Jahrhundertaufgabe Atommülllagerung
2011, nach Fukushima, ist daraus dann tatsächlich ein übergreifender politischer und gesellschaftlicher Konsens geworden. Aber wie genau die immanenten und sehr großen Folgekosten der Kernenergie getragen werden, darüber wurde weiter hart verhandelt; denn Atomkraftwerke sind teuer im Bau, billig im Betrieb, teuer im Abriss und noch teurer, wenn der Atommüll endgelagert werden soll – eine Jahrhundertaufgabe. Ich bin froh, dass es gelungen ist, eine Verständigung darüber zu erzielen, wie wir die nukleare Entsorgung in Zukunft finanzieren. Das ist der eigentliche Schlussakt des Atomausstiegs. Einen Konsens für ein Endlager werden wir aber erst noch herbeiführen müssen.
Wir beraten heute keinen Regierungsentwurf. Es waren die Fraktionen von CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen, die ihn gemeinsam eingebracht haben. Das zeigt auch, dass es doch einen ganz großen Konsens gibt, mit diesem umstrittenen Kapitel bundesdeutscher Energiegeschichte endlich Schluss zu machen beziehungsweise es zu beenden.
Die wichtigsten Regelungen hat eine eigens dafür eingesetzte überparteiliche Kommission erarbeitet und einstimmig beschlossen. Auch ich möchte mich stellvertretend bei den Vorsitzenden Jürgen Trittin, Ole von Beust und Matthias Platzeck dafür bedanken. Lieber Jürgen Trittin, wenn man aktiver Politiker ist, geht man mit dem Vorsitz in solchen Kommissionen auch politische Risiken ein. Ich finde, dich zeichnet aus, dass du dieses Risiko aus Verantwortungsgefühl eingegangen bist, weil du als einer der Gegner der Atomenergie am Ende auch dafür sorgen willst, dass verantwortliche Ergebnisse beim Ausstieg zustande kommen. Herzlichen Dank! Die Kommission hat die Grundlage für den Rechtsfrieden gelegt, den wir für den langen Weg aus der Atomwirtschaft benötigen. Dass die Grünen sagen: „Die Bundesregierung soll mal schnell dafür sorgen, dass die Konzerne ihre letzten zwei Klagen zurückziehen“, ist nachvollziehbar. Aber bei detaillierter Kenntnis des Rechtsstaates weiß man, dass das nur schwer von uns herbeizuführen ist. Trotzdem ist die Aufforderung natürlich richtig, weil auch das, was es jetzt noch an Klagen gibt, in der Sache eigentlich nicht in Ordnung ist.
Das ist übrigens auch eine wesentliche Voraussetzung für das Zeitalter der erneuerbaren Energien. Die Kommission hat aus meiner Sicht einen überzeugenden Vorschlag gemacht. Das Gesetz sieht vor, dass die Unternehmen auch künftig finanziell und organisatorisch für den Rückbau der Kraftwerke und die Konditionierung der radioaktiven Abfälle verantwortlich sind. Die Rückstellungen hierfür werden jedoch wesentlich transparenter sein als bisher. Die Bundesregierung wird dem Bundestag jährlich dazu berichten. Die langfristige Konzernhaftung haben wir in unserem Gesetzentwurf unter das Motto „Eltern haften für ihre Kinder“ gestellt, weil wir gemerkt haben, dass der Versuch von Ausgründungen dazu führen sollte, sich der langfristigen Haftung zu entziehen. Das bedeutet: Die Haftung besteht jetzt unabhängig von den konkreten konzerninternen Strukturen und deren Veränderungen.
Auf der anderen Seite wird zum 1. Juli 2017 ein staatlicher Fonds seine Arbeit aufnehmen, um die Zwischen- und Endlagerung zu finanzieren. Die Betreiber der Kernkraftwerke überweisen zu diesem Datum rund 17 Milliarden Euro an den Fonds. Sie können zudem gegen die Zahlung eines Risikoaufschlags von rund sechs Milliarden Euro die Haftung für Zins- und Kostenrisiken endgültig loswerden. Das wird öffentlich debattiert. Ich habe noch keinen richtigen Alternativvorschlag in der Öffentlichkeit gesehen, der besser ist als der, den die Kommission erarbeitet hat, und „wishful thinking“ bringt uns weder bei der Energiewende noch beim Ausstieg weiter. Deswegen finde ich: Solange nichts Besseres auf dem Tisch ist, ist das, was die Kommission erarbeitet hat, ein kluger Vorschlag.
Mit diesem Gesetzesvorhaben haben wir die Chance, nach dem Konsens über den Ausstieg nun einen Konsens über die Finanzierung der Folgelasten der Kernenergie zu beschließen und dann – das ist nicht einfach – auch einen Konsens für die Endlagerung herbeizuführen. Noch einmal: Einfach weitermachen und darauf setzen, dass irgendwann irgendwer uns Angebote macht, in den Weiten seines eigenen Landes zu völlig anderen Sicherheitsbedingungen deutschen Atommüll endzulagern, darf für dieses Land nicht die Alternative sein.
Nachdem wir diesen Weg geschafft haben, gibt es Grund zu Optimismus, auch den letzten Weg noch zu schaffen. Am Ende liegt es daran, dass viele Menschen in diesem Land, zum Teil über Generationen hinweg, den Mut nicht aufgegeben haben, für einen Ausstieg aus dieser gefährlichen Technologie zu kämpfen. Wir sind, finde ich, durch sie sehr weit gekommen.“
–>Quelle: bundesregierung.de