Erstes Hybrid-Kraftwerk auf Berliner Dach
Der beim Forum Neue Energiewelt beschworene Hybrid aus Sonne und Wind (s.u.) existiert bereits – nur kleiner: Ein vom Schweizer Start-up-Unternehmen Anerdgy entwickelts System namens WindRail auf dem Dach eines zwölfstöckigen Wohnhauses in Spandau ist am 10.11.2016 ans (hauseigene) Netz gegangen. Sie rentiert sich zwar noch nicht, soll aber immerhin jährlich rund 95.000 kWh Strom erzeugen, 45.000 Kilo CO2 sparen, und so den gesamten Wohnblock mit Strom für Beleuchtung, Aufzüge, Lüftung und Klingelanlagen versorgen.
WindRail ähnelt auf den ersten Blick dem Aufsatz eines Lüftungsschachts. Technisch machen sich die Schweizer Tüftler dabei das Prinzip einer sogenannten Venturi-Düse zunutze: Die Strömungsgeschwindigkeit von Flüssigkeiten oder Gasen erhöht sich, wenn sie eine Engstelle passieren. Bei WindRail strömt die Luft durch einen zweieinhalb Meter langen Kanal, der immer enger wird. Dadurch wird sie gebündelt. Das System hat eine Nennleistung von 2,5 Kilowatt – und erzeugt im Vergleich zu einer herkömmlichen Kleinwindanlage mit frei stehender Turbine gleichen Durchmessers die dreifache Menge an Strom.
Laut einer Studie der Universität St. Gallen ist etwa jedes hundertste Haus für ein WindRail-Systems geeignet. Das höchste Potenzial besteht in dicht besiedelten Gebieten mit starken Lokalwinden. Die Häuser müssen mindestens sieben Meter hoch sein
Störende Geräuschentwicklung, Probleme mit Vibrationen oder etwa Schattenwurf, die herkömmliche Windanlagen mit sich bringen und häufig dafür sorgen, dass sich Bürgerinitiativen gegen Windparks in Stellung bringen, gibt es beim WindRail-System nicht. Allerdings muss das jeweilige Gebäude über ein Flachdach verfügen, damit das Modul dort installiert werden kann – und die Tragfähigkeit des Daches muss ausreichen, um das 250 Kilogramm schwere Modul zuzüglich eventueller Schneelast im Winter auszuhalten. Vor allem bei älteren Dächern reicht die Tragfähigkeit oftmals nicht aus.
Deutschlands erstes Wind-Solar-Kraftwerk wird von den Berliner Stadtwerken für die Wohnungsbaugesellschaft Gewobag betrieben. „Mit der neuen Anlage leisten wir nicht nur einen Beitrag zum Klimaschutz, wir stabilisieren zugleich auch die Betriebskosten für die Mieter, denn der Strom wird im Haus selbst auch für Licht, Fahrstühle und Lüftung genutzt“, erklärt Jens Goldmund (Foto ganz li.), Geschäftsführer der Gewobag ED Energie- und Dienstleistungsgesellschaft. „Der ökologisch erzeugte Quartier-Strom kann von den Mieterinnen und Mietern direkt von den Stadtwerken bezogen werden.“
„Die Windrails sind ein innovativer Weg, die Energiepotenziale in Städten besser zu nutzen“, sagt Andreas Irmer (Foto ganz re.), Geschäftsführer der Berliner Stadtwerke. „Während klassische Windräder in Großstädten allenfalls an der Peripherie begrenzte Plätze finden, ist das Potenzial für diese Kombi-Technik immens. Mit dieser Kooperation setzen wir einen weiteren Baustein für die Smart City Berlin.“
Windkanal mit Solarzellen verkleidet
Die Anlagen werden auf Dächern installiert und bestehen pro Modul aus vier Solarpaneelen und einem Windkanal mit jeweils zwei Windturbinen. Dieser Windkanal verstärkt den natürlichen Wind, der die Dachkante überströmt und nutzt die Druckunterschiede am Gebäude: Die Luft strömt durch einen zweieinhalb Meter langen sogenannten Venturi-Kanal. Durch den Druckunterschied vor und hinter dem Kanal wird die natürliche Windgeschwindigkeit erhöht. Dadurch steht mehr Windleistung bei gleicher Fläche zur Verfügung. Die Windströmungen kühlen zugleich die Solarpaneele und erhöhen so deren Wirkungsgrad.
„Durch den Druckunterschied zwischen den Bereichen vor und hinter dem Kanal erhöht sich die Windgeschwindigkeit um den Faktor zwei“, erklärt Anerdgy Sven Köhler (Foto 2. v. li.). „Fotovoltaik ist gut, aber simultan Windenergie zu ernten nützt noch mehr, vor allem, wenn die Sonne nicht scheint. Windrail als ’smarte Dachkante‘ ist die Vision, bei der Energieerzeugung, Design und Funktion für Dachkanten optimal miteinander kombiniert werden. Dadurch entsteht eine leise und kostengünstige Art um Sonnen- und Windenergie gerade in bebauten Gebieten effektiv zu nutzen. Die online steuerbaren Kleinkraftwerke eignen sich hervorragend für Sanierungen und Neubauten hoher Gebäude mit Flachdach“, so Anerdgy-Gründer Köhler.
Das WindRail-System produziert je nach Standort inklusive der PV-Module 1.500 bis 3.000 kWh im Jahr – etwa dreißig bis sechzig Prozent des jährlichen Stromverbrauchs eines durchschnittlichen Vier-Personen-Haushalts (laut Stromspiegel 2016 5.000 kWh/a). Ein Modul kostet (noch) 5000 Euro – die sollen mit der Serienproduktion weniger werden.
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