ICCT: Diesel-Skandal noch größer als befürchtet

Überschreitungen bis zum Faktor 25

Die Experten des ICCT stießen auf große Unterschiede zwischen dem Emissionsverhalten der getesteten Fahrzeuge. Während einige der Fahrzeuge das gesetzliche Euro 6-Limit auch unter realen Fahrbedingungen erreichen konnten, lagen andere bis zu einem Faktor 25 über den erlaubten Werten. “Die Technologien für saubere Diesel-Fahrzeuge, auch unter realen Bedingungen, sind bereits heute auf dem Markt verfügbar”, sagt Vicente Franco, Forscher bei ICCT und einer der Autoren der Studie. “Es bedarf allerdings entsprechender Regelungen, um die Fahrzeughersteller zu verpflichten, diese Technologien auch einzusetzen und diese nicht nur für einen eng abgegrenzten Betriebsbereich im Labor zu kalibrieren, sondern einen Großteil der realen Fahrsituationen in Kundenhand abzudecken.”

Die EU-Kommission bereitet derzeit die Einführung einer neuen, verbesserten Testprozedur für Abgasemissionen vor. Hierfür sollen ab 2017 zusätzlich zu den Fahrzeugtests im Labor auch Tests auf der Straße mit PEMS-Messgeräten verpflichtend für die Zulassung neuer Fahrzeugmodelle eingeführt werden. Technische Experten der EU-Mitgliedsstaaten werden am 15.10.2017 tagen, um über die weiteren Schritte zur Einführung einer solchen Regelung zu beraten und zu entscheiden, ob noch bis Ende 2014 ein entsprechender Gesetzesentwurf vorgelegt werden kann.

duh-demo-dieselabgase-toeten-foto-gerhard-hofmann-agentur-zukunft-fuer-solarify[note Stickoxide werden als gesundheitsschädlich eingestuft und können zu Atemwegserkrankungen und vorzeitigen Todesfällen führen. Diesel-Fahrzeuge sind die größten Verursacher von NOx in der EU. Insbesondere im städtischen Raum werden die gesetzlich erlaubten NOx-Höchstwerte in der Atemluft ständig überschritten.
10.610 Tote in einem Jahr durch NOx
In ihrer umweltpolitischen Jahrespressekonferenz wies die DUH schon am 31.12.2016 auf den skandalösen Missstand hin: Vor allem im Winterhalbjahr leiden hunderttausende Menschen an Asthma, Kreislaufbeschwerden und chronisch obstruktiven Lungenerkrankungen als Folge der durchschnittlich 15-fach erhöhten, giftigen Stickoxid-Dieselabgase – „also 1500 Prozent über dem Grenzwert“ (so DUH-Vorsitzender Resch). Es sei im Vergleich zu früheren Motor-Normen keine Verbesserung eingetreten – im Gegenteil: Der Euro-6-Motor stoße mehr NOx aus als der Euro-4. eea-bericht-zur-luftqualitaet-2016-titelDie Europäische Umweltagentur habe vor kurzem neue Zahlen veröffentlicht: 10.610 Tote („premature deaths“)  in einem Jahr durch NOx allein in Deutschland (S. 62). Folglich sprach Resch von „vielen tausenden Fällen vorsätzlicher Körperverletzung, denn die Auto-Unternehmen wissen, was sie tun, und wie schädlich es ist“. Solarify fügt hinzu: Die Politik auch. (siehe Bericht auf: solarify.eu/vorsaetzliche-koerperverletzung-in-vielen-tausend-faellen)]

Die Fachzeitschrift auto motor und sport berichtete von eigenen Stickoxid-Messungen, die im echten Fahrbetrieb teils erhebliche Differenzen zu den Laborwerten zeigen. Dabei habe zum Beispiel das Renault-Dieselmodell Captur dCi 110 mit mehr als 1.300 Milligramm NOx pro Kilometer um das 16,7-fache über dem zulässigen Laborgrenzwert nach Euro-6-Norm gelegen. Erlaubt sind 80 Milligramm je Kilometer.

Vicente Franco, Francisco Posada Sánchez, John German, and Peter Mock: Real-world exhaust emissions from modern diesel cars – A meta-analysis of PEMS emissions data from EU (Euro 6) and US (Tier 2 BIN 5 / ULEV II) diesel passenger cars

->Quellen: