Geht es nur um Befindlichkeiten?
Ja. Das ist auch legitim. Und was man erkennen muss – auch für unsere eigene Politik: Es gibt in der jetzigen US-Regierung ein großes Bedürfnis, gegenüber Berufen und Sektoren und Branchen, die im Rückzug sind, Wertschätzung zu zeigen. Davon können wir auch lernen. Wir haben uns auf den Weg gemacht, einen Strukturwandel anzugehen. Ich bin jetzt eher noch mehr sensibilisiert. Eine Anti-Stimmung gegen Klimaschutz ist leicht zu erzeugen, das ist kein Privileg der USA. Sich davor zu schützen, ist wichtig. Deshalb muss man überlegen, dass wir den Umbau des Energiesystems nicht nur mit einem Nettogewinn an Arbeitsplätzen hinbekommen, sondern auch auf die individuellen Jobsituationen achten.
Denken Sie, dass die EPA unter Scott Pruitt dazu in der Lage ist?
Scott Pruitt muss zunächst einmal sein Team innerhalb der EPA aufbauen, mit dem er die Präsidial-Verordnung umsetzen wird. Das, was ihm der Präsident überreicht hat, ist ja zunächst einmal der Auftrag, die bestehende Gesetzgebung zu überprüfen und, wenn möglich, durch etwas anderes zu ersetzen.
Welchen Einfluss könnte die US-Linie auf die Weltklimapolitik haben?
Im Energiebereich mache ich mir da keine Sorgen. Wir wissen, dass neue Atomkraftwerke oder neue Kohlekraftwerke nicht wettbewerbsfähig mit erneuerbaren Energien sind. Diese Schere geht auch weiter auseinander. Das hat wenig Rückwirkung auf uns. Wichtig ist: Was passiert bei den großen US-Industrien? Da ist eine starke Entbürokratisierung angekündigt worden. Wir vermuten, dass dahinter auch Standardabsenkungen stehen. Und das würde für uns weitere Anstrengungen erfordern, um unsere Industrie vor unfairem Wettbewerb zu schützen.
Unsere Industrieverbände stellen schon die ersten Forderungen.
Wenn sich die Wettbewerbsverhältnisse durch die Absenkung von Umweltstandards irgendwo in der Welt ändern, dann haben wir genau zwei Möglichkeiten: Entweder wir senken unser Klimaschutzengagement auch. Oder wir müssen so etwas wie eine Brandmauer errichten. Sonst verliert man diese Auseinandersetzung politisch. Deshalb sage ich: Klimapolitik muss ambitioniert sein, in der Europäischen Union eher ehrgeiziger als jetzt. Gegebenenfalls müssen wir aber auch über Schutzmechanismen nachdenken.
Wie ist nach dem USA-Besuch Ihr Eindruck, was die amerikanische Rolle im internationalen Klimaprozess angeht?
Alle fragen sich natürlich, ob die USA im Klimaabkommen von Paris bleiben oder nicht. Unser Anliegen – und das vieler anderer Länder – ist es, dass die USA dabei bleiben. Das habe ich der US-Administration gesagt. Deshalb kann ich auch nicht viel damit anfangen, wenn der Bundesregierung vorgeworfen wird, dass wir schweigen, wenn Trump die Abrissbirne an die internationale Klimapolitik anlege. Einerseits tun wir das nicht. Andererseits wäre Poltern so ziemlich das Falscheste, was man machen kann. Es geht eher darum, den USA Brücken zu bauen, damit sie dabei bleiben. Ein Austritt wäre schlecht, weil er für lange Zeit nicht zu reparieren wäre.
Und wie kann man die USA im Abkommen halten?
Vor allem ist es wichtig, im Gespräch zu bleiben. Ich habe Scott Pruitt nach Deutschland eingeladen. Im Herbst wollte er ohnehin hierher kommen. Ich habe ihn eingeladen, auch nach Berlin zu kommen. Wir haben auch Felder identifiziert, die ihn interessieren. Beispielsweise Altlasten, ein großes Thema in den USA. Wir haben in Deutschland viel Erfahrung mit der Beseitigung von Altlasten, sowohl industriellen als auch Kohlealtlasten, oder kommunalen. Da können wir einiges zeigen. Und es ist gut, Anknüpfungspunkte zu haben, die nicht von uns vorgeschlagen werden.
Sie sind auf dem Sprung, ans andere Ende der Welt zu reisen – nach Fidschi. Der pazifische Inselstaat ist der Gastgeber des Weltklimagipfels im November in Bonn. Ein echtes Kontrastprogramm, oder?
Mein Eindruck von der Präsidentschaft des Klimagipfels (COP23) durch Fidschi ist sehr gut. Das Team zur Vorbereitung der Weltklimakonferenz arbeitet absolut professionell. Jetzt werde ich in Suva, der Hauptstadt von Fidschi, sehen, welche Vorstellungen es dort von der Weltklimakonferenz gibt. Ich bin sicher, dass die Zusammenarbeit kollegial sein wird. Wir haben die Rollen geklärt und alles daran gesetzt, dass gar nicht erst die Sorge aufkommt, dass das große Deutschland das kleine Fidschi für eine Marketingveranstaltung in Bonn missbrauchen will. Wir werden unsere Rolle in Demut erfüllen. Umgekehrt wächst dadurch auch die Bereitschaft, auf deutsche Expertise und unser Know-How zurückzugreifen. Es ist völlig klar, wer die Präsidentschaft inne hat und wer assistiert.
Dagmar Dehmer ist seit 2001 Politikredakteurin beim Tagesspiegel, zuständig für die Umweltberichterstattung; besondere Schwerpunkte sind Klimawandel und Energiewende. Außerdem berichtet sie über entwicklungspolitische Themen und über Afrika, speziell Ostafrika und Nigeria. Dagmar Dehmer wurde 2010 mit dem von der Deutschen Umwelthilfe vergebenen Deutschen Umweltmedienpreises ausgezeichnet.
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