wahl hat, hat die Qual