Internationales Forschungsteam beschreibt Entwicklung der Ozeanströmungen
Der Golfstrom transportiert so viel Wärmeenergie über den Atlantik Richtung Nordosten, dass in Irland Palmen gedeihen und in Nordnorwegen im Winter die Häfen eisfrei bleiben. So wie er haben alle Ozeanströmungen großen Einfluss auf das globale Klima. Doch seit wann funktioniert dieses System so, wie wir es heute kennen? Und wie hat es sich dahin entwickelt? Wie die GEOMAR-Presseabteilung am 23.01.2017 mitteilt, veröffentlicht ein internationales Forschungsteam unter Beteiligung des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel neue Erkenntnisse dazu in der internationalen Fachzeitschrift Scientific Reports.
[note Vereinfachte Darstellung der heutigen globalen ozeanischen Umwälzzirkulation. Oberflächenströmungen in rot, tiefe Wassermassen in blau. Die mittelamerikanische Landbrücke, der Indonesische Seeweg und die Straße von Gibraltar (gelbe Rechtecke) besitzen einen Schlüsselfunktion für die Veränderlichkeit dieses Zirkulationsmusters. Die bearbeiteten Tiefbohrungen sind durch gelbe Punkte markiert. – Karte © NOAA]
Ozeanströmungen bestimmten massiv unser Klima – der Golfstrom transportiere beispielsweise so viel Wärme aus dem tropischen Atlantik Richtung Nordosten, dass die Winter im nördlichen Europa im Verhältnis zu den Breitengraden relativ mild und feucht seien. Dieser Wärmetransport führe im Südatlantik gleichzeitig zu einer Abkühlung, ein Prozess, den man auch als „Wärmepiraterie“ bezeichnete. Allerdings sei der Verlauf der globalen Ozeanströmungen, wie wir sie heute kennen, geologisch gesehen relativ jung. Er habe sich erst im Zeitraum von sechs bis zweieinhalb Millionen Jahren vor heute entwickelt, in der erdgeschichtlichen Epoche des Pliozäns, heißt es in der Pressemitteilung. Und weiter:
„Eine entscheidende Rolle spielten dabei Bewegungen der Erdplatten, bei denen sich Meeresstraßen geöffnet und geschlossen haben. Wie genau sich die heutige Wärmepiraterie des Nordatlantiks im Zuge der tektonischen Veränderungen entwickelt hat, war bisher aber unzureichend bekannt. Ein internationales Team von Paläoozeanographen unter Beteiligung des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel beschreibt den Prozess aufgrund neuer Untersuchungen jetzt in der aktuellen Ausgabe der internationalen Fachzeitschrift Scientific Reports.
Als Basis für die neuen Erkenntnisse dienten Tiefseebohrungen im Nord- und im Südatlantik. In den Bohrkernen aus dem Meeresboden finden sich die Fossilien ehemals im Ozean lebender einzelliger Mikroorganismen.
„Wenn man diese sogenannten Foraminiferen isotopengeochemisch und spurenanalytisch untersucht, erlauben die Daten uns mit hoher Genauigkeit die physikalischen Randbedingungen vergangener Ozeane, zum Beispiel die Meerestemperaturen, zu rekonstruieren“, erklärt der Erstautor der Studie Dr. Cyrus Karas, der die Forschungen am GEOMAR und am Lamont Doherty Observatory, USA, vorantrieb.
„Tatsächlich ist das Pliozän eine erdgeschichtliche Epoche, die durch ausgesprochen dynamische plattentektonische Bewegungen charakterisiert war“, erklärt Dirk Nürnberg vom GEOMAR, Koautor der Studie. „Unsere Studie zeigt, dass die tektonischen Änderungen in der Straße von Gibraltar im Mittelmeer, die Ausbildung der Mittelamerikanischen Landbrücke sowie die Verengung des Indonesischen Seeweges zeitlich nacheinander immense Auswirkungen auf die globale ozeanische Umwälzzirkulation hatten, und somit auch auf die Temperaturen im Nord und Südatlantik.“
Speziell eine Veränderung des Mittelmeer-Durchstromes vor etwa 5,3 Millionen Jahren schwächte zunächst die atlantische Umwälzzirkulation, was eine Erwärmung des Südatlantiks im Vergleich zum Nordatlantik nach sich zog. Allerdings verengte sich zwischen 4,8 und 3,8 Millionen Jahren vor heute auch die Verbindung zwischen Atlantik und Pazifik in Zentralamerika, bis die mittelamerikanische Landbrücke ganz geschlossen war. Dieser Vorgang verstärkte den Golfstrom, was zu einer Erwärmung des Nordatlantiks um rund zwei Grad Celsius auf Kosten des Südatlantiks führte – der bis heute anhaltenden aktiven Wärmepiraterie des Nordatlantiks.
Mit der tektonischen Einengung des Indonesischen Seeweges zwischen 3,8 und drei Millionen Jahren vor heute ist wieder eine Abschwächung der globalen Umwälzzirkulation aus den geochemischen Daten abzulesen, die im Zusammenhang mit der beginnenden Vereisung der Nordhemisphäre stehen. “Die Bedeutung unserer erdgeschichtlichen Untersuchungen ist der Beleg, wie lokale tektonische Veränderungen die Temperaturen im Nord- und Südatlantik nachhaltig veränderten und somit direkten Einfluss auf das globale Klima hatten“, sagt Dr. Cyrus Karas.
Hinweis:
Die Forschungsarbeiten wurden durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) sowie Fördermittel des Lamont-Doherty Earth Observatory (USA) und der Max-Kade Foundation finanziert. Das bearbeitete Sedimentmaterial wurde im Rahmen des “International Ocean Discovery Program” (https://iodp.tamu.edu/) gewonnen.“
Originalarbeit:
Karas, C. , D. Nürnberg, A. Bahr, J. Groeneveld, J. O. Herrle, R. Tiedemann and P. B. deMenocal, 2017: Pliocene oceanic seaways and global climate. Scientific Reports, 7:39842, http://dx.doi.org/10.1038/srep39842
->Quelle: Geomar