Berlin blockt Brüssel

Keine schärferen Abgas-Kontrollen? Gröhe soll aktiv werden.

„Die Bundesregierung blockiert schärfere Kontrollen der Autoindustrie in Europa“, schrieben Markus Balser und Michael Bauchmüller am 24.04.2017 in der Süddeutschen Zeitung. Denn Berlin lehne in zentralen Punkten die von Brüssel geplante Reform ab. Auch die Einführung empfindlicher Geldstrafen für die Autofabriken werde verzögert – die „eigentlich bis Ende Mai geplante Einigung sei kaum noch möglich“, zitieren die Autoren EU-Vertreter. Kommentar von Franz Alt dazu: „Die Bremser und Verschmutzer sitzen hauptsächlich in Deutschland.“ Die DUH fordert Gröhe zum Handeln auf.

Bitte keine Abgase mehr – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

Die Bundesregierung lehne es nämlich auch ab, zur Vermeidung von Interessenskonflikten Prüfdienste wie TÜV und DEKRA nicht mehr direkt von Herstellern, sondern vom Staat über ein Gebührensystem bezahlen zu lassen. Zudem verzögere sie eine Entscheidung über Vorschläge der Kommission, KFZ mit überhöhten Abgaswerten vom Markt zu nehmen. Der Zeitplan für einen Beschluss der zuständigen Minister bis Ende Mai sei kaum noch einzuhalten, .

MdEP Rebecca Harms, Ex-Mitglied im Dieselgate-Untersuchungsausschusses im EU-Parlament laut EurActiv: „Den Regierungen insbesondere der größeren Herstellerländer ist bei der Regulierung ihrer Automobilindustrie nicht zu trauen. Wir brauchen Kontrollen auch auf europäischer Ebene und müssen die direkte Abhängigkeit der Prüfbehörden von den Automobilherstellern aufheben, um Abgasbetrug in Zukunft zu verhindern. Dass die Bundesregierung dies ignoriert, ist verantwortungslos. Der Dieselbetrug belastet Menschen in den Ballungsgebieten, zwingt Städte und Kommunen Fahrverbote zu verhängen und erschüttert die Industrie. Wir sollten alle dafür eintreten Ähnliches in Zukunft zu verhindern.“

Drastischer Kommentar von Franz Alt: „Trump hat recht: Die Feigheit der deutschen Politik“

„Wer gehofft hatte, dass wenigstens der VW-Dieselskandal ein Weckruf sei und die große Koalition zum Umdenken und Umhandeln bringe, sieht sich jetzt enttäuscht. Die Bundesregierung reagiert nach wie vor mit Verdrängen, Verleugnen und Vertuschen. Und nach wie vor sorgt diese große Auto-Koalition in Berlin dafür, dass die EU-Kommission keine schärferen Grenz- und Kontrollrichtlinien für Benzin- und Dieselautos in der ganzen EU einführen kann. Das belegen aktuelle Zahlen des Bundesumweltamtes. Nach wie vor fahren auf   deutschen Straßen Millionen Dieselautos mit vielfach überhöhtem Stickoxid-Ausstoß. Im Schnitt stoßen Diesel dreimal mehr Stickoxide (NOx) aus als offiziell erlaubt – im Extremfall sogar bis zu sechsmal mehr. Das schadet der Umwelt und Millionen Menschen – hauptsächlich Asthmatikern und kleinen Kindern. (Siehe auch: solarify.eu/stickoxid-belastung-durch-diesel-pkw-noch-hoeher)

Die geltenden ‚Grenzwerte‘ sind ohnehin Schönwetter-Grenzwerte und mindestens dreiviertel der Jahreszeit ein Hohn auf die Realität der Dreckschleudern. Bislang wurden Diesel-Motoren unter völlig unrealistischen Bedingungen im Labor getestet. Die deutsche Ingenieurskunst der Autoindustrie hat dafür gesorgt, dass in Wahrheit geschummelt, gelogen und betrogen wird. ‚Grenzwerte‘ werden in der Regel überschritten. Das weiß die Politik seit langem und unternimmt – nichts. Jeder gesetzestreue Bürger muss sich schlicht verarscht vorkommen,  wenn er zusehen muss, dass die Politik gegenüber der mächtigen Autoindustrie jeden Gesetzesverstoß duldet. Politik-, Parteien- und Demokratie-Verdrossenheit sind die logischen Konsequenzen.

Vertrauen ist der Goldstandard jeder Beziehung – auch in der Politik. Wenn dieses Vertrauen in Gesetz und Recht verloren geht, wenn Gesetze und Vorschriften nur für die ‚kleinen Leute‘ gelten, aber nicht für die Mächtigen in Wirtschaft und  Industrie, dann ist der Boden für Populisten jeder Couleur bereitet. Noch so strenge Grenzwerte nutzen weder der politischen Kultur noch der Umwelt noch der menschlichen Gesundheit, wenn die Politik zu feige oder zu doof ist, auf ihre Einhaltung zu achten.

Diese Feigheit der Politik provoziert dann die Frechheit und Dreistigkeit der Autoindustrie, aber nicht nur dieser Branche. Da hat sogar die Trump-Regierung völlig recht, wenn sie in diesen Tagen der deutschen Bundesregierung Heuchelei beim Klima- und Umweltschutz vorwirft. Immerhin ist der Diesel-Skandal von VW in den USA aufgeflogen und wird dort auch jetzt viel aufwändiger verfolgt als in Deutschland. In den USA, nicht in Deutschland, wurden Milliardenstrafen verhängt, dort – nicht in Deutschland – landen Auto-Manager vor Gericht und dort – nicht in Deutschland – werden Kunden entschädigt. Das alles ist nur noch peinlich für den ehemaligen Klima-Musterschüler Deutschland.“

Folgt: DUH zum Welt-Asthma-Tag: Dieselabgase erhöhen Risiko von Asthmaerkrankungen