Fünfter Trialog zur Energiewende von Humboldt-Viadrina Governance Platform und Energiesysteme der Zukunft“ (ESYS)
Der Verkehrssektor verursacht fast ein Fünftel der CO2-Emissionen Deutschlands. Trotz sparsamerer Motoren konnten seine Emissionen seit 1990 nicht reduziert werden. Um den Verkehr klima- und umweltfreundlicher zu machen, muss das urbane Mobilitätssystem umgebaut werden. Aber können wir schon heute festlegen, wie wir uns künftig fortbewegen werden? Welche Technologien und Infrastrukturen benötigen wir, und wen müssen wir in die Planung einbeziehen? Diesen Fragen widmete sich am 12.01.2017 in Berlin der fünfte Trialog der Humboldt-Viadrina Governance Platform und des Akademienprojekts „Energiesysteme der Zukunft“ (ESYS).
Mit heutigen Entscheidungen bestimmen wir, wie sich der städtische Verkehr in den kommenden Jahrzehnten entwickeln wird. Viele Pfade werden wir nur schwer verlassen können, wenn wir uns einmal festgelegt haben. Entscheiden wir uns beispielsweise dafür, flächendeckend Ladesäulen für Elektrofahrzeuge aufzubauen, ist es kompliziert, diese Infrastruktur später für alternative Antriebstechnologien zu nutzen.
Welche Strategien dabei helfen können, schon heute die urbane Mobilität von morgen zu gestalten, diskutierten mehr als 60 Akteure aus Politik, Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Wissenschaft beim Trialog im Berliner Allianz Forum. Unter dem Motto „Weichenstellungen für die urbane Mobilität – Wie treffen wir die richtigen Entscheidungen?“ loteten sie aus, welche Mobilitätskonzepte für den Stadtverkehr der Zukunft geeignet sind und welche gesellschaftlichen Gruppen den Wandel mitgestalten sollten.
Eröffnet wurde die Veranstaltung von Gesine Schwan, Präsidentin der HUMBOLDT-VIADRINA Governance Platform. Armin Grunwald vom Karlsruher Institut für Technologie, der die ESYS-Arbeitsgruppe zum Thema „Pfadabhängigkeiten“ leitet, übernahm die inhaltliche Einführung. Er unterstrich, dass Mobilitätssysteme einerseits schnell umgebaut werden müssen, um die Klimaschutzziele zu erreichen. Andererseits „treffen wir dabei Entscheidungen unter unsicheren Bedingungen und laufen Gefahr, Chancen zu verpassen oder uns auf Wege festzulegen, die wir später möglicherweise bereuen werden.“ Die Arbeitsgruppe untersucht, welche Entwicklungsmöglichkeiten und Strategien es gibt, um mit diesen Abhängigkeiten umzugehen.
Frage der Pfadabhängigkeiten – Weichenstellungen für die urbane Mobilität
Pfadabhängigkeiten legen Zukünfte fest, aus technisch-physikalischen und ökonomischen Gründen, aber wir wissen nicht, wie sich die Dinge entwickeln werden – ein Dilemma. Wie soll man da eine richtige Entscheidung treffen (was heißt in diesem Zusammenhang überhaupt „richtig“?)? Pfade werden auch bestimmt durch altüberkommenes Denken, durch Erfahrungen und bereits Erreichtes. Vieles muss die Politik (Regierung) regulieren (Beispiel: Dienstwagen-Privileg mit seinen Auswirkungen – oder Stichwort E-Mobilitäts-Problem Reichweite: wir sind so sehr an 500-600 oder mehr km Reichweite gewöhnt, dass wir das als unbefragt selbstverständlich – und eine Veränderung als Zumutung – empfinden). Pfadabhängigkeiten sind nicht per se negativ, manchmal sogar notwendig, sonst hätten wir Anarchie. Verschiedene Entscheidungsstrategien: sequenzielles Entscheiden durch Aufgliederung in einzelne Schritte, aktives und/oder passives Aufschieben.
Thema des Trialogs war u.a. „Urbane Mobilität und Güterverkehr“ – meist steht wirtschaftliche Nutzung im Vordergrund – individuelle Nutzung sieht im Auto einen privaten Raum, eine Art zweites Wohnzimmer, das aufzugeben einen großen Schritt bedeutet. Prognosen sind daher schwierig, weil sie das Verhalten oft unvorhersehbar beeinflussen. Bestimmen Ingenieure unsere Pfadabhängigkeiten? Wie aus den alten herauskommen – durch neue Technologien? Kein Technik-Determinismus! Die Integration der Erneuerbaren Energien ins Stromnetz ist politisch gemacht worden (EEG). Nicht zu vergessen: der Markt als Verantwortlicher für neue Pfade, für Abhängigkeiten und für Lock-In-Situationen.
E-Mobilität versus H2
Eine gute Entscheidung treffe ich dann, wenn ich die Lösung nicht kenne. Wenn ich harte Wahrheiten herausarbeite und akzeptiere (wie die, dass der menschengemachte Klimawandel kommt – oder, dass die Energiewende kommen wird). Man muss akzeptieren, dass man bekannte Informationen aufnimmt und dann eine Entscheidung trifft, wenn relevante Fragen geklärt sind.
3 Hypothesen:
- Die Entscheidung, ob Batterie oder Wasserstoff, ist (noch) viel zu stark eine Glaubensfrage, fokussiert (schon) zu sehr auf die Lösung – aus „oder“ mach „und“;
- harte Wahrheiten helfen und als Leitplanken akzeptieren (z.B. Effizienz ist bei Batterien um Faktor 2 höher als bei H2, Beschleunigung um Faktor 10 höher, beide Speichermöglichkeiten skalieren unterschiedlich: bei Batterien doppelt so viel Gewicht für doppelte Menge gespeicherter Energie, bei H2 ist das nicht so linear) –
- noch nicht am Punkt, um endgültig zu entscheiden: z.B. Kosten der Infrastruktur (Ladesäulen oder H2-Tankstellen – H2 verliert da zwar auf ganzer Linie – zweifelhaft, denn unsere Netze sind nicht für Schnellladungen ausgestattet). Hinweis: Akkuwechselsysteme zu Infrastruktur hinzufügen!
Die meisten Entscheidungen sind Mischungen aus sequenziellem und passivem Aufschieben, schaffen natürlich immer neue kleine Pfadabhängigkeiten.
Folgt: Thema „Autonomes Fahren“