Domino-Effekt: Biodiversität schwindet

Mit Pflanzen verschwinden Tiearten

Blumenwiese vor der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin - Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für SolarifyVerschwinden Pflanzenarten durch den Klimawandel, ziehe dies wahrscheinlich den Verlust von Tierarten nach sich. Besonders bedroht seien auf Interaktionen mit bestimmten Pflanzenarten angewiesene Insekten. Pflanzen verkraften hingegen das Verschwinden ihrer tierischen Partner besser, schreibt ein internationales Team unter der Leitung von Wissenschaftlern der Senckenberg-Gesellschaft für Naturforschung in einer kürzlich im Fachjournal „Nature Communications“ veröffentlichten Studie.

Die Rundblättrige Glockenblume ist nur eine von vielen Pflanzenarten, die vom Klimawandel negativ betroffen sein wird. Sie ist zudem eine wesentliche Nahrungsquelle für eine spezialisierte Bienenart, die Glockenblumen-Scherenbiene. Wie alle Tier- und Pflanzenarten sind beide Teil von komplexen ökologischen Netzwerken, in denen die interagierenden Arten miteinander verwoben sind. „Das lokale Aussterben von Tieren und Pflanzen kann daher zu einer Kaskade weiterer Aussterbe-Ereignisse in diesen Netzwerken führen, zum Beispiel als Folge des Klimawandels“, sagt Matthias Schleuning vom Senckenberg-Forschungszentrum Biodiversität und Klima.

Er und seine Kollegen haben modelliert, wie empfindlich mehr als 700 europäische Pflanzen- und Tierarten gegenüber möglichen zukünftigen Klimaveränderungen sind. Erstmals haben sie diese Modelle mit Informationen zu den Interaktionen von Pflanzen mit ihren Bestäubern und Samenausbreitern kombiniert. Die Simulation zeigt, dass der initiale Funke von Aussterbekaskaden in Folge des Klimawandels vor allem von Pflanzenarten ausgeht und sich indirekt auf die Tierarten überträgt.

Besonders gefährdet durch diesen Domino-Effekt sind Tierarten, die nur mit wenigen Pflanzenarten interagieren, weil sie – im Gegensatz zu „Generalisten“ –  empfindlicher auf den Klimawandel reagieren. „Diesen Spezialisten geht es in Zukunft gleich doppelt an den Kragen. Nach unseren Analysen haben sie nämlich zudem eine enge klimatische Nische und sind damit auch direkt durch eine zukünftige Temperaturerhöhung bedroht“, erklärt Christian Hof, Senckenberg-Forschungszentrum Biodiversität und Klima. „Die Glockenblumen-Scherenbiene hat also ein doppeltes Aussterberisiko: direkt durch den Klimawandel als auch indirekt durch das Verschwinden einer wichtigen Nahrungspflanze wie der Rundblättrigen Glockenblume“, ergänzt Ko-Autor Jochen Fründ, Universität Freiburg.

Im Gegensatz dazu fanden die Forscher nur geringe Rückkopplungseffekte von Tieren auf Pflanzen, denn Tierarten, die besonders unter dem Klimawandel leiden, waren in der Regel nur mit wenigen Pflanzenarten vernetzt. „Um bei unserem Beispiel zu bleiben: Die Glockenblume wird von verschiedenen Bestäubern besucht und wird vermutlich wenig unter dem Verlust einzelner, spezialisierter Bestäuber leiden“, ergänzt Fründ.

Ihrem Schicksal könnten Tierarten wie die Glockenblumen-Scherenbiene nur entgehen, wenn sie beim Verschwinden bestimmter Pflanzenarten in großem Umfang auf andere Partner ausweichen. Das Potenzial der Tiere für eine solche Umorientierung auf neue Pflanzenpartner ist allerdings ungewiss. Besonders bedroht erscheinen Tierarten, die während ihres gesamten Lebenszyklus eng auf bestimmte Pflanzenarten angewiesen sind. Insektenarten sind daher mehr gefährdet als viele Vogelarten, die in der Regel flexibler in ihrer Nahrungswahl sind.

Schleuning: „Unsere Studie zeigt, dass der Klimawandel viele Tierarten nicht nur direkt bedroht, sondern zusätzlich indirekte Effekte zum Tragen kommen. Der Klimawandel könnte sich daher negativer auf die biologische Vielfalt von Tieren auswirken als bisher angenommen. Um dies abschätzen zu können, ist es wichtig, die Interaktionen von Tieren mit ihren Pflanzenpartnern stärker als bisher bei zukünftigen Prognosen zu berücksichtigen.“

->Quelle: