Alarmierende Werte bei Abgasmessungen an Bord des Kreuzfahrtschiffes
Aus dem Schornstein der AIDA Prima raucht es gewaltig: Das ARD-Verbrauchermagazin „Plusminus“ dokumentierte bei verdeckten Messungen an Deck eine erschreckend hohe Konzentration besonders gesundheitsgefährdender Kleinstpartikel. Der Ozeanriese ist nicht so sauber, wie das Unternehmen behauptet. Leider lehnen die Reeder nach wie vor das Angebot ab, mit dem NABU und unabhängigen Gutachtern offizielle Messungen auf ihren Schiffen durchzuführen und die Ergebnisse zu veröffentlichen.
plusminus: „Dicke Luft durch Kreuzfahrtschiffe“
– Die beliebten Kreuzfahrtschiffe haben aufgrund der verwendeten Kraftstoffe einen immensen Schadstoffausstoß.
– Passagiere und Personal auf Schiffen sind einer großen Mengen von ultrafeinen Rußpartikeln ausgesetzt, die krebserregend sein können.
– Grenzwerte, wie es sie für Autofahrer gibt, sind für die Schifffahrt nicht geplant.
Vor kurzem haben französische Journalisten sehr hohe Feinstaubwerte bei einer Kreuzfahrt im Mittelmeer gemessen. Auf diesem Schiff sollte alles anders werden. Die 2016 vom Stapel gelaufen. Neueste Technik und eine „umfassende Abgasnachbehandlung“ versprach der Konzern. So würden viele Schadstoffe zu „90 – 99 Prozent reduziert.“
Video: daserste.de/iPlusminus_08-03-2017_Kreuzfahrtschiffe-100.html
Plusminus weiter: Besonders hohe Werte hinter den Schornsteinen – An der Uni Rostock erforschen Chemiker, Mediziner und Biologen gemeinsam die Auswirkungen ultrafeiner Rußpartikel auf das menschliche Lungengewebe. Ralf Zimmermann vom Helmholtz Zentrum: „Bei einem modernen Fahrzeug, da werden die Partikel weitestgehend entfernt, durch den Partikelfilter. Das ist beim Schiffsmotor nicht der Fall, dort gibt es keine Partikelabscheidung. Und wir sehen eine große Anzahl von Feinstaubpartikeln, Nanopartikeln, die eben auch Schadstoffe tragen wie die Polyaromaten, die eben krebserregend sind und auch Entzündungen auslösen“. Die drei- bis vierfache Belastung einer Großstadtkreuzung. Die Spitzenwerte gehen über 250.000, bei einer zweiten Messung am selben Tag sogar bis zum Anschlag des Geräts bei 500.000.
Die Betreiber zweifeln in einer achtseitigen Stellungnahme die Messdaten und die Messmethode an und erklärt, dass: „… einzelne Zufallsmessungen, die nicht nach wissenschaftlichen Standards und Methoden (…) und ohne die erforderlichen Messgeräte stattfinden, keine tragfähige Tatsachengrundlage für die Behauptungen bilden, die in ihrer Anfrage zum Ausdruck kommen.“ Auch die Experten des Naturschutzbundes bekommen keine offiziellen Daten. So sind auch sie auf eigene Messungen angewiesen. Zu unseren Ergebnissen meint Daniel Rieger vom NABU: „Die Messwerte, die wir jetzt gesehen haben, haben unsere schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Die Abgastechnik, die vor Jahren versprochen wurde, die ist nach die vor nicht in Betrieb, die Abgasbelastung an Deck ist katastrophal hoch und von daher ist von dem lange angekündigten umweltfreundlichsten Kreuzfahrtschiff aller Zeiten nun wirklich nicht die Rede.“
Das Problem: Fast alle Schiffe fahren mit Schweröl – einem Abfallprodukt der Raffinerien, das an Land als Sondermüll entsorgt werden müsste. Einige wenige Schiffe, laut AIDA auch die Prima, fahren inzwischen auch mit so genanntem „Marinediesel“. Der enthält zwar weniger Schwefel als Schweröl, wird aber von Umwelt-Experten als kaum besser eingestuft. Ralf Zimmermann vom Helmholtz Zentrum macht klar: „Die Rußemission ist ähnlich hoch wie beim Schweröl. Von daher ist also auch für ein Marinediesel-getriebenes Schiff eine Filterung aus Gesundheitssicht unbedingt erforderlich.“
Der Nabu:
Die Abgaswerte auf der AIDA Prima sind erschreckend hoch, Crew und Passagiere an Bord werden einer Konzentration gesundheitsgefährdender Luftschadstoffe ausgesetzt, die weit über dem Niveau stark befahrender Straßen liegen. Die dokumentierten Messwerte sind zudem ein eindeutiger Hinweis darauf, dass der von AIDA angekündigte Partikelfilter auch fast ein Jahr nach der Jungfernfahrt immer noch nicht in Betrieb ist. Hier werden Kunden und Öffentlichkeit bewusst mit falschen Versprechungen über die tatsächlichen Umweltauswirkungen des AIDA-Flaggschiffs getäuscht.
Erst im Januar veröffentlichte das französische TV-Magazin „Thalassa“ erstmals Ergebnisse verdeckter Abgasmessungen auf einem Kreuzfahrtschiff während einer Mittelmeerreise. Dass nun auf einem weiteren Kreuzfahrtschiff die hohe Abgasbelastung an Deck belegt werden kann, weist klar darauf hin, dass es sich nicht um Einzelfälle, sondern ein grundsätzliches Problem der Kreuzfahrtbranche handelt. Der NABU hatte zuvor bereits mehrfach die extreme Abgasbelastung in Hafenstädten und an Kreuzfahrtterminals nachgewiesen und die Reeder auf die gesundheitsgefährdende Wirkung hoher Feinstaubkonzentrationen aufmerksam gemacht. Bereits im vergangenen Jahr konnte der NABU zudem aufdecken, dass das vollmundig angepriesene Filtersystem der AIDA Prima nicht in Betrieb war, was das Unternehmen darauf hin auch eingestand.
Sparen zulasten von Gesundheit und Umwelt
Leider lehnen die Reeder nach wie vor das Angebot ab, mit dem NABU und unabhängigen Gutachtern offizielle Messungen auf ihren Schiffen durchzuführen und die Ergebnisse zu veröffentlichen. Die Branche weiß um das Problem, weigert sich aber aus Kostengründen, auf das giftige Schweröl zu verzichten und die nötigen Filter einzusetzen.
2013 hatte AIDA angekündigt, bis Ende 2016 die gesamte Flotte mit Rußpartikelfiltern und Stickoxidkatalysatoren auszurüsten. Dieses öffentliche Statement des deutschen Branchenführers wurde von Umweltverbänden wie dem NABU als wichtiges und überfälliges Zeichen gewertet, die niedrigen Umweltstandards auf See durch freiwillige Maßnahmen anzuheben. Auch auf die Verwendung von Schweröl wollte das Unternehmen auf seinen neuen Schiffen verzichten. Bis heute wurde keine dieser Ankündigungen realisiert.
Derweil raten sowohl die Deutsche Lungenstiftung wie auch der Pneumologenverband Menschen mit chronischen Atemwegserkrankungen, sich aufgrund der Abgasbelastung nur in bestimmten Bereichen an Deck von Kreuzfahrtschiffen aufzuhalten und das Einatmen von Schiffsabgasen zu vermeiden. Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stufte Dieselabgase unlängst als ebenso krebserregend ein wie den Gefahrenstoff Asbest.
->Quellen: