London genehmigt Hinkley Point C

Umstrittener Atommeiler erster AKW-Bau in EU seit Fukushima-GAU
-aus der Solarify-Reihe Brexit und die Folgen für Atom, Klima und Energie

Die britische Regierung hat unter Bedingungen dem Bau des AKW Hinkley Point C (HPC) zugestimmt. Die französische  EDF  – sie will das AKW an der Westküste Englands zusammen mit dem chinesischen Atom-Konzern CGN bauen – darf ihre Anteile vor der Fertigstellung nicht ohne Londons Zustimmung verkaufen. Das britische Atomkraftwerk Hinkley Point soll 2015 ans Netz gehen, ist aber wegen der Kosten, der Technologie, der ungeklärten Endlagerung und der Teilnahme chinesischer Konzerne hoch umstritten. Zahlreiche Klagen gegen HPC laufen vor europäischen Gerichten. Mit Sizewell C in Suffolk und Bradwell B in Essex plant Großbritannien zwei weitere AKW.

„Der Renaissance der Atomkraft in Grossbritannien steht von Regierungsseite nichts mehr im Weg“, formulierte die Neue Zürcher Zeitung trocken, laut der bereits im Juli mit einer Entscheidung über Europas grösstes Energieprojekt gerechnet worden war. Die war verschoben worden, weil die neue Premierministerin Theresa May überraschend eine weitere Überprüfung der Kosten, der geplanten Technologie und vor allem der Rolle der chinesischen China General Nuclear Power Group CGN im Projekt angeordnet. Die ungeklärte Endlagerung des strahlenden Mülls machte HPC zudem teurer als geplant (siehe solarify.eu/atommuell-macht-hinkley-point-c-teurer-als-geplant). Die Atom-Projekte sind wegen der finanziellen Risiken auch in Staatskreisen äußerst umstritten; wegen dieser interne Differenzen war die Entscheidung immer wieder verschoben worden.

[note Am 15.09.2016 veröffentlichte das chinesische Staatsunternehmen ein „Statement zum britischen Atomprojekt“:
Wir freuen uns, dass die britische Regierung entschieden hat, mit dem ersten neuen Kernkraftwerk für eine Generation voran zu gehen. Wir sind nun in der Lage, die dringend benötigte nukleare Kapazität für Hinkley Point, Sizewell  und Bradwell zu liefern, gemeinsam mit unserem strategischen Partner, der EDF, und werden Großbritannien mit sicherer, zuverlässiger und nachhaltiger kohlenstoffarmer Energie versorgen. CGN und EDF haben eng über Jahrzehnte kooperiert und eine solide Grundlage für die drei neuen Atomprojekte gelegt. Die CGN freut sich, bei der Deckung des künftigen britischen  Energiebedarf ihre 30jährige Jahre Erfahrung in Bau und Betrieb von Atomkraftwerken einsetzen zu können.“ Die EDF teilte mit, die sei „delighted by the British Government’s decision.“]

Die zu zu 85 Prozent im Staatsbesitz befindliche EDF soll als Bauherrin und Hauptfinanzier zwei Drittel der momentan mit netto 21,12 Milliarden Euro (ohne Finanzierungskosten) angegebenen Projektkosten tragen. Das restliche Drittel soll die CGN übernehmen. Die Londoner Regierung setzte aber für die Erlaubnis zum Baubeginn ersten AKW-Bau seit 20 Jahren die Bedingung voraus, dass die EDF ihren Mehrheitsanteil nicht ohne Londons Zustimmung (vor und nach der Fertigstellung des Projekts) verkaufen darf.

Der Vertrag über die Finanzierung steht ebenfalls stark in der Kritik. Die Regierung garantiert EDF und CGN einen Strompreis von 109 €/MWh, etwa das Doppelte des gegenwärtigen Marktpreises. Dieser Garantiepreis soll während der geplanten 35 Jahre Laufzeit jährlich mit der Inflation steigen. Diese Rechnung geht zu Lasten der Endkonsumenten und bringt nach Meinung der Kritiker den gesamten europäischen Strommarkt ins Schwanken.

Bis 2050 will Großbritannien seinen [[CO2]]-Ausstoss um 80 Prozent reduzieren, ausgehend vom Niveau von 1990, und plant deshalb die Abschaltung von Kohle- und älteren Kernkraftwerken. HPC ist ein Teil der Strategie zur Sicherung der Energieversorgung – sieben Prozent des britischen Strombedarfs soll HPC decken. Weil aber die Preise für Erneuerbare Energien ständig weiter stark fallen, schlagen die Kosten für HPC noch stärker zu Buche.

Peking signalisierte bereits, China werde die neuen Bestimmungen akzeptieren. Denn für die chinesischen Unternehmen ist Bradwell weltweites Vorzeigeprojekt, das die Zuverlässigkeit chinesischer Reaktoren demonstrieren soll – für die EDF gilt es als Aushängeschild für französisches Know-how. Jean-Bernard Lévy, Chef der angeschlagenen EDF, pries die Entscheidung gar Wiederbelebung der Atomkraft in Europa. Energieminister Greg Clark verkündete, die Sicherheit des Baus solle mit neuen Maßnahmen gewährleistet werden, sagte aber nicht, aber wie diese Maßnahmen konkret aussehen sollen. Unternehmen und Gewerkschaften erhoffen sich von dem Neubau 25.000 neue Arbeitsplätze.

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