AKW-Betreiber tricksen – Umweltverbände fordern daher Beibehaltung der Abgabe – Offener Brief an Hendricks, Gabriel und Schäuble
Die Ende 2016 winkende Befreiung der AKW von der Brennelementesteuer in Milliardenhöhe ruft Protest von Umweltschützern und Atomkraftgegnern hervor. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), die Anti-Atom-Organisation .ausgestrahlt und das Umweltinstitut München fordern in einem offenen Brief an Finanz-, Wirtschafts- und Umweltministerium sowie die Fraktionsspitzen von Union und SPD, den AKW-Brennstoff weiter zu besteuern. Bisher will die Regierung die so genannte Brennelementesteuer Ende des Jahres streichen.
Ein einfacher Steuertrick: Verschiebung von Brennstoff-Wechsel verursacht Steuerausfälle
.ausgestrahlt weist zudem auf einen Steuerspar-Trick der Atomkonzerne hin: Finanzminister Schäuble rechne für 2016 mit einer Milliarde Euro Einnahmen aus der Kernbrennstoffsteuer, so die offizielle Bezeichnung – doch er mache die Rechnung ohne die AKW-Betreiber Eon, RWE und EnBW: „Die Betreiber von Atomkraftwerken in Deutschland drücken sich um die 2016 noch anfallende Brennelemente-Steuer. Sie nutzen das für Ende 2016 geplante Auslaufen der Steuer aus und verschieben den eigentlich im Sommer üblichen Wechsel der Brennelemente einfach und wollen erst nach dem Jahreswechsel neuen Atombrennstoff ’nachtanken‘ – wenn die Steuer weggefallen ist. Durch diesen Trick verursachen sie Steuerausfälle von etwa 700 Millionen Euro.“
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble habe – rechnet .ausgestrahlt vor – bisher 266 Millionen eingenommen. Und da sieben der acht laufenden Atomkraftwerke ihre Jahresrevision schon hinter sich hätten, komme nicht mehr viel dazu. Der Trick der Atomkonzerne: Normalerweise werde bei der jährlichen Revision eines AKW etwa ein Viertel der Brennelemente im Reaktorkern durch neue ersetzt. Beim Einsetzen werde für die Betreiber dann die Steuer in Höhe von 145 Euro pro Gramm Brennstoff fällig. In diesem Jahr jedoch seien bei den Revisionen wesentlich weniger Brennelemente ausgetauscht als üblich. Stattdessen gruppierten die Betreiber bereits länger eingesetzte Brennelemente um, frische (für die die Steuer anfällt) setzten sie nur so viele wie unbedingt nötig ein, um gerade so über den Jahreswechsel zu kommen.
Die Stromkonzerne setzten darauf, kurz nach Auslaufen der Brennelemente-Steuer ihre Kraftwerke runterzufahren um ordentlich „aufzutanken“. Im Winter und Frühjahr 2017 seien in allen deutschen Reaktoren Abschaltungen geplant, oft sogar über den Jahreswechsel oder kurz danach. Ein vollkommen unüblicher Vorgang, der direkt auf das Auslaufen der Brennelemente-Steuer zurückzuführen sei – so .ausgestrahlt.
Daher die Forderung, die Brennelementesteuer nicht abzuschaffen
„Lässt die Bundesregierung das Auslaufen der Brennelementesteuer zu, belohnt sie den Weiterbetrieb von Atomkraftwerken – pro Reaktor und Tag mit rund 500.000 Euro“, kritisiert Franziska Buch vom Umweltinstitut München. „Fünf Jahre nach Fukushima wäre das gesellschaftlich wie ökonomisch das absolut falsche Signal. Die Regierung muss nun schnellstens eine Gesetzesänderung auf den Weg bringen, um das Ende der Brennelementesteuer zu verhindern.“
Eingeführt wurde die Kernbrennstoffsteuer (siehe solarify.eu/kernbrennstoffsteuer) 2011, um die AKW-Betreiber an den gesellschaftlichen Kosten der Atomenergie zu beteiligen und Wettbewerbsvorteile der Atomkraft zu reduzieren. „Für eine Befristung gab es bereits damals keine plausible Erklärung“, heißt es in dem Brief. „Aktuell kommen weitere triftige Gründe für eine Beibehaltung der Steuer hinzu. So plant die Bundesregierung, die Energieunternehmen für einen ‚Risikoaufschlag‘ von sechs Milliarden Euro aus ihrer Haftung für künftige Kosten der Atommülllagerung zu entlassen. Das bedeutet ein weiteres Aufweichen des eigentlich geltenden Verursacherprinzips. Das Risiko steigender Kosten und einer niedrigeren Zinsentwicklung, auf das auch das vom BMWi in Auftrag gegebene Gutachten (Warth & Klein 2015) ausdrücklich hinweist, trägt jetzt der Steuerzahler. Am Ende wird der Bund mit Milliarden-Beträgen einspringen müssen.“
Voll zu Lasten des Fiskus gehe darüber hinaus die Atommüll-Lagerung aus den ehemals kommerziellen Atomkraftwerken AVR Jülich und THTR Hamm-Uentrop. Ebenso trage der Steuerzahler einen ungerechtfertigt hohen Anteil an den Abrisskosten der Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe (WAK). Der Brief: „Um die Haushaltsbelastung des Bundes durch diese Atom-Folgekosten zu verringern, ist es dringend geboten, die Kernbrennstoffsteuer auch weiterhin zu erheben. Die Brennelementesteuer reduziert zudem die ungerechtfertigte Bevorzugung von Atomkraftwerken im Strommarkt. Es wäre ein fatales Signal, wenn die AKW-Betreiber für ihre längst abgeschriebenen Reaktoren erneut einen Wettbewerbsvorteil erhalten würden.“
„Es gibt keinen Grund, jetzt auf diese Steuer zu verzichten“, so auch Thorben Becker, Atomexperte beim BUND. „Im Gegenteil: Die Sanierung der Atommülllager Asse II und Morsleben wird weit mehr kosten, als die Brennelementesteuer bisher eingebracht hat. Zudem hätten die übriggebliebenen Atomkraftwerke mit dem Auslaufen der Steuer in den kommenden Jahren völlig ungerechtfertigte Vorteile im Strommarkt.“
Jochen Stay, Sprecher der Anti-Atom-Organisation .ausgestrahlt, verweist darauf, dass die Abschaffung der Brennelementesteuer auch den geplanten „Risikoaufschlag“ beim Atommüll-Fonds ad absurdum führen würde. „Die Konzerne bekämen die sechs Milliarden Euro, die sie als ‚Risikoaufschlag‘ in den Fonds einzahlen sollen, durch die Befreiung von der Brennelementesteuer wieder zurück. Unterm Strich würde der Staat den AKW-Betreibern die Haftung für ihren Atommüll also völlig gratis abnehmen – das kann nicht sein!“
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