DUH wirft Regierung Kniefall vor Konzern-Interessen vor – Jahresrückblick: „Lobbyarbeit von Minister Dobrindt“
Anhand von drei Beispielen beantwortete die Deutsche Umwelthilfe (DUH) am 13.12.2016 in Berlin die Frage „Wer regiert dieses Land?“ Die immergleiche Antwort: Die Unternehmen. In ihrem Jahresrückblick hielten die Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner und Jürgen Resch der Bundesregierung Totalversagen beim Klimaschutz, Nichtvollzug von Gesetzen, Kumpanei mit der Wirtschaft, Aushöhlung des Verbraucherschutzes und insgesamt zu wenig ökologisches Engagement in allen relevanten umweltpolitischen Bereichen vor.
„Vier verlorene Jahre“ überschrieb Resch die zu Ende gehende Legislaturperiode der schwarz-roten Koalition und als „eine Zeit der umwelt- und klimapolitischen Stagnation“. Im Rahmen ihrer Jahresrückschau in Berlin präsentierte die Umwelt- und Verbraucherschutzorganisation ihren aktuellen Jahresbericht und stellte die wichtigen Themen für 2017 vor.
Die zentrale Frage „Wer regiert das Land?“ beantwortete DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch anhand von drei Beispielen aus der Automobilindustrie, der Getränkewirtschaft und der chemischen Industrie. Über ein Jahr, nachdem die Abgasmanipulationen bei Diesel-Pkw bekannt geworden seien, verweigere die Bundesregierung Millionen betroffene Bürger immer noch jegliche Hilfe bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche und Nachbesserung der Abgasreinigung bei Betrugs-Diesel-Fahrzeugen.
Alle schummeln
Die DUH führe inzwischen ganze zehn juristisch Verfahren gegen Alexander Dobrindt, den – so wörtlich – „Vertreter der Automobilindustrie im Bundeskabinett“. Darin sowie durch eigene Abgasmessungen im 2016 neu gegründeten „Emissions-Kontroll-Institut“ enthüllte die DUH bei „nahezu allen Autobauern illegale Abschalteinrichtung bei Außentemperaturen unterhalb von plus zehn Grad Celsius“. (Auf Nachfrage sagte Resch, es gebe kein einziges Automobilunternehmen, das nicht aufgefallen sei.)
10.610 Tote in einem Jahr durch NOx
Gerade im Winterhalbjahr litten hunderttausende Menschen an Asthma, Kreislaufbeschwerden und chronisch obstruktiver Lungenerkrankung als Folge der durchschnittlich 15-fach erhöhten, giftigen Stickoxid-Dieselabgase – „also 1500 Prozent über dem Grenzwert“. Es sei im Vergleich zu früheren Motor-Normen keine Verbesserung eingetreten – im Gegenteil: Der Euro-6-Motor stoße mehr Stockoxide (NOx) aus als der Euro-4. Die Europäische Umweltagentur habe vor kurzem neue Zahlen veröffentlicht: 10.610 Tote („premature deaths“) in einem Jahr durch NOx allein in Deutschland (S. 62). Folglich sprach Resch von „vielen tausenden Fällen vorsätzlicher Körperverletzung, denn die Auto-Unternehmen wissen, was sie tun, und wie schädlich es ist“.
Gegen den Widerstand von Bundes- und Landesregierungen sowie der mit ihnen verbundenen Autoindustrie müsse die DUH die seit 2010 geltenden Luftqualitätsnormen durchsetzen. In 16 Einzelklagen gegen sechs Bundesländer klagt die DUH derzeit für „Saubere Luft in unseren Städten“. Mit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom September 2016 und der erfolgreichen Sprungrevision zum Bundesverwaltungsgericht rechnet die DUH mit Fahrverboten für Diesel-Pkw ab Januar 2018.
DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch: „Diese Bundesregierung schützt ihre Bürger nicht vor giftigen Pkw-Abgasen und toleriert den Betrug einer ganzen Branche, der die Kunden, die Umwelt und unsere Gesundheit teuer zu stehen kommt. Sie ist längst zu einem Erfüllungsgehilfen der drei großen Automobilkonzerne Daimler, Volkswagen und BMW geworden, die Gesetzesinhalte diktieren und die Kontrolle und Ahndung von Gesetzesverstößen verhindern“.
Folgt: Dobrindt verbietet Gespräche