Stichwort Methanol-Synthese – warum ist das der „Technologie-Brüller“?
Bei der Methanol-Synthese wird CO2 mit Wasserstoff zu Methanol umgesetzt. Schon heute werden 60 Millionen Tonnen Methanol auf diese Weise großtechnisch erzeugt. Aber wir wollen allein 20 Millionen Tonnen CO2 in Methanol umwandeln. Das wird eine riesige Anlage, die wir so optimieren müssen, dass der Prozess stabil läuft. Wenn aber jetzt die Sonne nicht scheint und kein Wind weht, es daher also auch keinen Öko-Strom für die Wasserspaltung gibt, muss man die Anlage abschalten, sie muss also auch mit Unterbrechungen betrieben werden können. Das ist aber bei Anlagen dieser Größe bislang nicht möglich, weil die Katalysatoren für die chemische Reaktion beim Ab- und wieder Anschalten zerstört würden. Wir haben am Fritz-Haber-Institut bereits herausgefunden, dass es dynamisch arbeitende Katalysatoren gibt. Wir müssen jetzt verstehen, von welchen Außenbedingungen diese Dynamik abhängt. Das ist die Voraussetzung, um neue Katalysatoren zu entwickeln, die dem Ab- und Anschalten standhalten – ansonsten müssen wir die Anlage so betreiben, dass die Katalysatoren nicht leiden.
Wird nicht irrsinnig viel Strom gebraucht?
Der eigentliche Gag von Carbon2Chem ist die Wasserspaltung durch Groß-Elektrolyseure, und dazu ist in der Tat viel Strom nötig – C2C braucht so viel Strom, wie die Deutsche Bahn verfährt; daher geht das nur mit Erneuerbaren – aber diese Menge ist bisher nicht in den Energiewende-Plänen enthalten – heute schon deshalb nicht, weil es noch gar nicht so viel Erneuerbare gibt. Daher müssen die regenerativen Energien erst zusätzlich kräftig ausgebaut werden. Das bedeutet etwa 400 neue Windräder, oder entsprechenden PV-Zubau. Wenn die Energiewende funktionieren soll, müssen wir zur sogenannten Sektorenkopplung kommen. Und wenn dann auch C2C in die wirtschaftliche Produktion eintritt, werden wir deutlich mehr Erneuerbare Energien in unserem Land brauchen. Gesetzestechnisch muss noch einiges passieren – man stelle sich bloß vor, man müsste dafür eine EEG-Umlage zahlen, dann kann man es vergessen. Insofern muss auch die Politik ihren Beitrag leisten.
Wann geht Carbon2Chem denn großtechnisch in Betrieb?
In vier Jahren müssen wir zunächst die Grundlagen für eine grundsätzliche Entscheidung schaffen, ob es geht oder nicht. Der nächste Schritt ist dann – dafür sind drei Jahre angesetzt – der Bau einer Demonstrationsanlage. Diese Anlage kostet mehr als 100 Millionen Euro und entsteht an einer ganz sensiblen Schnittstelle zwischen Stahl- und Chemieindustrie, weil da zwei verschiedene Kulturen aufeinander treffen. Daher ist es sehr gut, dass es uns gelungen ist, so viele große Unternehmen einzubinden. Wie die einzelnen Teilschritte in dem System zuverlässig zusammenwirken, und ob das auch ökonomisch funktioniert, wird das Fraunhofer-Institut Umsicht berechnen und währenddessen Modelle erstellen. Carbon2Chem ist insofern auch ein gutes Beispiel für die Zusammenarbeit von Fraunhofer- und Max-Planck-Gesellschaft. Insgesamt ist das Projekt auf zehn Jahre angelegt. Dann könnte die wirtschaftliche Großproduktion beginnen – und Carbon2Chem direkt auf andere Stahlwerke übertragen werden – etwa 50 kämen weltweit in Frage, weil die Hüttengase dort ganz ähnlich zusammengesetzt sind wie bei thyssenkrupp. Weil das Projekt aber ähnlich wie ein Legokasten aus (15) verschiedenen Modulen aufgebaut ist, funktioniert es auch bei den anderen. Wir stellen uns das so vor, dass wir die einzelnen Module jeweils an verschiedene Hüttengas-Zusammensetzungen anpassen.
Das gesamte Carbon2Chem Projekt kam unter wesentlicher Beteiligung des MPI CEC zustande. Es steht als Beispiel, wie in geeigneten Forschungsfeldern grundlegende Forschung dann effektiv in die Anwendung überführt werden kann, wenn sich institutionen- und fächerübergreifende Verbünde bilden, die gemeinsam so arbeiten, dass ein Maximum an vorhandenem Wissen durch das Schließen von Erkenntnislücken zu einem Technologiesystem verbunden wird.
Ist es denn sicher, dass die Anwohner das gut finden werden?
Für eine so große, vielleicht einen Quadratkilometer umfassende Anlage, mit der wir Hüttengas in nützliche Produkte verwandeln, sollten wir die Nachbarschaft von vorneherein einbinden. Es ist heutzutage nicht mehr sinnvoll, fertig zu planen, und dann zu erwarten, die Leute werden das schon gut finden. Deshalb versuchen wir, sie mitzunehmen. Ich führe Gespräche mit Politikern vor Ort. Später wollen wir dazu Veranstaltungen machen, ich werde darüber eine Reihe von Vorlesungen halten. Mit dem offenen Vorgehen wollen wir den Menschen zeigen, dass solche Anlagen keinen Schaden, sondern im Gegenteil viel Nutzen bringt.
Warum ich das mache?
Ganz einfach: Ich möchte einen Beitrag dazu leisten, dass wir über die Energiewende nicht immer nur reden, sondern endlich etwas tun. Dabei beherzige ich zwei Zitate – das erste ist von Max Planck: „Dem Anwenden muss das Erkennen vorausgehen“, das zweite von Albert Einstein: „Mache die Dinge so einfach wie möglich aber nicht einfacher!“
Robert Schlögl ist Direktor am Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft in Berlin und Gründungsdirektor am Max-Planck-Institut für chemische Energiekonversion in Mülheim an der Ruhr. Sein Forschungsschwerpunkt liegt
auf der Untersuchung von heterogenen Katalysatoren mit dem Ziel, wissenschaftliche und technische Anwendbarkeit zu verbinden, sowie auf der Entwicklung von nanochemisch optimierten Materialien für die Energiespeicherung – aktuell: Anwendung wissensbasierter heterogener Katalyse für die groß angelegte chemische Energieumwandlung. Schlögl ist Autor von mehr als 800 Publikationen und hält mehr als 20 Patente. Er ist ein Mitglied der Royal Society of Chemistry und Mitglied zahlreicher internationaler Organisationen. Seine Forschungsaktivitäten wurden mit mehreren internationalen Preisen ausgezeichnet.