Experten widersprechen Autoindustrie: Abgasreinigung müsste gar nicht abgeschaltet werden
Fachleute halten laut Handelsblatt (17.09.2016) die Abschaltung der Abgasreinigung aus Gründen des Motorschutzes für überflüssig: Denn man könne schon heute Motoren so her- und einstellen, dass sie ohne Schutzfunktion laufen könnten – und die Emissionsgrenzwerte erfüllten. Das haben NDR, WDR und SZ allerdings schon am 26.08.2016 aus Gutachten veröffentlicht – siehe tagesschau.de/gutachten-untersuchungsausschuss-zur-abgasaffaere. Die Deutsche Welle sieht die Bundesregierung gar „unter Druck“.
Gutachter belasten die Bundesregierung: Sie werfen ihr in der Abgasaffäre Untätigkeit vor. Zuständige Stellen hätten die Probleme verschleppt und seien mit der Industrie verflochten. Das ergab die Auswertung von fünf im Auftrag des Untersuchungsausschusses erstellten Gutachten durch Reporter von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung.
Es sei „für alle Behörden“ seit Jahren ersichtlich gewesen, dass der Schadstoffausstoß auf der Straße von den offiziellen Werten bei Zulassung der Autos deutlich abweiche (daher seien die Abgase seien so manipuliert worden, dass sie bei den Tests die vorgeschriebenen Grenzwerte so eben noch eingehalten hätten), zitierten die drei Medien aus der Stellungnahme des Wissenschaftlers Denis Pöhler vom Institut für Umweltphysik der Universität Heidelberg für den Bundestag. Dennoch habe das Kraftfahrtbundesamt „keinerlei Initiative ergriffen, diese Problematik anzugehen“, schreibt Pöhler . „Der Politik und den Behörden ist Versagen vorzuwerfen, die Richtlinien der Emissionsprüfungen nicht angepasst zu haben, obwohl dies von Experten seit Jahren mehrfach deutlich gefordert wurde“, heißt es weiter in dem Gutachten. Pöhler wähnt folgerichtig „zu enge Verflechtungen von KBA und Autoindustrie“.
Im Verlauf des VW-Skandals war immer wieder zu hören, die Abgasreinigung bei Diesel-Motoren müsse aus Gründen des Motorschutzes bei bestimmten Temperaturen abgeschaltet werden – das war in den Fokus der Kritik geraten – dabei sind Abschaltungen aus Expertensicht überflüssig. „Nach aktuellem Kenntnisstand ist es heute möglich, Motoren so zu konstruieren, dass sie betriebssicher ohne Motorschutzfunktion eingesetzt werden können und die aktuell geltende Emissionsgesetzgebung für Europa erfüllen“, schreibt Sachverständiger Roland Baar von der Technischen Uni Berlin in einer Stellungnahme für den Untersuchungsausschuss des Bundestags. Verkehrsminister Dobrindt hatte sich im Verlaufe der Dieselaffäre mit der Berufung der Autohersteller auf EU-Ausnahmen begnügt, die Abschaltvorrichtungen seien zum Schutz der Motoren unabdingbar und daher zulässig.
Auch ADAC-Experte Reinhard Kolke erkannte in seinem Gutachten Untätigkeit der zuständigen Behörden. Demnach hat der ADAC die Bundesregierung bereits im Sommer 2010 davor gewarnt, dass womöglich „die Abgasanlagen so ausgelegt sind, dass die Fahrzeuge zwar in den Prüfzyklen die Grenzwerte einhalten, im täglichen Betrieb im realen Stadtverkehr aber keine Verbesserung erreichen“.
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