850 Zeptosekunden
Mit ihrer nun verbesserten Messmethode können die Laserphysiker das Geschehen bis auf 850 Zeptosekunden genau messen. Die Forscher schickten zur Anregung der Elektronen einen attosekundenlangen extrem ultravioletten Lichtblitz (XUV) auf ein Heliumatom. Gleichzeitig ließen sie einen zweiten infraroten Laserpuls auftreffen, der rund vier Femtosekunden dauerte (10-15 Sekunden). Sobald das Elektron durch die Anregung des XUV–Lichtblitzes das Atom verlassen hatte, wurde es vom infraroten Laserpuls erfasst. Je nachdem wie gerade das elektromagnetische Feld dieses Pulses zum Zeitpunkt der Erfassung beschaffen war, wurde das Elektron beschleunigt oder abgebremst. Über diese Geschwindigkeitsveränderung konnten die Physiker mit Zeptosekunden-Genauigkeit die Photoemission erfassen. Zudem konnten Ossiander und seine Kollegen erstmals bestimmen, wie die Energie des einfallenden Photons sich auf die beiden Elektronen des Heliumatoms in wenigen Attosekunden vor der Emission eines Teilchens quantenmechanisch verteilt hatte.
„Wenn das eine Elektron aus dem Atom gerissen wird, kann es passieren, dass ein Teil der Laserenergie auf das zweite Elektron übertragen wird. Es bleibt zwar im Atom gebunden, wird aber in einen höheren Energiezustand versetzt“, erläutert Teammitglied Stefan Nagele vom Institut für Theoretische Physik der TU Wien. Denn die beiden Elektronen sind korreliert, also quantenphysikalisch eng miteinander verbunden, daher kann man sie nicht isoliert voneinander betrachten. Je nachdem, ob das verbleibende Elektron zusätzliche Energie erhält oder im Zustand minimaler Energie verbleibt, dauert der Ionisationsprozess unterschiedlich lange: „Wenn das verbleibende Elektron einen Teil der Energie abbekommt, dann läuft der Photo-Ionisationsprozess schneller ab – um etwa fünf Attosekunden“, so Nagele.
„Das Verständnis dieser Vorgänge im Heliumatom bietet uns für künftige Experimente eine enorm verlässliche Basis“, erklärte Martin Schultze, Attosekundenphysik und Leiter der Experimente am MPQ. Die Physiker konnten nämlich die Präzision ihrer Experimente eng mit den theoretischen Vorhersagen ihrer Wiener Kollegen verbinden. Mit seinen zwei Elektronen ist Helium das einzige atomare System, das sich vollständig quantenmechanisch berechnen lässt. Damit bietet es sich geradezu an, Theorie und Experiment unter einen Hut zu bringen. „Wir können jetzt in dem verschränkten System aus Elektron und ionisiertem Helium-Mutteratom die komplette wellenmechanische Beschreibung des Systems aus unseren Messungen ableiten“, sagte Schultze.
Mit ihren Metrologie-Experimenten in Zeptosekunden-Zeitdimensionen haben die Laserphysiker damit ein weiteres wichtiges Puzzlestück in der Quantenmechanik des Heliumatoms an die richtige Stelle manövriert und die Messgenauigkeit im Mikrokosmos zum ersten Mal in ganz neue Dimensionen vorangetrieben. Ihre Ergebnisse veröffentlichte das Team im Fachjournal Nature Physics. (Text: Thorsten Naeser/)
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