Aufruf zu Kooperation und Hoffnung
Im letzten Teil des Buches ruft Boff zu Kooperation und Hoffnung auf: „Wir erleben dramatische, aber zugleich auch hoffnungsvolle Zeiten. Dramatisch sind sie, weil unser gemeinsames Haus, die Erde, in Flammen zu stehen scheint. Wir müssen uns organisieren, um es zu retten. Hoffnungsvoll sind die Zeiten aber, weil immer mehr Menschen aufwachen und Ihre Verantwortung für die gemeinsame Zukunft des Lebens, der Menschheit und der Erde wahrnehmen. Diese Zukunft wird nur dann gewährleistet sein, wenn wir Nachhaltigkeit als den gemeinsamen Nenner aller Lebensformen und unseres Handelns zugleich festlegen.“
Politiker und Wirtschaftsführer merkten nämlich allmählich als Hauptursachen der gegenwärtigen Krise, „dass aufgrund des übertriebenen Gewinnstrebens und des Fehlens jeden rechten Maßes die Ethik mit Füßen getreten wird. Das führte zum Verlust jenes Vertrauens, das für ein funktionierendes Wirtschaftsleben nötig ist. Wir müssen wieder entschieden das Gute, Gerechte und Richtige tun und dürfen uns nicht damit begnügen, das Schlechte zu unterlassen. Deshalb ist die unbequeme Frage gerechtfertigt: Welche Art von Nachhaltigkeit können die reichen Industrieländer dem Leben und der Erde anbieten, wenn sie es nicht einmal schaffen, die Nachhaltigkeit dessen zu gewährleisten, was für sie das Wichtigste ist, nämlich der Märkte und der Geldwertstabilität!“
Paradigma aus Achtsamkeit und gemeinsamer Verantwortung
Boff zeigt sich überzeugt, dass das „Paradigma der Herrschaft und der Eroberung“ durch das „der Achtsamkeit und der gemeinsamen Verantwortung“ ersetzten werden wird. Denn die höchste Ebene des Bewusstseins, der Geist, werde „uns dazu bringen, das Leben mehr zu lieben als das materielle Kapital, jeglichen Schaden von der Biosphäre abzuwenden und der Erde nur das zu entnehmen, was wir wirklich brauchen, um ein anständiges Leben zu führen. Dies ist eine der Hauptzielsetzungen von Nachhaltigkeit.“
Weil wir sind von Natur aus Wesen der Kooperation und Solidarität seien, setze sich in Augenblicken großer Gefahr und kollektiver Tragödien diese Solidarität über Klassenunterschiede hinweg und fordere alle dazu auf, solidarisch zusammenzuwirken (Hölderlin: „Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch.“). Dann helfen wir einander, „um uns alle zu retten: Dieser Augenblick ist nahe, denn die Erde sendet unzweideutige Stresssignale aus und zeigt, dass sie am Ende ihrer Kräfte angelangt ist. Wir stehen nicht vor einer angekündigten Tragödie, sondern mitten in einer grundlegenden Krise, die uns reinigen wird und uns einen qualitativen Sprung auf die Ebene einer nachhaltigen Menschheit ermöglichen wird, die eine Welt bewohnt, die, wie Fernando Pessoa sagt, bis jetzt noch nie da gewesen ist, die wir aber zusammen in nachhaltiger Weise zum Leben erwecken können.“
Global Governance
Schließlich fordert Boff eine Art Weltinnenpolitik: „Es wird mit Sicherheit keine allgemeine Nachhaltigkeit ohne Global Governance, das heißt ohne ein multipolares Zentrum geben, dessen Aufgabe es ist, auf demokratische Weise die die gesamte Menschheit betreffende Politik zu koordinieren. Diese Konstellation ist ein Erfordernis der Globalisierung, denn diese hat die Verschränkung aller innerhalb ein und desselben Lebensraumes, des Planeten Erde, zur Folge. Doch früher oder später wird eine Global Governance geschaffen werden, denn sie duldet keinen Aufschub, wenn wir die globalen Probleme in Angriff nehmen und die allgemeine Nachhaltigkeit des Systems Erde und des Systems Leben gewährleisten wollen.“
Boffs Buch ist wichtig, lebenswichtig – ja „überlebenswichtig“.
Autor: Gerhard Hofmann
[note Leonardo Boff: Überlebenswichtig – warum wir einen Kurswechsel zu echter Nachhaltigkeit brauchen, Grünewald-Verlag, 168 Seiten, Paperback, ISBN 978-3-7867-3056-19]
->Quelle: jpc.de/leonardo-boff-ueberlebenswichtig