Brüsseler Winterpaket vorgelegt
Die Europäische Kommission hat am 30.11.2016 unter der Überschrift „Saubere Energie für alle Europäer – Wachstumspotenzial Europas erschließen“ ein Paket von Gesetzgebungsvorschlägen zum europäischen Energiemarktdesign sowie zu Energie- und Klimazielen vorgelegt. Damit soll die Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union trotz der Veränderungen erhalten werden, die sich durch den Übergang zu umweltfreundlicher Energie für die globalen Energiemärkte ergeben werden. Dabei strebt die Kommission laut eigener Medienmitteilung an, „dass die EU beim Übergang zu einem umweltfreundlichen Energiesystem eine Vorreiterrolle übernimmt und sich nicht nur einfach anpasst“.
Aus diesem Grund hat sich die EU verpflichtet, die CO2-Emissionen bis 2030 um mindestens 40 % zu reduzieren und gleichzeitig die EU-Wirtschaft zu modernisieren und Beschäftigung und Wachstum für alle europäischen Bürgerinnen und Bürger zu fördern. In der gesamten EU hätten die Verbraucher künftig eine größere Auswahl an Anbietern, Zugang zu verlässlichen Preisvergleichsinstrumenten sowie die Möglichkeit, ihren eigenen Strom zu erzeugen und zu verkaufen. Mehr Transparenz und eine bessere Rechtsetzung ermöglichten es der Zivilgesellschaft, besser in das Energiesystem einbezogen zu werden und auf Preissignale zu reagieren. Das Paket enthalte zudem eine Reihe von Maßnahmen zum Schutz der am stärksten gefährdeten Verbraucher.
Eine „Monsterdatei“ europäischer Gesetzgebung sieht Ed King voraus. Der Chefredakteur des Klima-Informationsportals „Climate Home“ sprach von mehr als 1000 Seiten. Antje Mensen vom Deutschen Naturschutzring (DNR) nannte das ganze einen „legislativen Tsunami“. Der für Energie zuständige Vizepräsident der Europäischen Kommission, Maros Sefcovic, taufte das Paket, das mehrere Richtlinien, Arbeitspläne und Legislativvorschläge enthält, lieber „Saubere Energie für alle Europäer“. (Dagmar Dehmer im Tagesspiegel)
Übergang zu sauberer Energie stellt Wachstumssektor der Zukunft dar
Die Vorschläge der Kommission zeigen auf, dass der Übergang zu sauberer Energie den Wachstumssektor der Zukunft darstellt – den Sektor des „Smart Money“. Die sauberen Energien zogen im Jahr 2015 globale Investitionen von über 300 Mrd. EUR an. Die EU ist gut positioniert, um die europäischen Politiken in den Bereichen Forschung, Entwicklung und Innovation so einzusetzen, dass dieser Übergang in eine konkrete wirtschaftliche Chance umgewandelt wird. Durch die Mobilisierung von bis zu 177 Mrd. EUR an öffentlichen und privaten Investitionen pro Jahr ab 2012 können durch das Paket ein BIP-Anstieg bis zu 1 % über das nächste Jahrzehnt erreicht und mehr als 900 000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden.
Die Gesetzesvorschläge zum Thema „Saubere Energie für alle Europäer“ umfassen die Bereiche Energieeffizienz, erneuerbare Energien, Gestaltung des Strommarktes, Sicherheit der Stromversorgung und Steuerung der Energieunion. Darüber hinaus schlägt die Kommission neue Möglichkeiten für das Ökodesign sowie eine Strategie für vernetzte und automatisierte Mobilität vor. Das Paket umfasst auch Maßnahmen zur Beschleunigung von Innovationen im Bereich der sauberen Energie sowie zur Gebäuderenovierung. Es sieht Maßnahmen zur Förderung öffentlicher und privater Investitionen, zur Förderung der Wettbewerbsfähigkeit der Industrie in der EU und zur Abmilderung der gesellschaftlichen Auswirkungen des Übergangs zu sauberer Energie vor. Ferner wird erforscht, wie die EU ihre Führungsrolle bei umweltschonenden Energietechnologien und -dienstleistungen weiter ausbauen kann, um Drittländern zu helfen, ihre politischen Ziele zu erreichen.
Arias Cañete: „Energieunion spart Bürgern viel Geld“
EU-Kommissar Miguel Arias Cañete erklärt in einem Interview mit dem Handelsblatt seine Sicht der Europäischen Energieunion, vor allem, wie Haushalte und Unternehmen angeblich davon profitierten. Die rund 1.000 Seiten Gesetzestexte sollen nationale Energiemärkte europäisieren. Das umfangreiche Paket wolle ein Dreifaches: die Energieeffizienz stärken, Europa weltweit bei Erneuerbaren Energien wieder an die Spitze bringen und die Rechte der Verbraucher stärken.
Die EU-Kommission dringt allerdings auch darauf, Strom aus regenerativen Energien künftig nicht mehr generell bevorzugt in die Netze einzuspeisen. Ökostromanlagen sollten nur noch Vorrang haben, wenn die Netze überlastet seien, so Arias Cañete. „Wenn es aber um die Einspeisung von Strom unter normalen Marktbedingungen geht, wird nur noch Strom aus bereits vorhandenen Anlagen und aus kleinen Projekten, etwa Solarpaneelen auf Privathäusern, bevorzugt behandelt.“ Die geänderte Einspeisevorgabe habe aber „nichts mit Begrenzen des Ausbaus der Erneuerbaren zu tun, es geht vielmehr um Marktintegration“, sagte der Spanier.
Unter bestimmten Bedingungen Kapazitätsreserven aus Kohle- und Gas
Um Investoren mehr Sicherheit bei der Planung neuer Anlagen zu geben, sollen die nationalen Regierungen zudem gemeinsame Regeln befolgen und rückwirkende Änderungen an Förderkonditionen künftig vermeiden (das erschien vor allem auf Arias Cañetes Heimat Spanien gemünzt). „Alles das führt letztlich zu einem kosteneffizienteren Ausbau der Erneuerbaren“. Der Energiekommissar will daneben unter bestimmten Bedingungen Kapazitätsreserven aus Kohle- und Gaskraftwerken erlauben: „Die Regierungen sollen nationale Stromerzeugungsreserven nicht stärker fördern können als grenzüberschreitende und damit den Markt verzerren“.
Um der Kritik von Klimaschützern Rechnung zu tragen, soll zudem für die Reserve-Kraftwerke eine Obergrenze von 550 Gramm CO2-Ausstoß pro Kilowattstunde festgelegt werden. Das ist erstens nicht neu und sind zweitens ganze 25 Gramm weniger als der durchschnittliche Ausstoß des deutschen Kraftwerksparks – der lag 2012 bei 576 g/kWh. Die spezifischen Emissionen von Stein- und Braunkohlekraftwerken liegen allerdings mit 900 bzw. 1160 g/kWh im Mittel weit über dem durchschnittlichen Emissionsfaktor des Strommixes (siehe iass-potsdam.de/working_paper_emissionsgrenzwerte.pdf – S.8).
Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) begrüßt den Ansatz des Pakets. VKU-Hauptgeschäftsführerin Katherina Reiche: „Es ist konsequent und richtig, die vorhandene EU-Gesetzgebung ganzheitlich auf Stimmigkeit zu prüfen. Das EU-Parlament und der Ministerrat sollten diesem Kurs in den kommenden Verhandlungen weiter folgen.“
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