EU zweifelt an neuer Kapazitätsreserve

Beihilfeverfahren gegen Deutschland eingeleitet

Die EU-Kommission bezweifelt, ob die von Deutschland geplante neue sogenannte Kapazitätsreserve, über die in Notfällen die Stromversorgung sichergestellt werden soll, überhaupt nötig ist. Daher leitete die Brüsseler Behörde einer Medienmitteilung vom 07.04.2017 zufolge eine „eingehende Prüfung“ – sprich: ein Beihilfeverfahren – ein, ob die Pläne mit den EU-Vorschriften im Einklang stehen oder den Wettbewerb insofern verfälschen, als sie Kraftwerksbetreiber gegenüber Lastmanagern begünstigt.

KKW Niederaußem (RWE) – Foto © Franziska Vogt für Solarify

Bei der geplanten strategischen Kapazitätsreserve geht es um Kraftwerks-Kapazitäten von insgesamt 2 GW außerhalb des Marktes, die nur bei Versorgungsengpässen hochgefahren werden sollen, um auf unvorhersehbare Entwicklungen beim Übergang zu erneuerbaren Energien reagieren zu können. Per Ausschreibung soll die Leistung von den Versorgern bereit gestellt werden und nur im Notfall zum Einsatz kommen. Wie groß die Reserve sein muss, will die Bundesregierung regelmäßig überprüfen. Die EU-Kommission bezweifelt nun allerdings, ob die Kraftwerke danach auch wieder abgeschaltet werden – d.h., dass die Kapazitätsreserve werden solle, sobald die Reformen auf dem deutschen Strommarkt griffen. Die Regelung soll ab Winter 2018/2019 zunächst zwei Jahre lang gelten. Danach könnte die ursprüngliche Reserve von 2 GW verlängert und aufgestockt werden.

[note Meldungen, die EU-Kommission prüfe die in Deutschland in Reserve gehaltenen Braunkohlekraftwerke, sind falsch. Die Braunkohle-Reserve wurde nach einer Prüfung bereits von Brüssel genehmigt. Aktuell geht es der Kommission um eine künftige Stromreserve.]

Eine solche vertiefte Überprüfung könnte in ein Vertragsverletzungsverfahren münden, falls Kommission und Bundesregierung keine Verständigung erreichen. EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager erklärte, Deutschland habe ein „berechtigtes Interesse, die Versorgungssicherheit seiner Unternehmen und Bürger zu gewährleisten“. Aufgabe der Kommission sei es aber, sicherzustellen, dass die Unternehmen nur dann staatliche Beihilfen erhalten, „wenn dies wirklich erforderlich ist“. Außerdem dürften die Beihilfen „den Wettbewerb nicht verfälschen. Wir haben derzeit Zweifel an der Erforderlichkeit dieser Maßnahme und Bedenken bezüglich ihrer Ausgestaltung“.

Die Kommission genehmige Kapazitätsmechanismen nach den EU Beihilfevorschriften von 2014 nur dann, wenn der betreffende Mitgliedstaat nachgewiesen habe, dass sie erforderlich und zur Verwirklichung des angestrebten Ziels geeignet seien. Zudem müsse der Mechanismus allen Kapazitätsanbietern offenstehen. Sie habe Zweifel an der Bewertung, die Deutschland in Bezug auf die Erforderlichkeit der Maßnahme vorgenommen habe. Daher werde sich Brüssel nun detailliert mit den Annahmen und Szenarien auseinandersetzen, welche die Bundesregierung bei der Berechnung der Entwicklung von Angebot und Nachfrage im Stromsektor zugrunde gelegt habe.

[note Wörtlich aus der Pressemitteilung: „Die Kommission hat momentan den Eindruck, dass nicht geplant ist, die Kapazitätsreserve aufzulösen, sobald sämtliche Reformen auf dem deutschen Strommarkt greifen. Die Regelung soll ab Winter 2018/2019 zunächst zwei Jahre lang gelten. Danach könnte die ursprüngliche Reserve von 2 GW verlängert und aufgestockt werden. Selbst wenn sich die Auffassung Deutschlands, dass die Kapazitätsreserve erforderlich ist, bestätigen sollte, könnte die Maßnahme also auch dann noch durchgeführt werden, wenn sie nicht länger benötigt wird. Die Kommission ist derzeit zu dem Schluss gelangt, dass Deutschland vielleicht nicht alle möglichen Marktreformen durchgeführt hat, die den Markt dazu in die Lage versetzen würden, die Versorgungssicherheit zu möglichst geringen Kosten und ohne staatliche Eingriffe zu gewährleisten. Selbst gut konzipierte Kapazitätsmechanismen können jedoch entscheidende Reformen des Strommarkts nicht ersetzen. Die Kommission wird nun prüfen, ob ihre anfänglichen Bedenken gerechtfertigt sind. Die Einleitung eines eingehenden Prüfverfahrens gibt Deutschland und Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme. Das Verfahren wird ergebnisoffen geführt.“ Brüssel bat die Beteiligten um Stellungnahmen.]

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