Dominoeffekt im Amazonas-Regenwald kann Biodiversität helfen?

Dürreperioden setzen Abwärtsspirale in Gang

Der Waldverlust durch Abholzen im Amazonasgebiet und die mögliche Abnahme der Regenfälle dort könnten einen Teufelskreis in Gang bringen. Wenn Trockenzeiten mit dem menschengemachten Klimawandel zunehmen, so steigt zusätzlich das Risiko eines sich selbst verstärkenden Waldverlustes, so hat ein internationales Team von Wissenschaftlern unter anderem von der TU München und dem PIK Potsdam herausgefunden und am 13.03.2017 in Nature Communications veröffentlicht.

Wenn allerdings ein großer Artenreichtum von Bäumen in einem Waldabschnitt lebt, so kann das dessen Überlebenschancen merklich steigern. Um dieses nicht-lineare Verhalten aufzuspüren, haben die Forscher eine neuartige Analyse komplexer Netzwerke angewendet.

Weniger Niederschlag steigert im Amazonas-Regenwald das Baumsterben. Weniger Bäume verschärfen regionale Trockenzeiten und dies mündet in eine sich selbst verstärkende Abwärtsspirale. – Zerstörter Regenwald bei Homoxi-Jeremias, Roraima_Brasilien – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

„Der Regenwald des Amazonas ist eines der Kipp-Elemente im Erdsystem“ (s.u.), sagt Leit-Autorin Delphine Clara Zemp, sie hat die Studie am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) durchgeführt. „Wir wissen bereits, dass einerseits geringerer Niederschlag die Gefahr des Waldsterbens erhöht. Andererseits kann der Waldverlust auch regionale Trockenheit verstärken. Mehr Dürren können also zu weniger Waldbedeckung führen, was wiederum zu mehr Dürren führen kann und so weiter. Die Folgen dieser Rückkopplung zwischen Pflanzen und der Atmosphäre war aber bislang nicht klar. Unsere Studie zeigt das Risiko eines sich selbst verstärkenden Waldverlustes, der noch zusätzlich zu dem Waldverlust entsteht, der direkt durch weniger Regen ausgelöst wird.“ Zemp ist heute an der Georg-August-Universität Göttingen; die Untersuchung ist Ergebnis einer Forschungsgruppe zu dynamischen Phänomenen in komplexen Netzwerken (IRTG1740) mit der Humboldt-Universität zu Berlin.

Selbstverstärkender Effekt bewirkt zusätzlichen Waldverlust

Wenn sich in der Trockenzeit die Niederschlagsmenge im Amazonasgebiet halbieren würde, könnten mindestens 10 Prozent des Waldes allein durch den Effekt der Selbstverstärkung verloren gehen, zusätzlich zu dem erheblichen direkten Waldverlust durch Trockenheit. Computer-Simulationen der Wissenschaftler legen nahe, dass dies vor 20.000 Jahren im Amazonas-Regenwald schon einmal geschehen sein könnte, dies passt auch zu Belegen aus der Erdgeschichte.

Die Wissenschaftler betonen aber, dass es Unsicherheiten gibt. Wenn man die noch nicht völlig verstandenen Rückkopplungen zwischen Vegetation und Atmosphäre mit einbezieht, dann könnte der sich selbst verstärkende Waldverlust sogar bis zu 38 Prozent des Amazonasbeckens treffen. In Verbindung mit den direkten Effekten der Dürren wäre damit letztlich der Großteil des Amazonas-Regenwaldes in Gefahr.

 

Tropische Regenwälder erzeugen viel von dem Wasser, das sie benötigen, aus sich selbst heraus – sie verdunsten Feuchtigkeit, die dann wieder auf sie herab regnet.„Der Wasserkreislauf des Amazonas-Regenwaldes ist natürlich reine Physik und Biologie, aber er ist auch eines der großen Wunder der Natur“, sagt Ko-Autor Henrique M.J. Barbosa von der Universidade de São Paulo in Brasilien. „So machtvoll dieser Kreislauf ist, so ist er doch zugleich erstaunlich empfindlich für Umweltveränderungen – und die Menschheit stört das Amazonasgebiet massiv, sowohl durch die Abholzung von tropischen Bäumen als auch indirekt über die Erwärmung der Atmosphäre durch Treibhausgase aus fossilen Brennstoffen. Dies verringert den großräumigen Transport von Feuchtigkeit und trifft am Ende sogar die zuvor unberührten Teile des Waldes.“

Ausgedehnte Trockenzeiten erhöhen das Risiko des Kippens

„Derzeit nimmt im Süden und Osten des Amazonaswaldes der Niederschlag während der Regenzeit zu und während der Trockenzeit ab, das liegt an sich verändernden Temperaturen an der Oberfläche des Ozeans, die den Feuchtetransport zwischen den Tropenregionen beeinflussen“, sagt Ko-Autorin Anja Rammig von (TU München und PIK). „Es ist noch unklar, ob dies sich so fortsetzt; aber jüngste Projektionen, die mit Beobachtungsdaten abgeglichen wurden, weisen darauf hin, dass in den Trockenzeiten die Niederschlagsmengen weiter abnehmen könnten.“

Sogar wenn die durchschnittlichen Regenmengen sich nicht drastisch verändern, könnte eine Verlängerung von zwischenzeitlichen Dürren Teile des Amazonaswaldes kippen, hin zu dem sich selbst verstärkenden Waldverlust. „Die bis Ende unseres Jahrhunderts vorhergesagten Veränderungen der Regenfälle werden kein vollständiges Absterben des Amazonaswaldes auslösen“, sagt Ko-Autor Carl Schleussner vom wissenschaftlichen Think-Tank Climate Analytics (und PIK). „Aber unsere Ergebnisse legen nahe, dass große Teile des Waldes durchaus in Gefahr sind.“

Interessanterweise scheint der Amazonaswald umso weniger verletzlich zu sein, je vielfältiger seine Pflanzenwelt ist. Biodiversität hat das Potenzial, die Auswirkungen des sich selbst verstärkenden Waldverlustes zu verringern.

„Weil jede Art auf andere Weise auf Belastungen reagiert, kann das Vorhandensein einer großen Vielfalt von Arten die Widerstandsfähigkeit des Ökosystems verbessern“, sagt Ko-Autorin Marina Hirota von der Universität von Santa Catarina in Brasilien. „Beim Erhalt von Biodiversität könnte es also nicht bloß um die Liebe zu Bäumen und Kräutern und Vögeln und Käfern gehen; die Biodiversität könnte vielmehr ein Hilfsmittel zur Stabilisierung von wichtigen Elementen des Erdsystems sein.“

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