Überwiegend Expertenlob für Endlagersuche

Novelle des Standortauswahlgesetzes

Die Suche nach einem Endlager besonders für hochradioaktiven Atommüll soll gesetzlich auf neue Beine gestellt werden. Der entsprechende Gesetzentwurf der Fraktionen CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen (18/11398) basiert auf den Empfehlungen der Kommission Lagerung hochradioaktiver Abfallstoffe. Diese hatte vergangenen Sommer nach knapp zweijähriger Arbeit ihren Abschlussbericht vorgestellt (siehe solarify.eu/endlager-kommission-mit-endbericht). Aufgabe der Kommission war es, gesellschaftliche und wissenschaftlich-technische Kriterien für die Endlager- Suche zu erarbeiten.

Vorgesehen sind vor allem umfangreiche Änderungen im Standortauswahlgesetz. Festgeschrieben werden sollen unter anderem die konkreten Regelungen zur Beteiligung der Öffentlichkeit, die Gremien der Öffentlichkeitsbeteiligung vor allem in den betroffenen Regionen und der Zugang zu Informationen. Der Ablauf der Suchphasen und die Such-Kriterien (Ausschluss-, Mindest-, und Abwägungskriterien) sollen ebenso wie Vorgaben zu Sicherheitsanforderungen und vorläufigen Sicherheitsuntersuchungen im Gesetz festgeschrieben werden. Der Entwurf sieht zudem vor, dass grundsätzlich alle in Deutschland diskutieren Wirtsgesteine – Salz, Ton und Granit – für die Suche in Frage kommen. Mögliche Endlagerstandorte sollen durch Vorgaben zur Standortsicherung für das Verfahren gesichert werden. Der Entwurf wurde ohne Aussprache an die Ausschüsse überwiesen. Eine Anhörung fand ebenfalls am 08.03.2017  statt. (hib/SCR)

Anhörung im Umweltausschuss

Vier Stunden hat sich der Umweltausschuss des Bundestags am 08.03.2017 unter der Leitung von Bärbel Höhn Zeit genommen, um über den Neustart der Standortsuche für ein Atomendlager zu beraten. Die geplanten gesetzlichen Neuregelungen bei der Suche nach einem atomaren Endlager hätten ein überwiegend positives Experten-Echo gefunden – so der parlamentseigene Pressedienst „heute im bundestag“ über die Anhörung. Allerdings seien aus dem Anti-Atom-Spektrum Skepsis und Ablehnung gekommen.

Die Fachleute hatten den gemeinsamen Text von CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen „zur Fortentwicklung des Gesetzes zur Suche und Auswahl eines Standortes für ein Endlager für Wärme entwickelnde radioaktive Abfälle und anderer Gesetze“ zu bewerten.

  • Prof. Klaus Jürgen Röhlig (TU Clausthal) äußerte „die begründete Hoffnung“, dass nunmehr „ein bereits über Jahrzehnte andauernder gesellschaftlicher Konflikt gelöst werden kann und die Gesellschaft ihre Verantwortung für die Entsorgung der radioaktiven Abfälle wahrnehmen wird“.
  • Prof. Barbara Reichert (Universität Bonn) nannte den Entwurf „ein durchaus gelungenes gesetzliches Regelwerk“.
  • Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) bemängelte, dass „ein generelles Exportverbot für hochradioaktiven Atommüll“ fehle. Zwar gebe es eine Regelung im Gesetzentwurf. Doch die lasse „so große Lücken, dass ein Export des Atommülls aus dem Versuchsreaktor Jülich in die USA nach wie vor nicht vom Tisch ist“, wie es Thorben Becker formulierte.
  • Greenpeace forderte, das StandAG „zugunsten eines tatsächlichen Neustarts in der Atommüllfrage“ komplett zurückzunehmen, so Mathias Edler in seiner schriftlichen Stellungnahme. Krankheitshalber wurde er bei der Sitzung von Ulrich Wollenteit vertreten, der kritisierte, dass die Tiefenlagerung des Atomabfalls als einziger Weg ins Auge gefasst werde. Für Edler kommt die „höchste Bedeutung“ der Entwicklung und dem Bau von neuen, längerfristigen Zwischenlagern zu. Schließlich gehe „die überwiegende Mehrheit aller Experten“ inzwischen bei der Endlagersuche von „wesentlich längeren Zeiträumen“ aus, als sie der Zeitplan der Bundesregierung (2031 Standortentscheidung, 2050 Inbetriebnahme) vorsehe.
  • Die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow Dannenberg setzte sich dafür ein, dass Gorleben endgültig von der Endlagersuche ausgenommen wird. „Der Standort kann nicht mehr objektiv betrachtet werden und sollte deshalb nur noch als Steinbruch für eine umfassende Fehleranalyse genutzt werden“, so Martin Rudolf Donat.
  • Zahlreiche Fragen kreisten um das neue „Nationale Begleitgremium“. Dem Gesetzentwurf zufolge soll es sich „unabhängig und wissenschaftlich mit sämtlichen Fragestellungen das Standortwahlverfahren betreffend befassen, die zuständigen Institutionen jederzeit befragen und Stellungnahmen abgeben“ können. Doch das reiche nicht, meinte dessen Co-Vorsitzender Prof. Klaus Töpfer. „Unbedingt hinzukommen“ müsse die Pflicht der beteiligten Institutionen, dem Gremium „auch in angemessenem Umfang und in zeitnaher Frist zu antworten“. Zudem fehle die Verpflichtung von Institutionen und Akteuren, auf die Stellungnahmen des Gremiums zu reagieren. Für das Gremium gebe es „keine Blaupause“, stellte Töpfer fest. Er sehe sich mit seinen acht Mitstreitern in einer „hohen Verantwortung“ – nämlich, „Vertrauen zu bilden“. Die Arbeit könne „zu einer Stärkung von Demokratie“ führen. Allerdings müsse das ehrenamtliche Gremium hinreichend ausgestattet sein – von der Geschäftsstelle bis hin zur finanziellen Ausstattung etwa für Reisen oder Sachverständigen-Anhörungen.
  • Die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände mahnte eine „umfassende Einbindung der betroffenen kommunalen Gebietskörperschaften“ an. Dies sei „unerlässlich“, befand Torsten Mertins. Spätestens bei oberirdischen Erkundungen würden sich die Bürger an die kommunalen Stellen und Politiker wenden: „Bürger treten mit Sorgen und Nöten als erstes an die kommunale Ebene heran.“ Ein „sehr wichtiger Punkt“ sei auch die Frage, was mit der Kommune passiert, in der das Endlager angesiedelt werden soll – etwa die Frage eines Ausgleichs. Das müsse „jetzt schon“ ins Gesetz geschrieben werden, damit klar sei: „Die Kommune, die es treffen wird, wird nicht allein gelassen.“

(hib/FLA/08.03.2017)

Liste der geladenen Sachverständigen

  • Hartmut Gaßner
  • Hubert Steinkemper
  • Dr. Ulrich Kleemann
  • Prof. Dr. Barbara Reichert
  • Prof. Dr. Klaus-Jürgen Röhlig
  • Thorben Becker, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND)
  • Ulrich Wollenteit, Greenpeace e.V.
  • Martin Rudolf Donat, Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg e.V.
  • Dr. Torsten Mertins, Deutscher Landkreistag
  • Prof. Dr. Klaus Töpfer, Nationales Begleitgremium
  • Ursula Heinen-Esser, Bundesgesellschaft kfür Endlagerung
  • Wolfram König, Bundesamt für kerntechnische Entsorgung
  • Prof. Dr. Ralph Watzel, Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe

Folgt: BUND: Bundestag muss Standortauswahlgesetz zur Atommülllager-Suche nachbessern