Buchtipp: „Vision für die Tonne“
„Die Atomgeschichte hat interessante Charaktere hervorgebracht“, beginnt die Kurzbeschreibung des neuen Buchs von Wissenschaftsjournalist Bernward Janzing „Vision für die Tonne – wie die Atomkraft scheitert, an sich selbst, am Widerstand, an besseren Alternativen“ auf dessen Webseite: „Einen Atommanager, der die Seiten wechselt; einen Landrat, der sich quer stellt; einen jungen Zoologen, der den DDR-Staat durch Recherchen zum Uranabbau düpiert; einen Physiker, der das Ende der Ostreaktoren während der Wende besiegelt. Und viele mehr.“
Bernward Janzing hat sie getroffen und erzählt auch anhand ihrer Biografien die Atomgeschichte Deutschlands, Österreichs und der Schweiz. „Er beschreibt die anfänglich naive Atomeuphorie, dann die ersten Widerstände in den sechziger Jahren, und schließlich die Bauplatzbesetzungen in den Siebzigern und Achtzigern. Er schildert, wie die Atomwirtschaft mit Arroganz und Leichtfertigkeit den Widerstand immer wieder aufs Neue belebt, forciert durch die Katastrophen von Tschernobyl und Fukushima.“
In „Vision für die Tonne“ rollt Janzing spannend geschrieben die Geschichte der Atomkraft auf. Mit reichlich historischem Bildmaterial wird unter anderem die Etablierung einer Gefahrentechnologie in Ost- und Westdeutschland aufgearbeitet, sowie die damit einher gehende politische und gesellschaftliche Diskussion. „Vision für die Tonne“ ist die journalistisch aufgearbeitete Historie einer sozialen Bewegung, die wie keine andere die mitteleuropäische Nachkriegsgeschichte geprägt hat. Einer Bewegung, die beharrlich und kreativ war, die Alternativen suchte und fand, und die stets einen Querschnitt der Gesellschaft repräsentierte. All das machte sie – wenn auch erst spät – erfolgreich.
Janzing hat viele der teils haarsträubenden, zum Teil kaum bekannten Geschichten seit Entstehung der Atomkraft zusammengetragen und dokumentiert. Nicole Weinhold in erneuerbare energien: „Dafür hat er mit zahlreichen Protogonisten gesprochen. Zum Beispiel mit Michael Beleites. Der Naturschützer hatte in der DDR den Uranabbau der Wismut AG verfolgt, der von der Regierung mit all seinen Auswirkungen geheimgehalten wurde. Der damals weltweit drittgrößte Uranabbau nach Kanada und den USA fand in Thüringen und Sachsen in aller Heimlichkeit statt. Folgen waren zum Beispiel Erkrankungen, die bei den bis zu 100.000 Menschen auftraten, die in dem Uranbergbau arbeiteten. Sie wurden vom DDR-Regime mit zahlreichen Vergünstigungen – etwa kostenlose Perücken und Alkohol – zum Schweigen gebracht. Beleites recherchierte aber auch zur Verseuchung des Flusswassers und vieles mehr. Es gelang ihm, die Informationen in den Westen zu schmuggeln, wo dann in den Medien darüber berichtet wurde. Es sind Geschichten wie diese, die Janzings Buch authentisch und lesenswert machen.“
[note Die „harmlose Atomkraft“: AKW Cruas an der Rhone mit verniedlichendem Bild eines spielenden Kindes. Neun Bergsteiger schufen 1991 in 8.000 Arbeitsstunden mit 4.000 Liter Farbe das 155 m hohe und 12.500 m² umfassende Wandbild in rund drei Monaten nach einem Entwurf des französischen Malers Jean-Marie Pierret. Das Bild mit dem Titel Aquarius zeigt ein aus einer Muschel Wasser auf eine Glaspyramide gießendes Kind und soll die Bedeutung von Luft und Wasser symbolisieren. Es wurde am 16.12.1991 eingeweiht. Kommentar des französischen Figaro: „Eine schöne Arbeit für das Image von EdF.“ – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify]
Folgt: Von der Begeisterung über die Katastrophe(n) zum Ausstieg