Bundesweite Lizenz für den Zugang zu wissenschaftlichen Publikationen soll teuer werden
Ab 01.01.2017 will der Verlag Elsevier rund 60 namhaften Wissenschaftseinrichtungen keine Zeitschriften-Volltexte mehr zur Verfügung stellen. Der größte Medizinverlag der Welt und ehemalige Waffenhändler*) hat der Allianz der deutschen Wissenschaftsorganisationen zwar jetzt ein erstes Angebot für eine bundesweite Lizenz für den Zugang zu wissenschaftlichen Publikationen vorgelegt. Das stößt aber auf Protest: Es widerspreche dem Open Access-Prinzip und fairen Preisen für wissenschaftliches Publizieren, so eine Presseerklärung und zahlreiche Medien-Veröffentlichungen.
Die Allianz lehnt das Elsevier-Angebot ab und fordert den Verlag auf, die Verhandlungen wieder aufzunehmen und ein besseres Angebot vorzulegen. Denn: „Es sind die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die mit ihrer meist unentgeltlichen Arbeit maßgeblich zur Reputation des Verlages beitragen. Dieser Tatsache sollte auch in den Geschäftsbeziehungen Rechnung getragen werden.“ Vorbereitet worden waren die Verhandlungen unter Hipplers Leitung mit dem Ziel eines Vertrages mit Laufzeit ab dem 01.01.2017 im Rahmen des Projekts „DEAL – bundesweite Lizenzierung von Angeboten großer Wissenschaftsverlage“, das die Allianz der deutschen Wissenschaftsorganisationen auf Anregung der HRK ins Leben gerufen hatte. Mit den Verlagen Springer, Nature und Wiley würden im Januar 2017 Sondierungsgespräche geführt; die Geschäftsmodelle sollten als Referenzen auch für weitere Verlage zur Anwendung kommen.
Konzentration der Wissenschaftsverlage hat Marktmacht gestärkt und Preise dramatisch steigen lassen
Die Gewährleistung einer adäquaten Versorgung mit aktueller Literatur für Forschung und Lehre sei seit Jahren ein Problem an den meisten Wissenschaftsstandorten in Deutschland, stellt die Allianz fest: „Die fortschreitende Konzentration der großen, international tätigen Wissenschaftsverlage hat die Marktmacht der Anbieter weiter gestärkt und die Preise dramatisch steigen lassen. Die Erwerbungsetats der wissenschaftlichen Bibliotheken halten seit langem nicht mehr Schritt, längst kann den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wie auch den Studierenden nicht mehr alles Notwendige bereitgestellt werden.“
Ziel des Projekts DEAL ist der Abschluss bundesweiter Lizenzverträge für das gesamte elektronische Zeitschriftenportfolio der großen Wissenschaftsverlage. Zugleich soll eine Open Access-Komponente implementiert werden, so dass z.B. die von den Wissenschaftseinrichtungen getragenen Kosten für Open-Access-Veröffentlichungen im Rahmen dieser Lizenzen berücksichtigt werden. Für den Abschluss solcher Lizenzverträge haben sich mehrere hundert Einrichtungen (z. B. Universitäten, Hochschulen für angewandte Wissenschaften, Forschungseinrichtungen, Staats- und Regionalbibliotheken) ausgesprochen.
Aufgrund der aggressiven Preispolitik und des aktiven Lobbyings des Verlages gegen Open Access haben seit 2012 im Rahmen der Initiative „Cost of Knowledge“ über 16.000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihre Zusammenarbeit mit Elsevier eingestellt. Mehrere wissenschaftliche Einrichtungen haben im Kontext von DEAL ihre Verträge mit Elsevier zum Ende dieses Jahres gekündigt u.a. die Staatsbibliothek zu Berlin.
Auch die Universitätsbibliothek Göttingen mit 440 Zeitschriften sieht sich durch Elsevier unter massivem finanziellen Druck. Auf ihrer Website berichtet die Uni über die Auseinandersetzung: „Der Zugang zu den Archivjahrgängen ist in der Regel gewährleistet. Im Fall einzelner Zeitschriftenpakete speziell aus den Wirtschaftswissenschaften kann jedoch auch der Zugang zu sämtlichen Volltexten entfallen.“
*) siehe unten
Folgt: „Druck nach Überzeugung aller Beteiligten vorerst einzige Möglichkeit“