Drucksache18/12329 – Deutscher Bundestag– 18. Wahlperiode
Folgende Defizite sind festzustellen:
- Das Urheberrechtsgesetz (UrhG) enthält in den §§ 44a ff.UrhG derzeit eine Vielzahl kleinteiliger, an unterschiedlichen Stellen geregelter gesetzlicher Erlaubnistatbestände zugunsten von Unterricht und Wissenschaft. Sie sind für die Adressaten– also Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer, Studierende und Lehrende an Hochschulen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Bibliotheken, Archiven etc. – schwierig aufzufinden und anzuwenden: Sie enthalten zudem etliche auslegungsbedürftige Begriffe, die Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen waren oder noch immer sind.
- Zugleich haben Digitalisierung und Vernetzung die Möglichkeiten der Schaffung, Verbreitung und die Nutzung urheberrechtlich geschützter Inhalte verändert. Diesen Veränderungen werden die bestehenden Schrankenbestimmungen für Wissenschaft und Unterricht, die sich teilweise an „analogen“ Nutzungen orientieren, nicht mehr vollständig gerecht: Zeitgemäßer Gebrauch, der das Potenzial der modernen Wissensgesellschaft ausschöpfen würde, unterbleibt daher teilweise oder aber er geschieht rechtswidrig
- zugleich zum Nachteil auch der Rechtsinhaber, die weder bei der unterbliebenen noch bei einer rechtswidrigen Nutzung eine Vergütung erhalten.
Diesen Defiziten begegnet die Reform wie folgt:
- Die Vorschriften über die erlaubnisfreien Nutzungen für Bildung und Wissenschaft werden neu geordnet, konsolidiert und vereinfacht, um ihre Auffindbarkeit und Verständlichkeit für unterschiedlichste Anwender zu verbessern.
- Die Reform erweitert zugleich die Erlaubnistatbestände, soweit geboten und nach derzeitigem Unionsrecht zulässig, um insbesondere die Potenziale von Digitalisierung und Vernetzung für Unterricht und Wissenschaft besser zu erschließen. Etwaiger weiterer Änderungsbedarf im Kontext von Unterricht und Wissenschaft hat die Grenzen des derzeit geltenden Unionsrechts zu achten. Insoweit bleiben die Ergebnisse des bereits begonnenen Reformprozesses auf der Ebene der Europäischen Union abzuwarten.
- Um den berechtigten Interessen der Rechtsinhaber Rechnung zu tragen, also insbesondere der wissenschaftlichen Autoren und der Fachverlage, sind gesetzlich erlaubte Nutzungen regelmäßig angemessen zu vergüten.Die Reform geht hierbei davon aus, dass der Verleger auch künftig an der angemessenen Vergütung beteiligt werden kann.
Die vielfach beklagte Abhängigkeit des Wissenschaftssystems („publish or perish“) von hochpreisigen, meist englischsprachigen Zeitschriften, insbesondere in den Naturwissenschaften, die von zum Teil marktmächtigen internationalen Verlagskonzernen vertrieben werden, ist im Kern kein Problem des Urheberrechts. Es ist vielmehr Ausdruck auch des gegenwärtigen Anreiz- und Belohnungssystems in der Wissenschaft.
B. Lösung Die Reform ändert die Vorschriften über die gesetzlich erlaubten Nutzungen (Schranken) im Urheberrechtsgesetz folgendermaßen:
- Kern der Reform ist der neue Unterabschnitt 4 „Gesetzlich erlaubte Nutzungen für Unterricht, Wissenschaft und Institutionen“: Die §§ 60a bis 60h umfassen die Vorschriften für Unterricht, Wissenschaft und Institutionen wie etwa Bibliotheken, einschließlich einer neuen Vorschrift für das sog. Text und Data Mining, der softwaregestützten Auswertung großer Datenmengen. Jede Anwendergruppe findet also künftig einen eigenen Tatbestand mit konkreten Angaben zu Art und Umfang der gesetzlich erlaubten Nutzungen vor. Gleichzeitig entfallen diverse, bislang für sie bestehende Bestimmungen entweder vollständig (§§47, 52a, 52b, 53a UrhG) oder teilweise (z. B.in §46 UrhG sowie in der „Privatkopieschranke“ des§ 53 UrhG).
- Soweit geboten und unionsrechtlich zulässig erweitert die Reformen den Umfang der erlaubten Nutzung, wobei in der Regel eine angemessene Vergütung zu zahlen ist. Hiervon profitieren zum einen die Nutzer, die rechtssicher zu einem fairen Entgelt auf geschützte Inhalte für Zwecke von Bildung und Wissenschaft zugreifen können. Es profitieren zugleich die Rechtsinhaber, also z. B. Autoren und Fachverlage: Denn sie erhalten eine angemessene Vergütung für Nutzungen, die ansonsten oft unterblieben wären oder rechtswidrig (und damit ebenfalls ohne Vergütung) stattgefunden hätten.
- Die reformierten gesetzlichen Nutzungsbefugnisse sind der vertraglichen Gestaltung entzogen, soweit sie gesetzlich erlaubte Nutzungen beschränken oder untersagen. Dies stellt sicher, dass der gesetzlich bestimmte Interessenausgleich tatsächlich auch durchsetzbar ist.
->Quellen: