ZSW-Verfahren macht saubere Schifffahrt möglich
Seit langem weisen nicht nur Wissenschaftler auf die Gefahr von Schadstoffen aus der Schifffahrt hin: Feinstaub, Schwefel- und Stickoxide belasten das Klima und die Gesundheit der Küstenbewohner. Entschärfen lässt sich das durch Methan, wie am 09.08.2016 mitgeteilt – aus einem Power-to-Gas-Prozess (P2G) des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW). Das synthetische Gas könne als klimafreundlicher und nahezu feinstaubfreier Brennstoff dienen – für Schiffe und andere Fahrzeuge.
Wenn Kreuzfahrtschiffe, Frachter oder Fähren in See stechen, emittierten sie tonnenweise Schadstoffe. Schwefel- und Stickoxide – Partikel und Kohlendioxid belasteten die Luft, gefährdeten das Klima und bedrohten die Gesundheit der Menschen weit über die großen Hafenstädte hinaus. Davor warnten Umweltschützer und Gesundheitsexperten immer wieder. Selbst während der Liegezeiten im Hafen stießen Schiffe massiv Abgase aus, wenn ihre Diesel-Generatoren den Strom an Bord erzeugten. Weil es billiger als Schiffsdiesel sei, treibe das noch wesentlich schadstoffreichere Schweröl die Motoren auf hoher See an – in Küstennähe sei es gemäß EU-Verordnung mittlerweile verboten. Unter den Giftstoffen, die sich in den schwarzen Schwaden verbergen, gelten vor allem die Rußpartikel als gesundheitsgefährdend. Eine schon vor Jahresfrist veröffentlichte internationale Studie des Helmholtz Zentrums München, der Universität Rostock und weiterer Institute (siehe solarify.eu/schiffsdiesel-machen-krank) komme zu dem Schluss, dass diese Partikel schwere Lungenkrankheiten auslösen können.
„Die Luftverschmutzung durch die Schifffahrt und die Folgen für Mensch und Klima wurden lange Zeit unterschätzt“, sagt ZSW-Wissenschaftler Dr. Michael Specht. Rußpartikelfilter könnten das Problem kurzfristig eindämmen, wirkungsvoller sei jedoch, die schädlichen Kraftstoffe Schweröl und Schiffsdiesel durch sauber verbrennendes, CO2-neutrales Methan aus dem P2G-Verfahren zu ersetzen, erklärte der Leiter des ZSW-Fachgebiets „Regenerative Energieträger und Verfahren“.
P2G bedeute Herstellung von Wasserstoff aus Ökostrom mittels Elektrolyse (Wasserspaltung). Dieser nachhaltige Wasserstoff lasse sich zusammen mit Kohlendioxid zu Methan umwandeln, das sich im Erdgasnetz speichern oder aber direkt in Haushalten, der Industrie und als CO2-neutraler Kraftstoff für Erdgasautos verwenden lasse. Diese Option für eine klimafreundliche Mobilität habe das ZSW bereits im Rahmen mehrerer Forschungsprojekte nachgewiesen und die Technologie gemeinsam mit Unternehmen zur Marktreife geführt. So hätten die ZSW-Wissenschaftler mit ihrer langjährigen Forschung und Entwicklung maßgeblich zum Bau und Betrieb einer industriellen 6-MW-Anlage im niedersächsischen Werlte beigetragen.
„Methan kann zu sogenanntem Liquefied Natural Gas (LNG) verflüssigt werden. Die Technik, damit Schiffsmotoren und Bordstrom-Generatoren anzutreiben, ist vorhanden und wird in der Binnenschifffahrt bereits eingesetzt. Dabei werden so gut wie keine Feinstaubpartikel mehr ausgestoßen“, erklärt Specht.
Fossiles LNG biete jedoch nicht die vom ZSW angestrebte Lösung. Denn einerseits könne beim Transport Methan (laut Umweltbundesamt 25-mal so wirksam wie Kohlendioxid) in die Atmosphäre entweichen; zum anderen bestehe die Gefahr, dass sich Europa, wie beim Erdöl, in eine starke Importabhängigkeit begebe. Mit Power-to-Gas indes ließe sich der Kraftstoff in Deutschland oder anderen europäischen Staaten herstellen – und dies auf ökologisch sinnvolle Weise.
„Wenn LNG auf erneuerbarem Strom basiert, werden Schiffe damit künftig kohlendioxidneutral und schwefeldioxidfrei fahren“, erklärt Specht weiter. Andere Schadstoffe würden ebenfalls immens gesenkt werden. Ein Vergleich der IAV Gruppe vom Oktober 2015 zeige, dass ein Erdgasauto nicht nur 99 Prozent weniger Partikel, sondern auch 90 Prozent weniger Stickoxid als ein Diesel-Fahrzeug (Euro 6) ausstoße. Diese Werte sind laut Specht auch auf die Schifffahrt übertragbar. Der Wirkungsgrad von Strom zu LNG betrage heute etwa 50 Prozent. „Wir können dies in Kauf nehmen, sofern wir die Erzeugungskapazitäten für regenerativen Strom ausbauen und damit konsequent den Weg in ein postfossiles Zeitalter gehen“, sagt Specht.
Die EU-Kommission teilt offenbar Spechts Sichtweise: In ihrer am 20.07.2016 vorgelegten „Europäischen Strategie für Mobilität mit niedrigen Emissionen“ befürwortet sie den Einsatz von LNG und Power-to-Gas in der Schifffahrt sowie im LKW-Verkehr ausdrücklich (siehe: solarify.eu/eu-bald-co2-grenzwerte-fuer-lkw).
->Quellen: