Parlament drängt Kommission und Mitgliedsländer – Neue Regelungen zur Verhinderung weiterer Abgasskandale – unverbindlich
Unglaubliche Versäumnisse publiziert die Presseabteilung des Europäischen Parlaments: Die EU-Mitgliedstaaten und die Kommission hätten schon vor mehr als zehn Jahren Bescheid gewusst, dass die auf der Straße gemessenen NOx-Emissionen von Dieselfahrzeugen deutlich höher waren als in Labortests. Ob aus Schlamperei, Nachlässigkeit oder auf Druck der Autoschmieden – die meisten EU-Mitgliedstaaten samt der Kommission hätten es versäumt, gegen Manipulationen der Hersteller bei Emissionstests entsprechend vorzugehen, so der Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses für die Emissionsmessung im Automobilsektor, der am 04.04.2017 verabschiedet worden ist.
Abschalteinrichtungen schon vor dem Skandal verboten
„Versagen auf allen Ebenen“, „EU-Vorschriften über Abgastests zu schwach“, „schon 2004 hat es ausreichende Hinweise gegeben“, „Betrug hätte verhindert werden können“ – sehr peinlich lauten die Überschriften über dem organisierten Staats-, Regierungs- und Politikversagen, das Zigtausende Menschen das Leben gekostet hat. Jetzt soll jedenfalls der Brunnen zugedeckt werden. In ihren Empfehlungen schlagen die Abgeordneten verschiedene Maßnahmen vor, um Betrugsfälle in Zukunft zu verhindern.
Der Untersuchungsausschuss war im Zuge des VW-Abgasskandals im Dezember 2015 eingesetzt worden. Die EU-Abgeordneten kamen zu dem Schluss, dass es sowohl die EU-Kommission als auch die Mitgliedstaaten versäumt haben, Luftqualität und öffentliche Gesundheit angemessen zu schützen. Die Diskrepanzen zwischen Labortests und realen Fahrbedingungen auf der Straße seien kein Geheimnis gewesen und die Verwendung von Abschalteinrichtungen („Defeat services“) bereits vor dem Abgasskandal verboten. Die zuständigen Behörden, sowohl auf nationaler als auch europäischer Ebene, hätten jedoch ihre Verantwortung vernachlässigt, weitere Untersuchungen anzustellen, so die Abgeordneten.
Mitberichterstatter Gerben-Jan Gerbrandy dazu: „Die Mitgliedstaaten waren sehr, sehr salopp bei der Umsetzung des europäischen Gesetzes. Sie waren mehr auf die Interessen der nationalen Autoindustrie als auf die Interessen der Bürgerinnen und Bürger sowie auf die Luftqualität bedacht.“
Die EU-Abgeordneten fordern für die Automobilindustrie eine verstärkte EU-Aufsicht mit klar definierten Verantwortlichkeiten. Eine EU-Gesetzgebung für Tests unter realen Fahrbedingungen, die eine große Bandbreite an Fahrbedingungen abdeckt, sowie „Überraschungsprüfungen“ ermöglicht, solle rasch verabschiedet werden. Schließlich sollten die verantwortlichen Automobilhersteller die Verbraucher, die vom Skandal betroffen sind, entschädigen.