„Ein großer Fortschritt“
Die Ratifizierung des Klimavertrags von Paris wurde als ein großer Erfolg gefeiert. Nun geht es international an die Umsetzung. Prof. Hans Joachim Schellnhuber vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung schätzt im Interview mit Maiken Winter das erbitterte Ringen um den Klimaschutz ein, und sagt, wo die großen Chancen liegen. Das Interview wurde im forum Nachhaltig Wirtschaften gedruckt.
Das Pariser Klimaabkommen wurde ratifiziert. Gleichzeitig bremst die Regierung die Energiewende aus. Verstehen Sie diesen Gegensatz?
Dieser Gegensatz bildet in gewisser Weise ab, was in Paris passiert ist. Man hat nach 30 Jahren endlich eine adäquate Zielsetzung gefunden, nämlich die Erderwärmung auf deutlich unter 2 Grad Celsius zu begrenzen. Das entspricht dem, was wir aus wissenschaftlicher Sicht schon seit langer Zeit kommunizieren. Und das ist ein großer Fortschritt. Aber die Anerkennung eines Ziels heißt noch lange nicht die Anerkennung der dafür notwendigen Taten.
In Paris wurde gesagt: Wir wollen es versuchen. Aber es gibt dafür noch keine konkreten Maßnahmen und keine Sanktionsmechanismen. Das Einzige, was man versprochen hat ist: man will sich anstrengen und wird alle fünf Jahre Bilanz ziehen. Paris ist also zunächst eine Bemühenszusage.
Wo aber bleibt das „Bemühen“ der Bundesregierung?
Die Bemühenszusage ist die eine Ebene, die Umsetzung ist die andere. Und da ist es zunächst Ermessensfrage, ob man das Bemühen auf nationaler Ebene realisiert, indem man harte Zahlen vorschreibt oder ob man sich weicher Formulierungen bedient, und hofft, dass sich das Ganze trotzdem zurechtrüttelt.
Gleichzeitig meinen manche: Wenn die langfristigen Ziele erst richtig gesetzt sind, dann kommt es für den Augenblick nicht so sehr darauf an, ob wir in die falsche Richtung gehen oder zu langsam – denn dann lässt sich das später noch nachjustieren. Aber wenn ich jetzt schon nicht ehrgeizig vorgehen möchte, warum sollte ich dann später umso ehrgeiziger sein?
Fakt ist, wenn Klimaziele eingehalten werden sollen, dann haben wir nur noch ein begrenztes [[CO2]]-Budget zur Verfügung. Es wird nicht klappen, das Problem immer weiter weg zu schieben und darauf zu hoffen, dass sich nach 2020 alles durch Technologien selbst regelt. Das muss man auch der Politik immer wieder erklären: Alles, was wir bereits emittiert haben und noch emittieren, geht in dieses Budget ein. Es ist am Ende das Integral aller Emissionen, das zählt. Einmal emittiert, bleibt [[CO2]] lange Zeit in der Ökosphäre. Es geht also auch um den Pfad, den wir wählen um das Ziel zu erreichen.
Mancher Beamte in der Ministerialbürokratie oder auch mancher ganz normale Abgeordnete, hat die Dringlichkeit und die Dimension des Problems noch nicht gesehen oder möchte sie nicht sehen. Gleichzeitig gibt es einige Gruppen, die das Thema sehr genau verstehen – nämlich die Lobbyisten. Und genau deswegen versuchen manche Interessenverbände, die Problematik zu vernebeln. Man darf einfach nicht vergessen, wie stark die Wirtschaftsverbände sind, wie stark die Wirtschaftsflügel in der Union und auch die Gewerkschaften in der SPD sind. Hier dominieren leider manchmal – nicht immer! – kurzfristige Klientel-Interessen das langfristige Allgemeinwohl. Die Lobbyisten sind enorm einflussreich. Das ist doch klar – wenn ich von der jetzigen Wirtschaftsweise profitiere, dann möchte ich natürlich, dass alles so bleibt, wie es ist. Dass diese Gruppen nach Paris und dem, was das Paris-Abkommen bedeutet, jetzt alle Hebel in Bewegung setzen, war zu erwarten.
Aber es muss ja auch Politiker geben, die auf diese Lobbyisten hören. Wer sind denn da die wichtigsten Drahtzieher?
Wenn ein Politiker zum Beispiel in einem Landkreis gewählt wird, wo Braunkohle abgebaut wird, dann wird er nicht gegen seine Wählerschaft auftreten. Das habe ich schon oft aus der Politik gehört: Wenn ich Arbeitsplätze in dieser Region erhalten kann, dann ist mir das wichtiger, als der mögliche Schaden für das Klima. Die parlamentarische Demokratie, die Wahlkreisrepräsentanten nominiert und ins Parlament schickt, hat es quasi als innere Logik eingebaut, dass kurzfristige und naheliegende Interessen den längerfristigen und globalen Interessen überlegen sind. Dass dabei das Schicksal des Planeten auf dem Spiel steht und unsere Zivilisation, ist fast nebensächlich, weil man einfach eingerastet ist in dieses Spiel.
Folgt: Ist die Flüchtlingskrise angesichts des Klimawandels zu lösen?