KIT: Mit Biokatalysator in mikrobieller Elektrosynthese Plastik hergestellt
Ein Forscherteam des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) hat ein ressourcenschonendes und kostengünstiges Verfahren gefunden, mit Hilfe von Mikroorganismen aus CO2 und elektrischer Energie Bio-Kunststoff herzustellen: das Polymer Polyhydroxybuttersäure. Der optimierte Prozess der mikrobiellen Elektrosynthese eröffnet für die Zukunft weitere Perspektiven, etwa zur Herstellung von Biokraftstoffen oder zur Speicherung von Strom aus regenerativen Quellen in Form chemischer Produkte – so eine Medienmitteilung vom November 2016 – aktuell äußerte sich jetzt Projektleiter Johannes Gescher, Professor für Angewandte Biologie am KIT.
Mit dem Wunsch der Verbraucher nach nachhaltigen Erzeugnissen wächst auch die Nachfrage nach Bioplastik, beispielsweise für Einwegbecher, Verpackungen oder Abfallbeutel. Das am Institut für Angewandte Biowissenschaften (IAB) des KIT, Abteilung Angewandte Biologie unter Geschers Leitung koordinierte und vom Bundesforschungsministerium geförderte Projekt „BioElectroPlast“ zielt auf ein Verfahren zur Herstellung von Bioplastik, das Ressourcen schont und Kosten spart. „BioElectroPlast“ will CO2 als günstigen, überall verfügbaren Rohstoff in die Wertschöpfungskette einbauen und Erneuerbare Energien einkoppeln.
Gescher: „Die Mikroben verwandeln den Kohlenstoff aus Kohlendioxid mit Hilfe elektrischer Energie in Biomasse, die Grundlage für Kunststoffe. Als wir vor einigen Jahren in einer Fachzeitschrift gelesen haben, dass es solche Mikroorganismen gibt, haben sich unsere Doktoranden auf die Suche gemacht. Überall auf der Welt, wo heißer Schlamm brodelt, haben sie Proben entnommen. Auf den Azoren schließlich entdeckten wir nach zwei Jahren eine Spezies, die unseren Ansprüchen gerecht wird. Die Mikroben müssen hitzeresistent sein, denn Geschers Team will „das CO2 direkt aus heißem industriellem Abgas nutzen. Eine vorherige Reinigung und Kühlung des Gases wäre zu aufwändig und zu teuer.“
Die Wissenschaftler bauen dabei auf eine relativ neue Technologie – die mikrobielle Elektrosynthese: Vor rund sechs Jahren beschrieben Forscher in den USA erstmals, wie bestimmte Mikroorganismen auf einer Kathode wachsen, dabei CO2 fixieren und die Kathode als alleinige Energie- und Elektronenquelle nutzen. Ein chemischer Prozess dagegen verlangt hohe Drücke und Temperaturen, das heißt einen hohen Energieeinsatz, sowie teure Katalysatoren. Bisher wurden mit der mikrobiellen Elektrosynthese meist Acetate – Salze der Essigsäure – produziert.
„Wir haben den Prozess dahingehend optimiert, dass wir den Mikroorganismen mehr Energie zur Verfügung stellen, sodass sie komplexere Moleküle – zum Beispiel Polymere – produzieren können“, erklärt Johannes Eberhard Reiner vom IAB des KIT. „Dazu mischen wir das CO2 mit Luft. Die Mikroorganismen können dann den Sauerstoff als Elektronenakzeptor nutzen. Das ist dem menschlichen Atmungsprozess recht ähnlich, bei dem der Sauerstoff ebenfalls als Empfänger von Elektronen dient. Bei uns Menschen kommen die Elektronen natürlich nicht von einer Kathode, sondern werden durch die Verstoffwechselung der aufgenommenen Nahrung in den Zellen freigesetzt und dort dann zur Energiegewinnung auf Sauerstoff übertragen.“
Die Forscher setzen einen neu isolierten Mikroorganismus, der sich ständig selbst regeneriert, als Biokatalysator ein und greifen auf Rauchgas als CO2-Quelle zurück. Damit erreichen sie nicht nur eine Reduktion des Treibhausgases CO2, sondern schonen auch andere Quellen für organischen Kohlenstoff, die üblicherweise als biotechnologische Substrate dienen, wie landwirtschaftliche Produkte. Dies vermeidet eine Konkurrenz zur Nahrungs- und Futtermittelherstellung. Die für den „BioElectroPlast“-Prozess erforderliche elektrische Energie beziehen die Wissenschaftler aus regenerativen Quellen.
Gescher beschreibt den Umwandlungsprozess: „Die Mikroben siedeln auf einer negativ geladenen Kathode – das sind sehr viele: Allein auf einen Daumennagel passen 100 Millionen Mikroben. Auf dieser Kathode bilden sie eine Filmschicht, dort findet der ganze Prozess statt. Unsere Mitarbeiter haben einen rotierenden Scheibentauchkörper erfunden. Er taucht in das Abgas, dort nehmen die Organismen das Kohlendioxid auf. Anschließend werden sie in eine saure Flüssigkeit getaucht, wo sie das CO2 in Biomasse verwandeln – sie wachsen und vermehren sich. Das dauert nur wenige Stunden.“
Zu Beginn habe man mit einem kleinen Behälter von 250 Millilitern experimentiert. Jetzt werde man wir eine Anlage mit 10 Litern Fassungsvermögen nutzen. Diese soll dann direkt bei EnBW betrieben und dort das Abgas als Kohlenstoffquelle für unsere Organismen genutzt werden. Dabei begegnen Gescher und seinem technische und biologische Herausforderungen: „So ist z.B. bei der Temperatur und dem pH-Wert, den wir benötigen, die Löslichkeit von Kohlendioxid sehr gering. Wir müssen Prozessbedingungen schaffen, die trotzdem eine effiziente Umsetzung ermöglichen. Daneben möchten wir den Mikroben eine höhere Leistungsfähigkeit antrainieren. Wir müssen dazu verstehen, wie der Prozess im Detail läuft, damit wir ihn verbessern können.“
Gescher ist optimistisch, dass der funktionierende Prozess nach dem Ende des Forschungsprojekts 2019 seinen Markt finden wird: „Unser Nachhaltigkeitspartner erstellt dafür Kennziffern, damit das Verfahren wirtschaftlich ist. Im Grunde ist es ein einfaches System: Das Herzstück ist ein produktiver Biofilm, der kann kontinuierlich und ohne großen Aufwand genutzt werden, weil sich die Mikroben ja selbst reproduzieren. Damit können wir auch andere Produkte herstellen, über Bio-Plastik hinaus. Die Palette an produzierbaren Substanzen ist riesig. Sehr viel, was bisher aus Erdöl hergestellt wird, kann künftig aus Kohlendioxid produziert werden – durch Mikroben.“
Wie lässt sich das Treibhausgas Kohlendioxid als Ersatz für Erdöl nutzen? Der Beitrag der CO2-Forschungen zu den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen ist ein Thema auf dem 13. BMBF-Forum für Nachhaltigkeit am 09. und 10.05. in Berlin.
->Quellen: