Energieversorger: Moderner Dienstleister statt „Stoff“-Verkäufer
Auch Energieversorgungsunternehmen erschließt dieses Modell neue Ertragsquellen und trägt gleichzeitig zur Netzstabilisierung bei. Leukefelds Konzept dient in zweierlei Hinsicht dem Nutzen der Allgemeinheit: Die Häuser speisen den erzeugten Strom nicht einfach ins öffentliche Stromnetz ein und verlagern damit die Bewältigung von unregelmäßig auftreten-den Mengen den Netzbetreibern, wie dies häufig bei Häusern mit Photovoltaik-Anlagen der Fall ist. Sie sind im Gegenteil netzdienlich, indem sie die Energiespeicher der Gebäude den Versorgungsunternehmen zur Lagerung von Energieüberschüssen zur Verfügung stellen.
Energieüberschüsse treten immer dann auf, wenn fluktuierende alternative Stromerzeuger, wie zum Beispiel Windkraft- oder PV-Anlagen, zu viel Strom erzeugen. In diesen Fällen bleiben Versorgungsunternehmen häufig nur zwei Möglichkeiten:
- Zum einen die Anlagen abzuschalten, mit der Folge dennoch die Einspeisevergütung zu zahlen, obwohl sie ihren Kunden keinen Strom anbieten können.
- Zum anderen für die Abgabe des Überschussstroms in ein ausländisches Netz zu zahlen (negativer Börsenpreis). Für die Versorger bedeutet es in jedem Fall „doppelte“ Kosten, ohne jeden Nutzen.
Sobald an der Strombörse Angebot und Nachfrage keinen kostendeckenden Absatz von Strom zulassen, öffnen einfache Steuereinheiten die „Tore“ zu den Speichern der energieautarken Gebäude. So können die Energieversorger ihre Stromüberschüsse einlagern. „Die Vorteile, Überschüsse dezentral in die Speicher dieser Gebäude einzulagern, liegen auf der Hand: Es gibt Versorgungsunternehmen die Möglichkeit, ihre Windkraftanlagen konstanter zu betreiben und damit den Anteil an erneuerbaren Energien zu erhöhen“, so Leukefeld. „Darüber hinaus können sie die Energie so zu einem definierten Bezugspreis verkaufen, der günstiger für die Abnehmer ist, als beispielsweise die konventionelle Wärme, an die das Haus angeschlossen ist.“
Dieses Geschäftsmodell macht den Energieversorger zum „Contractor“. Als Dienstleister für Planung, Installation und Betrieb eines „Rundum-Sorglos-Pakets“ liefert er die gesamte Energietechnik für das energieautarke Mehrfamilienhaus und stellt die Elektromobilität zur Verfügung. Mit dem Vermieter vereinbart er eine Energiepauschale. Darin ist der kalkulatorische Anteil der Energie festgeschrieben, die zugekauft werden muss: Zum Beispiel deckt das Haus 70 Prozent seines Bedarfs an Wärme und Strom selbst – aus der Sonne. Die fehlenden 30 Prozent bezieht es aus dem Strom- oder Gasnetz des Energieversorgers. Durch günstige Eigenproduktion und geschickte Nutzung der dezentralen Speicher kann der Energieversorger den kostenträchtigen Anteil minimieren und den eigenen Gewinn erhöhen. Dieses Modell ist eindeutig „smarter“ als der sogenannte „smart grid“, da auf diese Weise größere Mengen Strom rangiert (shunted) werden.
Aufgrund ihrer Infrastruktur ist es Energieversorgern darüber hinaus möglich, die von dem Mehrfamilienhaus produzierten Überschüsse an Sonnenwärme und -strom, beispielsweise im Sommer, an die Nachbarhäuser gewinnbringend zu verkaufen. Die ersten regionalen Energieversorgungsunternehmen planen bereits in eigene vernetzte energieautarke Mehrfamilienhäuser zu investieren, um Spielräume zu erproben und die Vermarktung zu optimieren. Finanzinstitute setzen auf ökologische Geldanlage und steuerfreie Altersvorsorge Für Banken stellen diese Gebäude eine attraktive und sichere Rendite dar. Ein Beispiel ist die VR Bank Altenburger Land eG, die als erstes Finanzinstitut Deutschlands in der Stadt Schmölln ein energieautarkes Gebäude baut. Sie will es nicht verkaufen, sondern selbst nutzen und vermieten.
Das von Leukefeld konzipierte Geschäftsmodell ermöglicht es Banken über zehn Jahre hinweg, ihren Anlegern eine feste, attraktive Rendite zu versprechen. „Wir wollen mit diesen Bauprojekten zudem wichtige Erfahrungen sammeln, wie moderne energetische Konzepte in einem wirtschaftlichen Rahmen für Wohnimmobilien umgesetzt werden können,“ erläutert Raik Romisch, Vorstand der VR-Bank Altenburger Land eG. „Unsere Erkenntnisse sind für die Weiterentwicklung energieautarker Immobilien relevant: Die Vernetzung und der Energieaustausch zwischen Immobilien gestaltet Energieautarkie in Zukunft noch effizienter, versorgungssicherer und preiswerter.“
Das Modell macht bereits Schule: Ab Herbst plant ein weiteres Finanzinstitut in dieses Modell zu investieren. Für Eigentümer und Selbstnutzer stellt die Investition in ein energieautarkes Gebäude eine weitreichende Möglichkeit der Altersvorsoge dar und sichert ein komfortables Leben. Anders als bei Investitionen in zu versteuernde Einnahmen, ermöglicht dieses Modell, die Kosten für Energie auf einem niedrigen Niveau einzufrieren. Ein typisches Einfamilienhaus spart so etwa 3.500 bis 4.000 Euro pro Jahr. Steuerfreie Einsparungen wirken sich zwei- bis dreifach rentab-ler auf die Kaufkraft aus, als die zu versteuernden Einnahmen, die im Rahmen der Einspeisevergütung oder aus einer Kapitalversicherung erzielt werden.
Investitionen in energieautarke Gebäude bieten Hauseigentümern, Wohnungswirtschaft, Energieversorgern und Finanzinstituten, die Möglichkeit, sich jenseits staatlicher Subventionen aktiv in die allgemeine Versorgungslage einzubringen. Sie reduzieren schon heute die Kosten für den zukünftigen Energiebezug und sichern den Wohnkomfort für morgen.
Intelligente Eigenversorgung mit Wärme, Strom und E-Mobilität aus der Sonne
Die von Leukefeld konzipierten energieautarken Mehrfamilienhäuser versorgen sich weitestgehend selbst mit Wärme, Strom aus der Sonne und stellen darüber hinaus auch Energie für die Elektromobilität bereit – die Tankstelle liegt im Carport vor dem Haus. Die Energieversorgung des Hauses ist weitestgehend unabhängig von externen Gas- oder Stromversorgern und von Heizöl. In den Wintermonaten gleicht eine Holzvergaserheizung die fehlende Sonnenenergie aus. Um Energieüberschüsse der Versorgungsunternehmen einzulagern und aus Sicherheitsgründen sind die Häuser mit einem Stromanschluss ausgestattet.
Modell stand das energieautarke Einfamilienhaus, das eine Projektgruppe der Helma Eigenheimbau AG unter Leitung von Leukefeld, Professor für Solarthermie an der TU Bergakademie Freiberg, entwickelte. Mit 161 Quadratmetern Wohnfläche kostet dieses schlüsselfertige Einfamilienhaus 450.000 Euro. In dem vernetzten energieautarken Konzept sind die positiven Erfahrungen bekannter Baustandards wie Sonnenhaus, Plusenergie- oder Effizienzhaus Plus (siehe Foto) sowie Passivhaus erstmalig zusammengeführt worden.
In Freiberg, Sachsen, setzt Leukefeld gemeinsam mit dem regionalen Energieversorger enviaM die Idee der vernetzten Autarkie in die Tat um. Hauptakteure sind die beiden energieautarken Häuser, die Leukefeld seit 2013 selbst nutzt und gemeinsam mit der TU Bergakademie Freiberg vermisst und auswertet. Pro Haus erheben seither 190 Sensoren sämtliche energetisch relevanten Daten und bestätigen die ursprüngliche rechnerische Simulationen.
->Quelle: www.timo-leukefeld.de