Franz Alt: Gletscherschmelze und Klimaflüchtlinge

Ein Meter Meeresspiegel-Anstieg bedroht 150 Millionen Menschen

Hongkong bald unter Wasser? - Foto © Gerhard Hofmann_Agentur Zukunft

Hongkong bald unter Wasser? – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

Der Meeresspiegel könnte nicht nur um 60 Zentimeter bis zum Ende unseres Jahrhunderts ansteigen wie im letzten IPCC-Bericht angenommen, sondern um einen bis fünf Meter. Schon bei einem Anstieg um einen Meter wären bis zu 150 Millionen Menschen betroffen, die dann keinen Boden mehr unter ihren Füßen hätten und fliehen müssten. Hauptsächlich Menschen in Millionenstädten an den Küsten rund um den Globus: zum Beispiel in Shanghai und Hongkong, in Calcutta und Bombay, in Kairo und Alexandria, in Rio und in Buenos Aires, aber auch in Bangladesch und Afrika.

In der Arktis taut bereits der Permafrostboden auf und setzt den Klimakiller Methan frei. Ein Methangas-Molekül zerstört das Klima etwa 22mal mehr als das Haupttreibhausgas CO2. In den Eisschichten Grönlands sind gewaltige Kohlenstoffvorkommen eingelagert, die sich dort in Jahrhunderten aus absterbenden Pflanzen gebildet haben.

300 Kilometer nördlich des Polarkreises, beim Hubschrauber-Flug über den Ilulissat-Fjord: Hier kommen die größten Eisberge Grönlands zur Welt. Eisberg heißt auf grönländisch „Ilulissat“.  Vor über 100 Jahren brachte ein Eisberg, der von diesem Fjord kam, die Titanic zum Sinken.

Mitte September 2016 gab das dänische Meteorologische Institut bekannt: 2016 erneuter Hitzerekord in Grönland. Die Eisschmelze begann noch früher als in früheren Jahren. Heute liegt die Grönländische Durchschnittstemperatur um 2,3 Grad höher als im Schnitt zwischen 1981 und 2010. Der Eisschild nimmt heute doppelt so schnell ab wie im Schnitt des letzten Jahrhunderts.

Grönland: weißer Schnee – weiß-blaue Eisberge – kahl-schwarze Bergkuppen.  Das einzigartige Naturparadies scheint dem Untergang geweiht. Unsere Wissenschaftler diskutieren nicht mehr wie noch vor einigen Jahren die Frage, ob das Eis verschwindet, sondern nur noch die Frage, wann das sein wird. 20 Kilometer schrumpfte der Ilulissat-Gletscher in  letzten 10.000 Jahren vor 1850. Allein in den letzten Jahren schmolz das Eis um 10 Kilometer. Das Gebiet, das von der Eisschmelze betroffen ist, wächst permanent. Beim Flug lassen wir uns zeigen wie der Gletscher noch vor 150 Jahren fast den gesamten Fjord bedeckte. Doch heute ist der Fjord voller Eisberge, die vom Gletscher abgebrochen sind. „Die Gletscher kalben“, nennen die Wissenschaftler das Phänomen. Der ganze Fjord ist voller „Kälber“. Schließlich stehen wir am Rande der Abbruchkante des Gletschers. Es „kalbt“ und kracht und poltert hier pausenlos. Auf acht Kilometer Länge „kalbt“ hier der Gletscher täglich mehr Eis in den Fjord wie in den Alpen alle Gletscher in einem Jahr zusammen.

Auf einer Karte haben die Wissenschaftler die Eisschmelze des Gletschers seit 1850 dokumentiert. Wir erschrecken über das zunehmende Tempo. In meinen weltweiten Vorträgen zu diesem Thema und zu den Erneuerbaren Energien gibt es immer noch gelegentlich Zweifel am Klimawandel. Ich werde künftig diese Bilder zeigen und die Skeptiker fragen: „Warum schmilzt in Grönland und in Alaska, am Südpol und am Nordpol  das Eis, wenn es keinen Klimawandel gibt?“

Globale Eisschmelze: Hier tickt eine Zeitbombe planetarischer Größenordnung. Allein der Eisschild von Grönland enthält so viel Wasser, um den Meeresspiegel um sieben Meter ansteigen zu lassen. Dann wäre die Erde nicht mehr unser Freund, sondern unser Feind. Der noch schlafende Riese Antarktis könnte bei einer totalen Schmelze den Meeresspiegel um bis zu 70 Meter erhöhen.

->Quelle: sonnenseite.com/franz-alt/gletscherschmelze-und-klimafluechtlinge