„Stromautobahn“-Ausbau kommt langsam voran

Bundesnetzagentur legt Bericht 2016 vor

Erst etwa 850 Kilometer Stromtrassen sind fertig – von etwa 7.700 km Höchstspannungsleitungen, die mit hoher Priorität gebaut werden müssen. Das ist die Kernaussage des Berichts, den Bundesnetzagentur-Chef Jochen Homann am 08.05.2017 in Bonn vorlegte. Der Erfolg der Energiewende hängt aber nach Meinung mancher Experten entscheidend davon ab, ob rechtzeitig genügend Überlandleitungen zur Verfügung stehen, die den (Wind-)Strom vom Norden in den Süden Deutschlands liefern (wo 2022 die letzten AKW endgültig abgeschaltet werden). Obwohl der Bau drei Jahre hinterher hinkt, zeigt sich Netzagentur-Chef Jochen Homann relativ zufrieden.

Wind-Strommasten bei Nauen – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

Weil die drei großen Stromautobahnen zur Versorgung Bayerns und Baden-Württembergs bis 2022 nicht fertig würden, brauche es zur Versorgung Süddeutschlands und zur Sicherheit der Stromnetzstabilität in kritischen Phasen noch jahrelang erhebliche Kapazitäten an Reservekraftwerken: „Eine echte Trendwende ist erst zu erwarten, wenn nach Abschaltung der letzten Kernkraftwerke der erforderliche Netzausbau realisiert worden ist,“ so Homann.

Von den in Zuständigkeit der Länder geplanten rund 1.800 Kilometer Leitungen aus EnLAG-Projekten seien rund 950 Kilometer genehmigt und etwa 700 Kilometer realisiert. Aus der Medienmitteilung der Bundesnetzagentur: „5.900 Kilometer Leitungen entfallen auf Projekte aus dem Bundesbedarfsplangesetz, von denen rund 450 Kilometer genehmigt und fast 150 Kilometer realisiert sind. Die Übertragungsnetzbetreiber haben zudem Anträge auf Bundesfachplanung für die großen Nord-Süd-Korridore eingereicht. Die Bundesnetzagentur hat hierzu die umfassende förmliche Beteiligung der Öffentlichkeit gestartet.“

Netzstabilisierende Maßnahmen

Bis die Stromleitungen in Betrieb gingen, werde weiterhin Netzreserve benötigt, um das deutsche Stromnetz in kritischen Situationen stabil zu halten. Die Analysen für den Winter 2017/2018 zeigten einen Bedarf an Reserveleistung in Höhe von 10.400 MW. Ein guter Teil des neuen Bedarfs gehe auf einen erhöhten Sicherheitsstandard zurück, den die Bundesnetzagentur bei der Berechnung angelegt habe. Er könne weitestgehend aus dem Bestand an Netzreservekraftwerken gedeckt werden. Hierzu zählten Kraftwerke aus Deutschland mit 5.700 MW und bereits kontrahierte Kraftwerke aus dem Ausland mit 3.100 MW Kapazität.

Entspannung bei der Netzreserve erwartet – weniger Eingriffe

Im nächsten Jahr ist laut Bundesnetzagentur mit deutlicher Entspannung bei der Netzreserve zu rechnen. Hierzu trage insbesondere das geplante Engpassmanagement an der Grenze zu Österreich bei. Nach dem starken Anstieg 2015 sei die Zahl der Eingriffe der Netzbetreiber in den Kraftwerksbetrieb 2016 vor allem aufgrund günstiger Witterungsbedingungen und der Fertigstellung der „Thüringer Strombrücke“ zurück gegangen. Die Redispatch- und Einspeisemanagement-Maßnahmen hätten sich um rund ein Viertel verringert. Genaue Zahlen hierzu werde die Bundesnetzagentur in einigen Wochen vorlegen. Eine echte Trendwende bei der Anzahl der Eingriffe sei aber erst zu erwarten, wenn nach Abschaltung der letzten Kernkraftwerke der Netzausbau realisiert worden sei.

Kabel als Grund für Verzögerung

Ein Grund für die Verzögerung ist auch die im Jahr 2016 zur Akzeptanzsteigerung beschlossene weitgehende Umstellung der Leitungen auf Erdkabel statt Hochspannungsmasten, wegen der nahezu abgeschlossene Trassenvorplanungen von vorne begonnen werden mussten – auch Ergebnis des Widerstands von Bayerns Ministerpräsident Seehofer gegen die von ihm so genannten „Monstertrassen“.

Obwohl sie Milliarden mehr kostet, verteidigt Homann die Entscheidung für Erdkabel, denn sie ermögliche direktere Trassenführungen und spare so Wege; zudem gebe es deutlich weniger Proteste und damit langwierige Prozesse, so Homann: „Wir sehen deutlich, dass die Akzeptanz für die Leitungen steigt, seit klar ist, dass diese als Erdkabel realisiert werden.“ Das rechtfertigt aus Sicht der Behörde auch die Mehrkosten – denn: „Ohne Erdkabel würden wir überhaupt nicht voran kommen“, heißt es aus der Netzagentur.

Wichtigste Trassen des Leitungsausbaus sind die rund 700 Kilometer lange Südlink-Leitung von Brunsbüttel nach Großgartach bei Heilbronn und Grafenrheinfeld in Bayern sowie die „Süd-Ost-Link“ von Wolmirst adt in Sachsen-Anhalt zum Netzpunkt Isar nordöstlich von Landshut. Hinzu kommt der mehr als 600 Kilometer lange sogenannte Korridor A im Westen, der Nordseestrom von Emden über Osterath in Nordrhein-Westfalen bis Philippsburg in Baden-Württemberg transportieren soll.

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