Gastbeitrag von Christfried Lenz
Wenn man den Blick auf die Treibhausgase insgesamt weitet, stellt man fest, dass Erdgas klimaschädlicher ist als Kohle. Robert W. Howard von der Cornell University im Bundesstaat New York macht hierauf seit Jahren aufmerksam: Bei Gewinnung, Transport und Verarbeitung gelangen 1,7 bis 8 Prozent des Erdgases unverbrannt in die Atmosphäre und damit das Methan mit seiner (in den ersten Jahrzehnten) 100fachen Klimawirkung von CO2 (siehe „A bridge to nowhere: methan emissions and the greenhouse gas footprint of natural gas“ im Fachmagazin Energy Science & Engineering, 15.05.2014 – in der Wirtschaftswoche auf Deutsch publiziert).
Besondere Havarien wie die des größten US-Gasspeichers in Kalifornien, wo vom 23.10.2015 bis zum 29.02.2016 täglich mehr als eine Million Kubikmeter ausströmten, sind nicht mit eingerechnet. Ebenfalls nicht die Undichtigkeiten alter verschlossener Gasbohrungen, wo man mit ca. 20 Tonnen Austritt pro Jahr rechnet – bei ca. 3 Millionen alten, verlassenen Bohrlöchern allein in den USA!
Hinzu kommt, dass ca. 3,5 Prozent der weltweiten Erdgasförderung aus Kostengründen abgefackelt werden. Das sind 143 Milliarden Kubikmeter, wodurch 350 Millionen Tonnen Kohlendioxid freigesetzt werden, was 10 Prozent der CO2-Emissionen aller EU-Staaten entspricht (Dagmar Röhrlich in der Welt: „Die Gefahr, die aus dem Boden strömt“). Von der seit 2007 wieder stark ansteigenden Methan-Konzentration in der Atmosphäre führt das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) denn auch mindestens 40 Prozent auf die Zunahme der Erdgas- und Erdölproduktion auf der Nord-Halbkugel zurück.
Dies alles, sowie die mit der Erdgasförderung verbundenen Umweltzerstörungen und erhöhten Krebsraten in der Umgebung von Förderanlagen werden in der Studie nicht berücksichtigt – was man von einem „Öko“-Institut und erst Recht von Greenpeace eigentlich erwarten möchte.
Falls es Greenpeace Energy darum gehen sollte, Gaskraftwerke für den späteren Betrieb mit regenerativem Gas zu erhalten, so sollte es dies offen anstreben und nicht durch taktische Manöver, die denen in den Rücken fallen, die als Betroffene vor Ort gegen Fracking und gegen Gasbohren überhaupt kämpfen.
Ich erinnere an die Kurzstudie von Fraunhofer IWES „Erdgassubstitution durch eine forcierte Energiewende“. An dieser sollte man sich in puncto Erdgas meines Erachtens orientieren. Super wäre, wenn Greenpeace den Betrieb eines bestehenden Gaskraftwerkes mit Windgas ohne einen vorherigen (unabsehbar langen) Betrieb mit Erdgas projektieren würde!
[note Der Autor Christfried Lenz ist unter anderem Musikwissenschaftler, Organist und Rundfunkautor. Er ist in der 68er Studentenbewegung politisiert worden. Ein Grundzug seines Bestrebens ist „Verbindung von Hand- und Kopfarbeit“: Theorie ja, aber immer mit Übersetzung in die Praxis! So versorgt er sich in seinem Haus in der Altmark (Sachsen-Anhalt) seit 2013 zu 100 Prozent mit dem Strom seiner PV-Inselanlage. Nach erfolgreicher Beendigung des Kampfes der BI „Kein CO2-Endlager Altmark“ engagiert er sich ganz für den Ausbau der EE in der Region, z.B. als Vorstandsmitglied der aus der BI hervorgegangenen BürgerEnergieAltmark eG, die in Salzwedel eine 750 Kilowatt-Freiflächenanlage betreibt. Christfried Lenz kommentiert das energiepolitische Geschehen in verschiedenen Medien und mobilisiert zu praktischen Aktionen für die Energiewende.]
Sein Leserkommentar (zuerst erschienen in pv magazine) bezieht sich