Neue Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie verabschiedet

Deutsche Ziele zu allen 17 SDGs festgelegt – BUND: „Note ungenügend“ – SDSN begrüßt – Germanwatch: Lob und Tadel

Das Bundeskabinett hat am 11.01.2017 die „Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie – Neuauflage 2016“ beschlossen. Sie steht laut einer Medienmitteilung ganz im Zeichen der Agenda 2030 der Vereinten Nationen und ihrer Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs – siehe solarify.eu/sdgs-auf-wirksamkeit-und-nachhaltigkeit-abgeklopft). Das 257 Seiten starke Strategiepapier stellt die umfassendste Weiterentwicklung der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie seit ihrem erstmaligen Beschluss im Jahre 2002 dar. Dem BUND ist sie „nicht ehrgeizig genug“.

Die Nachhaltigkeitsstrategie 2016 legt deutsche Ziele zu allen 17 SDGs fest und schildert, mit welchen Maßnahmen die Bundesregierung diese bis zum Jahr 2030 in allen Bereichen nachhaltiger Entwicklung erreichen will: Von Armutsbekämpfung, Ernährungssicherung und Gesundheitsfürsorge über Bildung, Geschlechtergleichheit, Rechtsstaatlichkeit hin zu Klima- und Artenschutz, nachhaltigem Konsum und wirtschaftlicher Entwicklung. Zudem stärkt die Strategie sowohl die Zusammenarbeit innerhalb der Bundesregierung für eine nachhaltige Politik als auch die Kooperation mit den wichtigen Akteuren aus Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft.

Peter Altmaier - Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für SolarifyBei der Neuauflage der gemeinsamen Ressortstrategie konnten wichtige umwelt- und stadtentwicklungspolitische Ziele verankert werden – so das BMUB in einer Medienmitteilung. In den kommenden 15 Jahren soll u.a. die Qualität von Fließ- und Küstengewässern verbessert, Luftbelastungen vermindert oder auch das Angebot von nachhaltigen Produkten gesteigert werden. Die Strategie verfestigt zudem die Nachhaltigkeitspolitik innerhalb der Bundesregierung und die Zusammenarbeit mit den relevanten Akteuren aus Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft. Die Strategie wurde von allen Bundesministerien im Rahmen des Staatssekretärsausschusses für nachhaltige Entwicklung unter Leitung des Chefs des Bundeskanzleramtes, Peter Altmaier, erarbeitet. Einbezogen wurden zahlreiche Stellungnahmen von Bürgerinnen und Bürgern, Verbänden und Institutionen aus einem knapp einjährigen Dialog. Altmaier: „Die Verabschiedung der Agenda 2030 war ein großer Durchbruch. Mit der neuen Nachhaltigkeitsstrategie trägt die Bundesregierung wesentlich zu ihrer Umsetzung bei. Wir werden zeigen, dass materieller Wohlstand, eine solidarische Gesellschaft und der Schutz unserer Umwelt Hand in Hand gehen können und müssen.“

barbara-hendricks-vor-eur-ressourcenforum-foto-gerhard-hofmann-agentur-zukunft-fuer-solarifyBundesumweltministerin Barbara Hendricks: „Die Neuauflage der Nachhaltigkeitsstrategie ist ein großer Erfolg. Sie ist ein klares Bekenntnis zum Schutz unseres Planeten. Mit der Strategie stellt die Bundesregierung die Weichen dafür, dass sich Deutschland bis zum Jahr 2030 zu einer der weltweit effizientesten und umweltschonendsten Volkswirtschaften entwickeln kann.“ Sie begrüßte gleichzeitig, dass die Bundesregierung auch den Entwurf des Lohngleichheitsgesetzes beschlossen hat. Dieses Gesetz ist Teil des Maßnahmenpakets zur Umsetzung des in der 2030-Agenda enthaltenen Nachhaltigkeitsziels zur Geschlechtergleichstellung.

„Neue Nachhaltigkeitsstrategie wird Dringlichkeit einer sozial-ökologischen Wende nicht gerecht“

Hubert Weiger - Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

Die neue Nachhaltigkeitsstrategie ist nach Ansicht des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) nicht ehrgeizig genug. Für den sozialverträglichen Ausstieg aus der klimaschädlichen Kohle gebe es keinen Fahrplan, kritisierte der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger laut einer Medienmitteilung. Auch in anderen Wirtschaftsbereichen setze die Bundesregierung wider besseren Wissens auf ein „Weiter so“. So sei das für den Verkehrssektor bis zum Jahr 2030 notwendige Klimaziel von minus 40 Prozent CO2 im Vergleich zu 1990 nicht in die Nachhaltigkeitsstrategie aufgenommen worden. Dem immensen Flächenverbrauch setze die Strategie kein Ende und das Ziel, 20 Prozent Ökolandbau zu erreichen, sei zwar berücksichtigt, jedoch ohne den erforderlichen Bezug zum Jahr 2030.

„Die Bundesregierung verschleppt die notwendige sozialökologische Wende“, sagte Weiger. „Die planetaren Grenzen sind in vielen Bereichen längst überschritten. Der Schutz des Klimas, der Böden und der Biodiversität kommt regelmäßig zu kurz. Eine Politik, die sich vor allem am Ziel des Wirtschaftswachstums orientiert, steht im krassen Widerspruch zu den begrenzten Ressourcen“, so der BUND-Vorsitzende. Dringend erforderlich sei es daher, den aktuellen Ressourcenverbrauch pro Kopf zu ermitteln und daraus für Deutschland klare und verbindliche Reduktionsziele abzuleiten.

Die Nachhaltigkeitsstrategie vernachlässige auch die internationalen Auswirkungen deutscher Wirtschafts- und Agrarpolitik. So fehlten Ziele und Vorgaben, um die viel zu hohen Importe von Futtermitteln vor allem aus Südamerika drastisch zu verringern. Für deren Anbau beanspruche Deutschland rund vier Millionen Hektar Ackerfläche in Ländern wie Brasilien, Argentinien oder Paraguay. Dieses Ackerland fehle der dortigen Bevölkerung für den Anbau von Nahrungsmitteln.

„Es muss stärker ins Bewusstsein der politischen Entscheider und der Wirtschaft rücken, dass die Bewahrung der natürlichen Lebensgrundlagen sowohl im Ausland als auch bei uns Grundlage jeder wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung sein sollte“, sagte Weiger. Bei der Weiterentwicklung der Nachhaltigkeitsstrategie und vor allem in ihrem täglichen Regierungshandeln müsse die Bundesregierung dies künftig weitaus stärker berücksichtigen.

Folgt: Nachhaltigkeitspolitik ist Gesellschaftspolitik: SDSN Germany begrüßt neue Nachhaltigkeitsstrategie