Herstellung nachhaltiger Antibiotika
Ein weiteres Teilprojekt von PharmCycle setzt bereits vor dem Zulassungsverfahren an: bei der Entwicklung und der biotechnologischen und der chemischen Herstellung eines Wirkstoffes. Prof. Dr. Jörg Andrä und Prof. Dr. Gesine Cornelissen vom Department Biotechnologie der HAW Hamburg konzipieren mit dem Doktoranden Jan Demmer nachhaltige Antibiotika auf Basis antimikrobieller Peptide, die in der Natur vorkommen. Die Struktur dieser Peptide wird weiterentwickelt und ein biotechnologisches Herstellungsverfahren erprobt. Ziel ist es, wirksame Antibiotika herzustellen, die nicht dauerhaft stabil, sondern leichter abbaubar sind und so spätestens in der Kläranlage neutralisiert werden. Zusätzlich sollen sie ein weiteres Problem lösen: Die zunehmende Resistenz der Bakterien gegen herkömmliche Antibiotika. Aus Sicht von Professor Andrä ist dafür eine stärkere Zusammenarbeit aller Wissenschaften nötig – vor allem mit Pharmazie und Medizin.
Prof. Klaus Kümmerer, Direktor des Instituts für Nachhaltige Chemie und Umweltchemie an der kooperierenden Leuphana Universität in Lüneburg, ist der Meinung, dass eine gute Abwasserreinigung allein nicht ausreicht. Es müsse bereits früher angesetzt werden. Sein Ziel ist es, bestehende Arzneimittel zu „Re-Designen“, das heißt die ursprünglichen Medikamente im Labor mithilfe von Licht und Mikroorganismen abzubauen und zu prüfen, ob das Umwandlungsprodukt als neues, nachhaltiges Medikament geeignet ist. Ein solches Medikament wäre wie die Ursprungs- („Mutter“-)Substanz wirksam, aber leichter in der Umwelt abbaubar. Darüber hinaus möchte der Chemiker bei der Entwicklung eines Wirkstoffs die Umweltverträglichkeit „kostenlos dazu“ zu liefern. Neue Wirkstoffe würden ständig gesucht, da sei es eine große Chance, im gleichen Zug auch die Auswirkungen auf die Umwelt zu verbessern. Kümmerers „Benign by Design“ Forschung wird von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) gefördert.
In drei Zyklen werden in PharmCycle die alten, prioritären Antibiotika mit den neuen, biotechnologisch und chemisch-physikalisch hergestellten Antibiotika hinsichtlich ihres Umweltrisikos und ihres Verhaltens bei der Abwasserreinigung verglichen.
Rechtliche Implementierung des Erforschten
Die Begleitung aller Teilprojekte und die Umsetzung der Ergebnisse in einem rechtlichen Rahmenkonzept ist Gegenstand der juristischen Promotion von Kim Oelkers. Die Promotion wird von der Hamburger Kanzlei Christian Teppe finanziert und voraussichtlich in Zusammenarbeit mit der Universität Hamburg realisiert. Betreuerin von Kim Oelkers ist Professorin Floeter, die zusätzlich zum Biologiestudium Öffentliches Recht mit Schwerpunkt Umweltrecht studierte. Aus Sicht Floeters ist die rechtliche Komponente unverzichtbar: „Wir können viel forschen, doch erfolgreich werden wir nur sein, wenn diese Instrumente auch im Umweltrecht umgesetzt werden. Neben meiner ökotoxikologischen Qualifikation bin ich Umweltrechtlerin und sehe hier zurzeit das Nadelöhr – rechtliche Möglichkeiten werden auf EU Ebene nicht ausgeschöpft und sind noch weiter zu entwickeln.“
Dauerhaft lasse sich eine Belastung nur dann minimieren, wenn die unterschiedlichen Maßnahmen und Ansätze miteinander kombiniert würden, fasst Dr. Arne Hein vom Umweltbundesamt aus Dessau das Symposium zusammen. Besonders weist er auf die unsachgemäße Entsorgung hin: 15 Prozent der Deutschen entsorgen ihre Medikamente über den Hausmüll, 47 Prozent entsorgen flüssige Medikamente in die Abwassersysteme. Zusätzlich gebe es Spielräume in der Arzneimittelzulassung und im Wasserrecht. Das Ziel des Projektes PharmCycle ist deshalb aus seiner Sicht richtig: eine fachübergreifende Zusammenarbeit für einen ressourcenschonenden Umgang im Interesse heutiger und zukünftiger Generationen. Daher werden die Studierenden bei PharmCycle in eine interdisziplinäre, projektbasierte Lehre und Forschung eingebunden. (Autor: Moritz Heitmann)
Weitere Informationen
Prof. Dr. Carolin Floeter: Dipl.-Biologin mit Zusatzstudium Öffentliches Recht, Schwerpunkt Umweltrecht. Interdisziplinäre Dissertation zur marinen ökotoxikologischen Risikobewertung an der TU Hamburg-Harburg und Forschungsstelle für Umweltrecht der Universität Hamburg. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin an der TU Berlin und selbstständig als „Science and Law Consult“ und befasste sich u.a. mit der Umweltrisikobewertung von Tierarzneimitteln für Pharmaunternehmen, bevor sie im Jahr 2011 an die HAW Hamburg kam. Dort ist sie im Department Umwelttechnik zuständig für die Biologie, Hydrobiologie, Ökotoxikologie und Umweltrecht. Die Leiterin des Projekts PharmCycle ist zusätzlich für das Teilprojekt Ökotoxikologische Risikobewertung verantwortlich.
->Quelle: haw-hamburg.de/arzneimittelbelastung-in-gewaessern-projekt-pharmcycle-erforscht-loesungen