Aus ETS finanziertes Programm gefordert – Bsirske: „Jetzt muss Politik handeln!“
Mithilfe eines aus dem europäischen CO2-Zertifikatehandel finanzierten Programms könnte der Kohleausstieg ohne Probleme sozialverträglich finanziert werden, sagte Gewerkschaftschef Frank Bsirske am 15.09.2016 in Düsseldorf. Seine Gewerkschaft hat die geschätzten Kosten in einem Gutachtens der Berliner Energiewissenschaftler von enervis energy advisors berechnen lassen. Für die noch etwa 15.000 in deutschen Kohletagebauen und -kraftwerken Beschäftigten lägen sie laut Bsirske bei etwa 250 Millionen Euro jährlich.
„Ein sozialverträglicher Kohleausstieg ist machbar und finanzierbar“, so eine Mitteilung der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di). Das ist das Ergebnis eines im Auftrag der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di). „Besonderen Charme“ habe das von ver.di favorisierte Modell, wonach der Kohleausstieg sozialverträglich über den Topf für die Einnahmen aus dem CO2-Zertifikatehandel finanziert werden solle. „Unser Gutachten zeigt: Der Ausstieg ist sozialverträglich machbar, er ist finanzierbar und unser Vorschlag belastet die Gesellschaft nicht. Jetzt ist die Politik gefordert, zu handeln“, sagte Bsirske. In den Topf für den CO2-Zertifikatehandel zahlen Unternehmen ein, um begrenzte Emissionsberechtigungen zu erstehen.
Sozialkosten des Kohleausstiegs bis 2050 und Finanzierbarkeit untersucht
Die Wissenschaftler hatten die Sozialkosten des Kohleausstiegs bis 2050 und deren Finanzierbarkeit untersucht. Grundlage der Berechnungen bildeten drei Szenarien: der vorgezogene Ausstieg bis zum Jahr 2040 („Agora Kohlekonsens“), dazu ein „Referenz“-Szenario, das eine Halbierung der Kohlestromproduktion bis 2030 und den Ausstieg bis 2050 vorsieht, und ein Szenario „Retrofit“, das auch für die Jahre nach 2050 noch einzelne gegebenenfalls nachzurüstende Kohlekraftwerke vorsieht. In allen drei Fällen würden ab sofort keine neuen Kohlekraftwerke mehr gebaut. Die Zahl der Beschäftigten nehme in allen Szenarien deutlich ab – im Durchschnitt der Jahre zwischen 2016 und 2050 würden nur noch 4.000 (Konsens-Szenario) bzw. 5.900 (Referenz-Szenario) oder 8.600 (Retrofit-Szenario) beschäftigt. Dem Gutachten nach schwanken die maximalen jährlichen Kosten stark, würden aber voraussichtlich in keinem Jahr 250 Millionen Euro überschreiten.
ver.di favorisiert die Finanzierung aus den Einnahmen aus dem CO2-Zertifikatehandel, die schon heute fließen. Daraus sollen, so sagt die zugrunde liegende EU-Richtlinie, Maßnahmen finanziert werden, die zu einer Senkung der Klimabelastung beitragen. „Mit unserem Vorschlag der Finanzierung eines sozialverträglichen Kohleausstiegs aus dem Zertifikatehandel-Topf tragen wir zu einer sinnvollen und wesentlichen Verwendung der Zertifikatehandel-Gelder bei, die zugleich umweltfreundlich und sozial und obendrein EU-konform ist“, betonte Bsirske.
Weitere Möglichkeit: Umlage auf Strompreis
Neben der von ver.di favorisierten Lösung wäre eine weitere Möglichkeit der Finanzierung eine Umlage auf den Strompreis. Das wären je nach Szenario zwischen 0,02 und 0,09 Cent pro Kilowattstunde, haben die enervis-Experten ausgerechnet. Oder, wenn Industrie- und andere Großkunden wie beispielsweise beim EEG von der Umlage befreit würden, zwischen 0,03 und 0,14 Cent. Diese Beträge müssten ver.di zufolge an den mehr als sechs Cent gemessen werden, die derzeit für die EEG-Umlage aufgebracht würden. Auch könnten die Kosten vom Staat über einen steuerfinanzierten Fonds finanziert werden.
Enervis berechnete die durchschnittlichen jährlichen Kosten, die maximal entstehen können, wenn alle, die vor Rentenbeginn ihren Job im Kraftwerk verlieren, ihr Gehalt weiter ungekürzt beziehen würden. Das Ergebnis überrascht nicht: Geht der Ausstieg schneller, steigen auch die Sozialkosten. Im jährlichen Mittel zwischen 2016 und 2050 schwanken die Sozialplankosten je nach Szenario zwischen 499 Millionen Euro im Konsens-Szenario, 341 Millionen im Referenz- und 115 Millionen Euro im Retrofit-Szenario, denn auch hier würden, da keine Neubauten eingerechnet sind, Arbeitsplätze verloren gehen.
In allen Szenarien steigen die Kosten von Jahr zu Jahr bis etwa 2030 an, erreichen dann ein Maximum und sinken bis 2050 wieder ab. Allerdings: Die realen Kosten werden deutlich geringer sein, weil viele Beschäftigte zwischen Kraftwerksstillegung und ihrem Rentenbeginn wieder eine neue Arbeit finden. „Wir rechnen damit, dass in keinem der Szenarien auch zu den Spitzenzeiten etwa um 2030 jährliche Kosten von mehr als 250 Millionen Euro aufzubringen sein werden, für vorzeitige Renten, aber auch für Umschulung und andere berufsbegleitende Maßnahmen“, erläuterte ver.di-Bundesvorstandsmitglied Andreas Scheidt.
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