Solarstrom aus Infrarotlicht

Grundlage für neuartige Solarzellen

Ein interdisziplinäres Forscherteam aus Göttingen und Clausthal-Zellerfeld hat die Grundlagen für einen völlig neuartigen Solarzellen-Typus geschaffen: Jenseits der herkömmlichen Wirkmechanismen wird dabei Infrarotlicht in elektrische Energie umgewandelt. Die Festkörper-Solarzelle aus Perowskit arbeitet auf Grund sogenannter Polaron-Anregungen – kombinierte Anregungen von Elektronen und Gitterschwingungen des Festkörpers.

Die Wissenschaftler um Prof. Christian Jooß (Universität Göttingen), Prof. Simone Techert (DESY, Universität Göttingen und MPI für biophysikalische Chemie, MPIBPC, Göttingen) und Prof. Peter Blöchl von der Technischen Universität Clausthal-Zellerfeld stellten ihre Entwicklung im Fachblatt „Advanced Energy Materials“ vor.

Blick auf eine experimentelle Polaron-Solarzelle im Labor – Foto © Dirk Raiser, MPIbC/DESY

„Während in konventionellen Solarzellen die Wechselwirkung von Elektronen mit Gitterschwingungen zu unerwünschten Verlusten führen und daher ein wesentliches Problem darstellen, können diese Polaron-Anregungen in der Perowskit-Solarzelle bei bestimmten Betriebstemperaturen fraktal gebildet und langlebig genug werden, damit ein ausgeprägter photovoltaischer Effekt auftritt“, erläutert Hauptautor Dirk Raiser von mpibpc und DESY.

„Dies erfordert jedoch einen geordneten Grundzustand der Ladungen, der einer Art Kristallisation der Ladungen entspricht und so starke kooperative Wechselwirkungen der Polaronen ermöglicht.“ Die untersuchten Perowskit-Solarzellen mussten im Labor auf etwa minus 35 Grad Celsius gekühlt werden, damit der Effekt einsetzte. Voraussetzung für eine praktische Anwendung ist die Realisation geordneter Polaronenzustände bei höheren Temperaturen. „Die vorliegenden Messungen wurden an einem gut charakterisierten Referenzmaterial durchgeführt, um das Prinzip des Effektes zu verdeutlichen, dafür wurde die tiefe Übergangstemperatur in Kauf genommen“, so Ko-Autorin Techert.

Göttinger Materialphysiker arbeiten an einer Modifizierung und Optimierung des Materials, um eine höhere Betriebstemperatur zu erreichen. „Der kooperativen Zustand könnte sich unter Umständen auch durch geschickte Anregung mit weiterem Licht vorübergehend einstellen lassen“, sagt Techert. Sofern eine dieser Strategien erfolgreich ist, könnten zukünftig Solarzellen oder photochemische Energieträger mittels reichlich vorhandener Perowskit-Oxidverbindungen erzeugt werden.

„Die Entwicklung hocheffizienter und einfach gebauter Festkörper-Solarzellen ist immer noch eine wissenschaftliche Herausforderung, der sich viele Arbeitsgruppen auf der Welt stellen, um die künftige Energieversorgungen zu gewährleisten“, betont Forschungsleiter Jooß. „Neben der Material- oder Bauoptimierung schon etablierter Solarzellen beinhaltet dies auch die Erforschung neuer grundlegender Mechanismen des lichtinduzierten Ladungstransports und der Umwandlung in elektrische Energie. Auf diese Weise sollte es möglich sein, Solarzellen basierend auf neuen Wirkprinzipien zu entwickeln.“

Genau dies ist der interdisziplinären Gruppe von Materialphysikern, Theoretikern, chemischen Physikern und Röntgenphysikern nun im Rahmen des Göttinger Sonderforschungsbereich SFB 1073, „Kontrolle der Energiewandlung auf atomaren Skalen“, gelungen. Für die Erforschung der neuartigen Solarzellenfunktion waren dabei ultraschnelle optische und strukturelle Analysemethoden entscheidend, wie sie in aktuellen und früheren Arbeiten zu diesem Thema zum Einsatz kamen.

„Insbesondere erfordert die Bestimmung dynamischer Prozesse in molekularen Einheiten – als sogenannter Molekularfilm – den Einsatz brillanter und ultraschneller Röntgenlichtquellen wie PETRA III bei DESY oder dem Europäischen Freie-Elektronenlaser European XFEL, der in diesem Jahr den Betrieb beginnt“, betont Techert. „Solche Untersuchungen, die zum Teil bereits zu der aktuellen Studie beigetragen haben, führen zu einem neuartigen Verständnis von Ladungstransferprozessen, was wiederum neue Solarzellenfunktionen ermöglicht.“

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