Pressekonferenz im Außenamt zum Energy Transition Dialogue
Zum Auftakt des Berlin Energy Transition Dialogue im Berliner Auswärtigen Amt gaben IRENA und Mitveranstalter Bundesverband Erneuerbare Energie (siehe solarify.eu/towards-a-global-energiewende) gemeinsam mit dem Solar-Flugpionier Bertrand Piccard eine Pressekonferenz. Solarify fasst zusammen.
Den Auftakt machte Piccard, der im Juli 2016 mit seinem Solarflugzeug Solar Impulse seine Erdumrundung ohne einen Tropfen Treibstoff beendet hatte (siehe: solarify.eu/solar-impulse-wieder-zurueck). Was Besonderes an Solar Impulse gewesen sei, fragte Piccard rhetorisch: „Zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte flog ein Flugzeug ohne Treibstoff um die Welt. Bei der ersten Präsentation sagten die Verantwortlichen nach genau sechs Minuten, das geht nicht. Sie hatten ein altes Paradigma – wir müssen die Paradigmen ändern.“
Piccard brachte ein Beispiel für den geforderten Wechsel eines Denkschemas aus seiner Familie: Als sein Urgroßvater das erste Telefon, eine Kabel-Verbindung zwischen dem Büro und seinem Haus, installiert hatte, lud er alle Kollegen ein, und rief seine Frau an. „Sehr schön“, sagte sie, „aber das hat überhaupt keine Zukunft!“ Ein falsches Denkmuster: Sie dachten, wenn jeder mit jedem telefonieren wolle, müsste künftig jedes Haus mit allen anderen per Kabel verbunden werden. Sie konnten sich (noch) nicht vorstellen, dass bald Zentralen entstanden, die Telefonanrufe verbinden konnten; jeder brauchte nur ein Kabel zur Zentrale – ein Paradigmenwechsel.
Einen ebensolchen Wechsel des Denkschemas macht die Erkenntnis notwendig, dass Energiesparen profitabler ist als Energieproduktion – wirklich profitabel aber ist die Kombination aus Energiesparen und Erneuerbarer Energieproduktion. So wird die Energiewende profitabel.
Piccard: „Sechs Jahre nach der ersten Vorstellung (nach den sechs Minuten bis zur Ablehnung) umrundeten wir die Welt. Wir haben einmal geglaubt, die Erneuerbaren Energien würden niemals ausreichen, um die ganze Welt zu versorgen – falsches Paradigma!“ Eine neue Vision ist laut Piccard nötig, speziell für Europa: „Wir haben fast kein Wachstum mehr, weil die Industrie uns nur das gibt, was wir eh schon haben: Verbrennungsmotoren, schlecht isolierte Häuser, schlechte Heiz- und Kühlanlagen.“
Der Schweizer Luftfahrtpionier, dessen Großvater Auguste Piccard 1932 mit einem Ballon bis auf 16.940 m Höhe in die Stratosphäre fuhr, und dessen Vater Jacques mit dem Tieftauch-U-Boot im Marianengraben mit 10.916 m den Tiefseetauchweltrekord aufstellte, will „das Wachstum durch saubere Energien wieder erwecken, die Wirtschaft wieder mit der Hoffnung versöhnen: Wir wechseln vom Umweltproblemmodus, der Verschmutzung, des Klimawandels zu einem Lösungsmodus.
Bisher war die Redeweise negativ: Klima, Umwelt, Flüchtlinge – alles war ein Problem.“Wir reden oft von der EW als Problem. Aber die Menschen haben es satt, ständig mit Problemen bombardiert zu werden, und denken, „ich bin ja eh zu klein, um etwas beizutragen.“ Ich bewundere die Deutschen und ihre Regiwerung, denn sie haben das Gegenteil bewiesen. Wir brauchen Führung – nicht damit man uns sagt, was gemacht werden soll, sondern warum. „Protection of our Future and our quality of life is our vision“.
Daher sei die Botschaft der Solar Impulse – die kein Flugzeug darstelle, sondern ein Vision. Als Initiator der „World Alliance of Efficient Solutions“ kündigtw Piccard an: „Wir sammeln jetzt 1.000 verschiedene Lösungen, profitable Lösungen, um die Umwelt zu schützen.“ Startups, Stiftungen, Einzelpersonen hätten Lösungen, es sei kein Mangel an Lösungsvorschlägen, aber sie würden nicht verstanden, gar nicht gehört oder nicht bekannt, oder es fehle an Mut und Geld, sie umzusetzen – also kämen sie nicht auf den Markt.
Piccard: „Überall gibt es Lösungen – wir müssen diese Lösungen nur aufgreifen, sie gewichten und eine Liste aufstellen, sie anschließend in die Medien bringen – schließlich zu den Vereinten Nationen gehen und die Regierungen beraten, welche Lösungen passen könnten“. Der Solar Impulse-Flug demonstriere: selbst für Klimaleugner seien die Lösungen profitabel. Piccard bewundert die deutsche Regierung für das, was sie inzwischen erreicht habe: „Deutschland muss weitermachen, denn es ist ein Leuchtturm für die Welt.“
Gegen Ende seiner Rede vor dem Plenum kam Piccard dann auf den Titel „Pionier“ zu sprechen: „Pioniere werden zuerst für verrückt gehalten, später nennt man ihre Ideen ‚offensichtlich‘ – das ist das Schicksal von Pionieren. Lasst uns Pioniere sein!“
Gute Nachricht: 90 Prozent Emissionsverringerung technisch möglich
Henning Wüster, Direktor des Wissens-, Politik- und Finanzzentrums der IRENA, ehemaliger Sonderberater des UNFCCC-Exekutivsekretärs, sagte zur gemeinsamen Studie von IEA und IRENA Perspectives for the energy transition: Investment needs for a low-carbon energy system, der Übergang zu einer CO2-freien Energiezukunft sei kompatibel mit der Zwei-Grad-Grenze von Paris: „Wir zeigen, dass das wirklich möglich ist. Mit einem Mix von Maßnahmen.“ Ein wenig sei das wie Solar Impulse – wichtig sei Energieeffizienz, wir müssten dramatisch zu Erneuerbaren Energien wechseln. „90 Prozent Emissionsverringerung sind technisch möglich. Das ist die gute Nachricht.“
Wichtiger als die technische Anwendung sei aber ein Mentalitätswechsel – weniger Atom oder CCS – als eine grundlegende Energiewende weltweit. Darin Energie-Effizienz-Maßnahmen, Senkung des Energieverbrauchs. Das Energiesystem bis 2015 auf 65% Erneuerbare Energien umzustellen benötige zwar „herausfordernde Investitionen, ist aber nicht dramatisch, das ist zu stemmen – kostet nicht mehr als 4% des BIP. Die gute Nachricht ist zudem, dass das Investment einen Anreiz für die Wirtschaft schafft, es wird Wachstum anregen.“ Momentan warte ohnehin viel Kapital auf Investitionen – wenn wir das nutzten, bestehe eine reelle Chance.
Der Ökonom und ehemalige Assistenzprofessor an der Universität München ist sich sicher: Die Beschäftigung in den fossilen Energien werde abnehmen, das aber mehr als ausgeglichen durch neue Jobs im Erneuerbare-Energien-Bereich: für 2050 würden 5 Millionen neue Arbeitsplätze erwartet. Der Nutzen werde mehr als doppelt die Nachteile aufwiegen. Wichtig für Wüster: „Es muss schnell gehen. Wir müssen die richtigen Signale jetzt stellen. Je länger die Regierungen warten, desto teurer wird es. 10 Billionen Stranded Assets drohen dann.“ (Wüsters Präsentation hier)
Zustimmung wächst beständig
Rainer Hinrich-Rahlwes vom BEE diagnostizierte starkes politikgetriebenes Wachstum der Erneuerbaren Energien. Der Transportsektor sei zwar noch zurück, aber die Förderung der E-Mobilität werde dem Verkehrssektor auf lange Sicht aufhelfen. Wertschöpfende Investment seien sehr bedeutend, so der Ex-EREF-Präsident – alle Gerüchte über Rückschläge und Behinderungen falsch: „Der weit überwiegende Teil der Bevölkerung ist dafür – je mehr die Menschen darüber wissen, desto mehr befürworten sie die Energiewende.“
In den USA wachse die Opposition gegen die Klimapolitik der Regierung Trump. Investoren erkennen, dass die Kosten für die Erneuerbaren Eenergien abnehmen, die US-Regierung könne „ein wenig die Geschwindigkeit bremsen, mehr nicht“. Wüster dazu: Die Erneuerbaren würden sowohl von Republikanern wie auch Demokraten in einzelnen Bundesstaaten unterstützt – er glaube nicht, dass selbst in den USA jetzt noch ein Investor Geld in ein Kohlekraftwerk stecken werde, das 40 Jahre laufen soll. (Gerhard Hofmann)
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