Wissenschaft streitet um Wirbelstürme
Die Wissenschaft habe „ein genaues Bild“ über die Entstehung von Hurrikanen wie des aktuellen Matthew, so Jan Heidtmann am 07.10.2016 in der Süddeutschen Zeitung. Dieses Wissen werde von Nutzen sein, wenn die Stürme häufiger werden sollten, was viele befürchten. Eine Frage aber ist bisher unbeantwortet, bzw. umstritten: Begünstigt der Klimawandel diesen Prozess oder nicht? Ungefähr genauso viele Indizien sprächen für einen Zusammenhang wie dagegen.
Wie auch immer: „‚Wetterexperten haben Matthew als einen Sturm beschrieben, der so einmal im Jahrhundert vorkommt“, sagte Bürgermeister Lenny Curry in Jacksonville in Florida, wo fast die Hälfte der 850.000 Einwohner in Sicherheit gebracht werden mussten.‘ (Spiegel-Online) Meteorologen und Klimawissenschaftler streiten darüber, ob verheerende tropische Wirbelstürme wie Olga (2001), Katrina (2005), Sandy (2012) oder eben jetzt Matthew wie andere Extremwetterlagen auch Folgen der Erderwärmung sind.
Umstrittene Thesen
Ein tropischer Wirbelsturm braucht eine Meerestemperatur von mindestens 26,5 Grad – wie sie der Atlantik zwischen Juni und November nördlich vom Äquator vor der Westküste Afrikas erreicht, von wo dann auch die Hurrikane in der Karibik und an der Ostküste der USA herkommen. „Das Wasser verdunstet, die Luft erwärmt sich, so bildet sich ein Sog über dem Meer. Aus allen Richtungen strömen nun Luftmassen herbei, um diesen Unterdruck auszugleichen. Sie nähren den Sturm, es bilden sich Wolkenwirbel, das verdunstende warme Wasser wird zum Treibstoff des Hurrikans“, erklärt Heidtmann.
Weil aber nun infolge des Klimawandels auch der Atlantik wärmer geworden sei (seit ca. 1900 um 0,7 Grad), hätten Wissenschaftler das lange als Ursache für die Zunahme von Hurrikanen seit den 1990er-Jahren angesehen. Doch die aufgeheizten Meere liefern auch Energie für die sogenannten Scherwinde – die wiederum die Wirbel zerstören. Ungeklärt sei zudem bislang, ob tatsächlich die absolute oder nicht vielmehr die relative Meerwassertemperatur (im Verhältnis zu den umliegenden Meeresregionen) entscheidend ist. Wenn dem so wäre, spräche das gegen einen Zusammenhang mit der Klimaerwärmung, die ja die Temperaturen gleichmäßig ansteigen lässt.
Der Weltklimarat IPCC erwarte denn auch nicht mehr, dass mehr Hurrikane auf die Menschen zukämen; dafür nehme aber die Wucht der entstehenden Stürme zu. Doch diese These sei ebenfalls umstritten. Die Anzahl der Wirbelstürme und ihre Wucht schwankten auf längere Sicht stark, meist in einem Rhythmus von 30 bis 40 Jahren. So sei dem Hurrikan Andrew (1992 Florida) eine Zeit mit wenig verheerenden Unwettern vorausgegangen. Eine auf diese Kaltphase folgende Warmphase produziere seitdem kräftigere Hurrikane. Um diese Wechselwirkungen seriös einschätzen zu können, fehle es noch an Daten; Satelliten ermöglichten erst seit rund 30 Jahren, Stürme und Extremwetter präzise zu beobachten.
National-Hurricane-Center-Direktor Richard Knabb informiert die Öffentlichkeit über die Prognosen und zu erwartenden Auswirkungen durch Matthew in den Vereinigten Staaten.
Dreizehnter tropischer Sturm, fünfter Hurrikan und zweiter schwere Hurrikan der atlantischen Hurrikansaison 2016
Der Hurrikan Matthew, ein sehr starker tropischer Wirbelsturm über der Karibik, war der erste atlantische Hurrikan seit Felix in der atlantischen Hurrikansaison 2007, der die Kategorie 5 auf der Saffir-Simpson-Hurrikan-Skala erreichte. Das sogenannte 14. tropische System ist der dreizehnte tropische Sturm, der fünfte Hurrikan und der zweite schwere Hurrikan der atlantischen Hurrikansaison 2016 und bildete sich aus einer starken tropischen Welle, die sich am 22.09.2016 von der Küste Afrikas löste und westwärts über den tropischen Atlantik zog, bis das System am 28.09.2016 östlich der Inseln über dem Winde als tropischer Sturm klassifiziert wurde. Bereits einen Tag später wurde der Sturm direkt westlich der Antillen zu einem Hurrikan, der sich weiter rapide in einen Kategorie-5-Hurrikan intensivierte.
Südöstlich von Jamaika drehte das System auf eine nördliche Zugbahn. Der Hurrikan zog mit andauernden Windgeschwindigkeiten bis zu 230 km/h über Haiti, Jamaika, Kuba und Teile der Dominikanischen Republik und setzt seinen Weg Richtung Bahamas und Ostküste der Vereinigten Staaten fort. Allein auf Haiti werden 900 Tote geschätzt. (Nach Wikipedia)
Wissenschaftler des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) haben das Ausmaß möglicher zukünftiger Hurrikanschäden im Verhältnis zum Wirtschaftswachstum analysiert. Am Beispiel der USA fanden sie heraus, dass eine Verdreifachung dieser relativen Schäden bei unvermindertem Klimawandel bis zum Ende des Jahrhunderts möglich ist und die akkumulierten jährlichen Schäden durchschnittlich sogar um das Achtfache ansteigen können. „Es sieht so aus als könnten wir einen wirtschaftlichen Wettlauf mit ungebremsten Klimawandel nicht gewinnen.“ sagt Anders Levermann, Leiter der Forschung zu globalen Anpassungsstrategien am PIK und Wissenschaftler an der Columbia Universität in New York. „Wir sehen anhand der Hurrikanschäden in den USA, dass die Hoffnung in wirtschaftliches Wachstum als Antwort auf den Klimawandel fragwürdig ist. Natürlich ist die Anpassung an unvermeidliche Folgen des Klimawandels wichtig, aber seine Eindämmung bleibt von wesentlicher Bedeutung, um die noch vermeidbaren Konsequenzen zu verhindern oder wenigstens abzuschwächen.“
Siehe: solarify.eu/wirtschaftswachstum-und-klimaschaeden.
->Quellen: