Kein Wunschkonzert der Wirtschaftslobby

Greenpeace-Gutachten kritisiert Entscheidungsprozess zum Klimaschutzplan 2050 – Bürgerbeteiligung als Feigenblatt: Kurzfristiges Lobbydenken macht gute Ansätze zunichte

„Es sollte ein Leuchtturm werden, ein Paradebeispiel an Transparenz und Bürgerbeteiligung“, schrieb Sigrid Totz auf greenpeace.de unter dem Titel „Wein zu Wasser“: Das Bundesumweltministerium habe 2015 Vertreter der Zivilgesellschaft „eingeladen, gemeinsam den Klimaschutzplan 2050 zu entwickeln“. Doch solche neuen Wege müsse die Bundesregierung „künftig ernster nehmen und nicht als ‚Beruhigungspille‘ mit ‚Ventilfunktion‘ missbrauchen. Sonst drohe der Prozess alle Beteiligten zu entmutigen und das bereits beschädigte Vertrauen in die Politik weiter zu untergraben“, so beschrieb Greenpeace unter dem Titel „Kein Wunschkonzert der Wirtschaftslobby“ in einer Mail-Erklärung das Ergebnis eines Gutachtens des Sozialwissenschaftlers Prof. Dieter Rucht vom Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) im Auftrag der Umweltorganisation.

Rucht analysierte die öffentliche Beteiligung am Klimaschutzplan 2050 und lobt den vom BMUB aufgesetzten innovativen Prozess als „ehrgeizig“ und „äußerst transparent“. Mit dem derzeitigen Ergebnis jedoch frustriere die Bundesregierung alle Beteiligten. Der vorliegende Entwurf des Klimaschutzplans 2050 enthalte nach der Abstimmung mit weiteren Ministerien und dem Kanzleramt kaum noch konkrete Maßnahmen zum Klimaschutz wie sie die Öffentlichkeit gefordert habe. „Das Abkommen von Paris verlangt, dass wir bis spätestens 2035 aus der Kohle aussteigen. Bundesumweltministerin Hendricks hat das ernst genommen, aber alle anderen Ministerien nicht“, sagte Tobias Münchmeyer, stellvertretender Leiter der Politischen Vertretung von Greenpeace in Berlin. „Der Klimaschutzplan 2050 ist kein Wunschkonzert der Wirtschaftslobby. Wir brauchen konkrete Ziele und Maßnahmen für jeden einzelnen Wirtschaftssektor.“

Ministerien und Kanzleramt blocken konkrete Maßnahmen

Greenpeace-Demo vor Petersberger Dialog am Brandenburger Tor - Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

Lippenbekenntnisse für den Klimaschutz, aber klimaschädliches Handeln – das passt nicht. Greenpeace-Aktivisten erinnern Angela Merkel vor dem Petersberger Dialog am Brandenburger Tor im Juli 2016 daran, dass die Klimaziele ohne Kohleausstieg nicht zu erreichen sind – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

Am 02.11.2016 will das Kabinett den Klimaschutzplan beschließen. Das BMUB hatte nach einem einjährigen Prozess der öffentlichen Beteiligung mit Bürgern, Verbänden, Gewerkschaften und Wissenschaftlern einen ersten Entwurf des Klimaschutzplans mit konkreten Maßnahmen erarbeitet. Nach Abstimmung mit Wirtschaftsministerium und Kanzleramt blieb davon fast nichts übrig. Auch das Verkehrs- und das Landwirtschaftsministerium haben bereits angekündigt, unliebsame Klimaschutzmaßnahmen noch verwässern oder verhindern zu wollen.

Der Klimaschutzplan war ursprünglich gedacht als Fahrplan und Maßnahmenkatalog für die Klimapolitik der nächsten Jahrzehnte. Er sollte den Weg zur Dekarbonisierung weisen, zu einem Lebensstil und einer Wirtschaftsweise, deren [[CO2]]-Ausstoß schrittweise gegen Null geht. Wenn Deutschland seine Klimaziele erreichen will, muss es aber bis 2050 mindestens 80 bis 95 Prozent weniger Kohlendioxid ausstoßen als im Vergleichsjahr 1990.

Folgt: Offen, transparent, demokratisch…