„Druck nach Überzeugung aller Beteiligten vorerst einzige Möglichkeit“
Die Universität Göttingen hatte zusammen mit rund 60 namhaften Wissenschaftseinrichtungen schon Mitte Oktober 2016 zur Stärkung der Verhandlungsposition auf Initiative des Verhandlungsteams ihre Verträge mit Elsevier zum Ende dieses Jahres gekündigt – weitere wollten folgen. Elseviers Angebot verweigere sich Argumenten für eine faire Preisgestaltung und transparenten Geschäftsmodellen, die auf der Publikationsleistung basieren und Publikationen offener zugänglich machen würden und setze weiterhin auf hohe Preissteigerungen – und dies trotz der aktuellen 40-prozentigen Umsatzrendite Elseviers. Daher hättten die Verhandlungen bis auf Weiteres unterbrochen werden müssen, mit der . Konsequenz, dass Teile der Volltexte von Zeitschriften des Elsevier-Verlages ab Januar voraussichtlich nicht mehr zur Verfügung stehen würden.
„Allen Beteiligten ist bewusst, dass dies eine Einschränkung für Lehre und Forschung bedeutet. Freilich stellt der auf Basis des gemeinsamen Agierens vieler Forschungseinrichtungen aufgebaute Druck nach Überzeugung aller Beteiligten die vorerst einzige Möglichkeit dar, zu einem für die deutsche Wissenschaft erfolgreichen Ergebnis der Verhandlungen zu kommen.“
Elseviers Sicht auf die Verhandlungen: „Elsevier wurde von der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) darum gebeten, an vertraulichen Verhandlungen teilzunehmen, um erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland eine landesweite Vertragsvereinbarung für wissenschaftliche Literatur zu entwickeln. Wir sind diesem Ansinnen nachgekommen und haben Vorschläge für eine Abonnement-Lizenz und separat für Open-Access-Publikationen für deutsche Forscher gemacht.“
Elsevier sei auch gebeten worden, einen Vorschlag zu machen, der landesweit mehr Inhaltsvolumen sowie bedeutend mehr Institutionen umfasst, als es momentan über individuelle Verträge der Fall ist. Dies erhöht die Komplexität und das Gesamtvolumen des zu verhandelnden Vertrages. “Der Verlag macht mit diesem Statement deutlich, dass er Open Access und Subskription weiterhin separat betrachtet. Damit wird deutlich, dass Elsevier kein Interesse an einer Transformation hin zu Open Access hat. Wenig überzeugend ist die Argumentation, mit der Elsevier seine Preissteigerung zu erklären versucht: Dass ein nationaler Vertrag, bei dem der Verlag nur noch mit einer Partei in Deutschland verhandelt, tatsächlich die Komplexität auf Seites des Verlages erhöht, darf bezweifelt werden.
Als Kernaussage dieses Statements bleibt damit nur die wenig überraschende Botschaft, dass der Verlag trotz der zu erzielenden Einsparungen, die über einen zentralen Vertrag zu erreichen sind, auf Preissteigerungen setzt. Dass die wissenschaftlichen Einrichtungen in Deutschland diese Preispolitik nicht mehr länger mittragen, ist aus Sicht der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler ein gutes Zeichen. Äußerst lesenswert ist in diesem Zusammenhang der Blogpost „Time for Elsexit?“ des Mathematikers Timothy Gowers. Laut Elsevier wurde jetzt beschlossen „die Gespräche bis Anfang des neuen Jahres zu pausieren“.
Alle Forschende in Deutschland, die weiterhin in Elsevier-Journals publizieren, für Elsevier-Journals begutachten oder in den Editorial-Boards von Elsevier-Zeitschriften sitzen, sollten die Verhandlungspause nutzen, um über ihren Beitrag zur Gestaltung eines nachhaltigen und transparenten Publikationssystems nachzudenken, denn jede Einreichung, jedes Review und jede Mitarbeit im Editorial-Board eines Elsevier-Journals stärkt die Machtposition des Verlages.
Telepolis: „Marktmonopol und Machtmissbrauch“
„Mehr Kopfzerbrechen könnte dem Verlag womöglich ein Vorstoß von Martin Paul Eves, Professor an der University of London, Dr. Jon Tennant, Imperial College London, und Stuart Lawson, Doktorand an der University of London, bereiten“, so das Wissenschaftsportal Telepolis (Heise): „Die drei Wissenschaftler strengen bei der Competition and Markets Authority eine Untersuchung gegen Elsevier wegen Missbrauchs seiner Marktmacht an. Sie untermauern ihr Anliegen unter anderem mit wissenschaftlichen Belegen zur Konzentration am wissenschaftlichen Publikationsmarkt, wo sich einer Untersuchung von Vincent Larivière, Stefanie Haustein und Philippe Mongeon zufolge Elsevier, Springer und Wiley 2013 knapp 50 % des Publikationsvolumens teilten – bei steigender Tendenz.
Zudem sehen Eve, Tennant und Lawson Marktregeln verletzt, da keine Preistransparenz herrsche, denn Vertragsabmachungen zwischen Verlagen und Hochschulen umfassen üblicherweise strenge Verschwiegenheitsklauseln, die jeden Preiswettbewerb verhindern. Überdies seien wissenschaftliche Journale nicht substituierbar, so dass eine Hochschule nicht einfach ein Journal Elseviers abbestellen und durch ein günstigeres Journal eines anderen Anbieters ersetzen könne – zu unterschiedlich sind die Inhalte sogar bei Journalen der gleichen Subdisziplin.“
Genau die Unersetzbarkeit wissenschaftlicher Inhalte spiele Elsevier in den Verhandlungen als Trumpf aus: Der Verzicht auf Kern-Journale seines Fachs scheint jedem Wissenschaftler unmöglich, und das, obwohl nicht der publizierende Verlag die unverzichtbaren Inhalte, sondern die Autoren, Reviewer und Herausgeber. Der Verlag verkaufe diese Inhalte lediglich und zwar ohne Entlohnung für diejenigen, die sie schafften und deren Einrichtungen sich diese Werke nicht mehr leisten könnten.