Zäher Leitungs-Ausbau – für Netzbetreiber und Kunden wird’s teurer
„Die Netzentgelte sollen deutlich teurer werden. Der Übertragungsnetzbetreiber TenneT will sie um satte 80 Prozent erhöhen. Dies bedeutet einen deutlichen Preisanstieg für die Kunden. Ein Drei-Personen-Haushalt muss sich auf Mehrkosten von etwa 30 Euro im Jahr einstellen“, schrieb Jan Schmidbauer am 23.09.2016 in der Süddeutschen Zeitung.
Die Verbraucher bekommen den langsamen Ausbau der Stromnetze zu spüren. So erhöht der Stromnetzbetreiber TenneT massiv seine Preise und begründet das mit den Folgekosten der Energiewende – ein Schritt, der sich auch in den Stromrechnung der Verbraucher niederschlagen wird. „Unsere Netzentgelte werden zum Jahreswechsel um 80 Prozent steigen“, sagte TenneT-Chef Urban Keussen dem Handelsblatt. Nach Angaben Keussens muss ein Drei-Personen-Haushalt rund 30 Euro mehr im Jahr bezahlen. „Hauptursache für den Anstieg ist, dass der Netzausbau nicht so schnell vorankommt wie der Zubau der Erneuerbaren. Das muss uns alarmieren“, sagte der Manager der Zeitung. Der Großteil des Anstiegs gehe auf das Konto von „netzstabilisierenden Notmaßnahmen“.
Wenn nämlich bei Sonnenschein und starkem Wind die herkömmliche Kraftwerke mit hoher Leistung laufen, müssen die Stromnetzbetreiber zum Schutz der Netze vor Überlastung eingreifen. Die Erneuerbaren Energien brächten nämlich sonst die Netze an oder über ihre Kapazitätsgrenze – sie könnten dann zwar abgeschaltet werden. Die Betreiber verlieren dadurch kein Geld: Sie bekommen weiter ihre garantierte Vergütung. Aber auch die EVU müssen ihre Kraftwerke teils schnell hoch- und herunterfahren – das ist teuer.
„Nur fünf Prozent sind durch den Netzausbau begründet“, sagte Keussen. Das zeige, dass die vielen Verzögerungen bei Bau neuer Stromnetze teurer seien, als der Neubau von Masten und Leitungen selbst. Vier Betreiber von Höchstspannungsleitungen in Deutschland – Tennet, Amprion, 50Hertz und TransnetBW – speisen den Großteil des Stroms ein und verteilen ihn über lange Distanzen. Kurz gesagt: „Die Verzögerungen beim Ausbau sind inzwischen teurer, als der Bau der Leitungen selbst“ (SZ).
Tennet rangiert als Übertragungsnetzbetreiber in Europa unter den Top 5 und verbindet mit etwa 22.000 Kilometern Hoch- und Höchstspannungsleitungen Kraftwerke, Stromkunden und Länder. TenneT arbeitet nach eigener Aussage „eng mit Regierungen, Nichtregierungsorganisationen, Lieferanten und Investoren weltweit zusammen“. Ziel sei jetzt und in Zukunft der Auf- und Ausbau sowie der Betrieb wichtiger Hochspannungs-Infrastrukturen. Dazu zählen Onshore- und Offshore-Netze sowie grenzüberschreitende Interkonnektoren. TenneT will „die Entwicklung des nordwesteuropäischen Energiemarktes vorantreiben.“
Das BMWi warnte in einem internen Papier vor einem schnellen Anstieg der Netzkosten – sie hätten 2015 rund 1,1 Milliarden Euro betragen und drohten in den kommenden Jahren stark anzusteigen. Die Bundesnetzagentur fürchtet gar, die Kosten könnten auf vier Milliarden Euro pro Jahr steigen. Laut Robert Habeck, dem grünen Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume des Landes Schleswig-Holstein, wird es etwa acht Jahre dauern, bis das Netz soweit ist: „2025 soll das System stehen. Es sollte eigentlich 2022 sein, aber die Verzögerung wegen dem Erdkabel hat es drei Jahre länger gestreckt. Und ich hoffe, dass der Zeitplan zu halten sein wird“, sagte er im Deutschlandfunk.
Auch die Industrie wird Dampf machen. Denn viele energieintensive Unternehmen – so die SZ – „beteiligen sich ebenfalls mit großen Summen an den Netzentgelten. Damit dürfte sich auch der politische Druck erhöhen, beim Netzausbau zügiger voranzukommen und damit zu verhindern, dass die Übertragungsnetzbetreiber regelmäßig durch die sogenannten ‚Notmaßnahmen‘ einen Ausgleich zwischen Erneuerbaren und herkömmlichen Kraftwerken schaffen müssen“.
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