Riesiges CO2-Einsparpotenzial ungenutzt

Neue Studie: Würde bestehender Kraftwerkspark anders eingesetzt, könnten Emissionen deutlich sinken

„Würden die Kraftwerke nach ihrer Treibhauswirkung sortiert Strom erzeugen, könnte sich der [[CO2]]-Ausstoß in Deutschland schon heute um rund 79 Mio. t/a verringern. Dies hätte zwar etwas höhere Kosten für die Brennstoffe zur Folge, die aber deutlich unter den durchschnittlichen Klimakosten liegen.

‚Während sich die Bundesregierung nur mit Ach und Krach auf den Klimaschutzplan einigen konnte, lässt sie ein riesiges Einsparpotenzial ungenutzt: den bereits vorhandenen Kraftwerkspark‘, sagt Sönke Tangermann, Vorstand von Greenpeace Energy. CO2-Einsparpotential im bestehenden Kraftwerkspark - Grafik © Öko-Institu e.V. / Greenpeace Energy eG

Um die Stromnachfrage in Deutschland zu decken, kommen derzeit neben erneuerbaren Energien vor allem fossile Kraftwerke zum Einsatz. Welche Kraftwerke eingesetzt werden, bestimmen dabei die Brennstoffkosten. Erneuerbare sind am günstigsten, doch danach kommen bald schmutzige Kohlekraftwerke.

Würde sich die Einsatzreihenfolge der Kraftwerke nicht an den Kosten orientieren, sondern am jeweiligen [[CO2]]-Ausstoß, sähe die Situation anders aus. Dann ergänzten vor allem Gaskraftwerke die erneuerbaren Energien, Kohlekraftwerke liefen hingegen deutlich weniger. Der große Vorteil: Gaskraftwerke sind nicht nur flexibler als Kohlekraftwerke, sondern stoßen auch wesentlich weniger [[CO2]] aus.

‚Das Potenzial einer veränderten Einsatzreihenfolge darf nicht ungenutzt bleiben. In einem ersten Schritt sollten deshalb fossile Kraftwerke, die überwiegend für den Export produzieren, sofort vom Netz genommen werden‘, fordert Sönke Tangermann.

Insgesamt haben sich die Wissenschaftler des Öko-Instituts drei Zeiträume genauer angeschaut. Wären die bestehenden Kraftwerke 2015 nach ökologischen Kriterien eingesetzt worden, hätte dies rund 25 Prozent [[CO2]] eingespart (79 Mio. Tonnen). 2030, bei einem Erneuerbaren-Anteil von 60 Prozent, wären es 43 Mio. Tonnen [[CO2]], und 2050, bei einem Erneuerbaren-Anteil von 80 Prozent, immer noch 13 Mio. Tonnen.

‚Der [[CO2]]-Reduktionseffekt ist umso größer, je höher der Anteil [[CO2]]-intensiver Brennstoffe im Kraftwerkspark ist. Je mehr Erneuerbare-Energien-Anlagen es gibt, desto weniger fossile Kraftwerke kommen zum Einsatz. Deshalb sinken die Einsparmöglichkeiten im Lauf der Jahre‘, erklärt Studienleiter Christoph Heinemann vom Öko-Institut.

Mehrkosten entstehen bei diesem Vorschlag durch den gesteigerten Einsatz von Brennstoffen wie Erdgas, die zwar [[CO2]]-ärmer, aber auch teurer sind als Braun- und Steinkohle. Im Vergleichsjahr 2015 kämen Mehrkosten in Höhe von 1,1 Mrd. Euro zusammen. Bei einer Einsparung von 79 Mio. Tonnen [[CO2]] betragen die Kosten der [[CO2]]-Vermeidung jedoch lediglich rund 14 Euro pro Tonne [[CO2]]. Damit liegen sie deutlich unter den Annahmen des Umweltbundesamtes, das von Klimakosten zwischen 40 und 120 Euro pro eingesparter Tonne [[CO2]] ausgeht. ‚Wir hätten einen gewaltigen Effekt für unser Klima, und das zu absolut vertretbaren Kosten‘, sagt Sönke Tangermann.

Hinzu kommt, dass gleichzeitig die externen Kosten der konventionellen Energien, also finanzielle Belastungen durch den Klimawandel sowie durch Umwelt- oder Gesundheitsschäden, durch den verringerten Einsatz der Kohlekraftwerke deutlich zurückgehen würden. Durch die veränderte Einsatzreihenfolge und die damit einhergehende [[CO2]]-Einsparung könnten diese Kosten für das Jahr 2015 um insgesamt 4 Mrd. Euro reduziert werden. ‚An einem schnellen Kohleausstieg führt deshalb kein Weg vorbei‘, so Tangermann.

Inwieweit sich durch einen veränderten Einsatz der Kraftwerke neben den höheren Brennstoffkosten weitere Zusatzkosten ergeben würden, hängt davon ab, in welche Richtung sich der Stromhandel weiterentwickelt. ‚Um den bestehenden Kraftwerkspark in einer ökologischen Reihenfolge einzusetzen, bieten sich verschiedene Möglichkeiten. Denkbar wären Einspeisevorränge, Anpassungen im Marktdesign oder Maßnahmen, die externe Klimaeffekte gezielt stärker bepreisen als bisher‘, sagt Christoph Heinemann.

Redaktioneller Hinweis: Die Studie untersucht außerdem, welche Flexibilitätsoptionen im Energiemarkt in Zukunft eine Rolle spielen könnten und wie diese aus ökologischer Sicht zu bewerten sind. Mit dem stetigen Ausbau der Erneuerbaren steigt nämlich der Bedarf an Flexibilität, also der Fähigkeit, Erzeugung und Verbrauch, die zeitlich auseinanderfallen, in Einklang zu bringen. Diese Rolle übernehmen derzeit noch vor allem konventionelle Kraftwerke. In Zukunft sollte auch Flexibilität weitestgehend ökologisch bereitgestellt werden.“

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