Ein Stoffwechselweg mit 17 Enzymen aus neun Organismen
Daher hat Tobias Erb zunächst theoretisch einen neuen, auf den Namen CETCH getauften Zyklus (für Crotonyl-CoA/Ethylmalonyl-CoA/Hydroxybutyryl-CoA) mit möglichen passenden Enzymen und sämtlichen biochemischen Reaktionen entworfen. Aus Datenbanken mit 40.000 bekannten Enzymen hat er dann ein paar Dutzend Kandidaten gefischt, die die geplanten Aufgaben erfüllen könnten.
Anschließend hat Erbs Team in nur zwei Jahren sämtliche Enzyme in einem Reagenzglas zu einem „robust funktionierenden, optimierten Zyklus“ zusammengefügt. Dabei haben die Forscher immer wieder neue Biokatalysatoren getestet, oft gentechnisch verändert und neue Kombinationen von Enzymen ausprobiert, um das System zu finden, indem die Komponenten optimal zusammen arbeiten.
Am Ende stand ein künstlicher CO2-fixierender Zyklus – etwas, das in dieser Art nach Erbs Wissen „noch niemand geschafft haben dürfte.“ Beteiligt sind 17 verschiedene Enzyme, darunter drei „Designer-Enzyme“, aus neun verschiedenen Organismen bis hin zum Menschen. Unterm Strich bindet der CETCH-Zyklus, mit dem die Marburger Forscher die Dunkelreaktion der Fotosynthese nachahmen, CO2 mit 20 Prozent höherer Effizienz als der Calvin-Zyklus der Pflanzen.
Der CETCH-Zyklus kann verschiedene Substanzen produzieren
Der synthetische Stoffwechselweg des Marburger Max-Planck-Teams ist somit eine Pionierarbeit auf dem Gebiet der Synthetischen Biologie. In deren Zuge wollen Wissenschaftler unter anderem nach biologischen Prinzipien neue, für den Menschen nützlichen Systeme und Organismen bauen.
In Erbs Modell-Zyklus zieht seine Energie derzeit aus einer chemischen Reaktion und nicht aus Licht wie bei der Fotosynthese der Pflanzen, und am Ende kommt dabei die sogennante Glyoxalsäure heraus. „Der CETCH-Zyklus“, sagt der Marburger, „kann aber so verändert werden, dass dabei zum Beispiel Rohstoffe für Biodiesel entstehen.“ Oder ein Antibiotikum oder viele andere Substanzen.
Anwendung in Bakterien, Algen oder kombiniert mit Solarzellen
Für die praktische Anwendung könnten die nötigen Gene für den Zyklus in ein Bakterium oder eine Alge verfrachtet werden. Diese veränderten Mikroorganismen würden dann das jeweils gewünschte Produkt herstellen – und könnten dazu einfach das CO2 aus der Atmosphäre verwenden. Sie würden also das atmosphärische Treibhausgas nutzbringend umwandeln. Der CETCH-Zyklus könnte sich aber auch an Solarzellen koppeln lassen und die Elektronen, die diese liefern, zur Umwandlung von CO2 in nützliche chemische Verbindungen verwenden.
Technisch erscheinen derlei Visionen nicht mehr unmöglich. Das Verständnis, wie man biologische Prozesse von Grund auf neu konstruieren kann, wird momentan innerhalb des MaxSynBio-Netzwerkes der Max-Planck-Gesellschaft intensiv erforscht. Tobias Erb möchte seinen Teil dazu beitragen, die grundlegenden Konstruktionsprinzipien des Metabolismus zu verstehen. „Unsere Wissenschaft zielt darauf ab, die Umwandlung von unbelebtem CO2 in organische Materie neu zu erfinden. Unser Traum ist es, mithilfe von maßgeschneiderten Enzymen einen synthetischen Metabolismus 2.0 zu erschaffen, der jede beliebige Verbindung aus CO2 herstellen kann.“