Die Kohle, die Sonntagschristen und der Grüne Hahn
Der Klimawandel und die Energiewende: Wie schnell müssen wir raus aus der Kohle, was wird dann aus den Revieren, welche Rolle spielen die USA und welche die Kirche? Es geht um die Zukunft.
Mit freundlicher Genehmigung von Chrismon und Claudius Grigat
Ein „Ökologisches Wirtschaftswunder“ – nicht mehr und nicht weniger wünscht sich Heinrich Bedford-Strohm, der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD)! Damit meint er allerdings nicht bloßes Wachstum, wie beim letzten sogenannten Wirtschaftswunder in Deutschland, sondern etwas, das eigentlich kaum möglich scheint, und das man dann trotzdem schafft: Einen ökologischen Umbau der Wirtschaft, ohne dass es dabei Verlierer gibt, die auf der Strecke bleiben. Und damit umreißt er auch schon den Kern der Diskussion: Wie können ehrgeizige Klimaschutzziele erreicht werden, ohne dass ganze Wirtschaftszweige – und mit ihnen die Menschen in den Betrieben und Regionen – dabei vor die Hunde gehen?
„Strukturwandel“ heißt das Zauberwort, möglichst sozialverträglich und zukunftsorientiert. So müsse man zum Beispiel aus dem Kohleabbau in der Lausitz endlich raus, da ist man sich in der sächsischen Landeskirche seit langem sicher. Aber die Kirche müsse auch an der Seite der Menschen vor Ort stehen, das sei ihre Aufgabe, meint Martin Herche, der Generalsuperintendent von Görlitz. Sie habe eine Verantwortung der Schöpfung gegenüber – und den Menschen. Deshalb habe man Konzepte entwickelt, um den Wandel zu begleiten – schließlich sei man lokaler Akteur – und damit auch Experte für Wandel.
Kirchen als Akteure der Zivilgesellschaft
Dass der gelingen kann, rechnet Dr. Patrick Graichen vor, Direktor des Think Tanks „Agora Energiewende“. Er hat mit seinem Team einen konsensorientierten Vorschlag zum Kohleausstieg erarbeitet. Eigentlich wüssten wir längst, wie dringend das Problem sei, schließlich seien 16 der 17 heißesten Jahre seit dem Jahr 2000 gemessen worden, so Graichen. Und wir wüssten auch, wie es gehen könne, nur habe die Politik Angst, die nötigen Schritte zu gehen. Schließlich gäbe es dann nicht nur in den Kohlerevieren „Verlierer“, sondern zum Beispiel auch dort, wo Dieselmotoren gebaut werden. Aber, so Graichen, „die Politik wird so lange nicht handeln, wie sie nicht Feuer aus der Zivilgesellschaft bekommt!“ Und das sei im nächsten halben Jahr, nämlich vor allem der Zeit direkt nach der Bundestagswahl, wenn der Wahlkampf vorbei sei, besonders wichtig.
An diesem Punkt nun kommen die Kirchen wieder ins Spiel. Nicht nur, dass sie Akteure der Zivilgesellschaft sind und ein beachtliches Mobilisierungspotenzial haben, um ordentlich „Feuer zu machen“. Ihr besonderer Vorteil ist ihre internationale Vernetzung, wie der Ratsvorsitzende Bedford-Strohm noch einmal betont. Schließlich sei Klimapolitik keine nationale Aufgabe – darüber sind sich alle einig. Sie betrifft zum einen eine globalisierte Wirtschaft, die im internationalen Wettbewerb steht. Und zum anderen hat sie Auswirkungen auf alle Menschen, ganz besonders die in vielen Entwicklungsländern, wie Bedford-Strohm eindringlich an einem Beispiel aus Tansania verdeutlicht.
„Klimapolitik darf kein Gottesdienst sein!“
Und so könnte Kirche überall dafür sorgen, dass dieser Druck der Zivilgesellschaft entsteht, damit zum Beispiel in den USA nicht das Rad zurückgedreht werde. Und damit auch Regierungen nicht bei den nächsten Wahlen für ihren Einsatz für das Klima abgestraft würden. Nicht ganz zu Unrecht hatte zuvor der gerade abgewählte Umweltminister von Nordrhein-Westfalen, Johannes Remmel mit hängendem Kopf konstatiert, offenbar gebe es keine Dringlichkeit mehr bei Umweltthemen in Zeiten von Terror und Fremdenangst. Umso mehr sei es angezeigt, Umweltpolitik und Sicherheitspolitik zu verbinden – und zum Beispiel Fluchtgründe in ärmeren Regionen der Welt zu reduzieren, indem man beispielsweise die Kimaziele des Pariser Weltklimaabkommens erreiche. Ohnehin seien Umweltgerechtigkeit und soziale Gerechtigkeit eigentlich nicht zu trennen.
Gleichsam um dieses Mobilisierungspotenzial unter Beweis zu stellen, wurde denn auch eine Kirchentags-Resolution verabschiedet, die ganz konkrete Schritte in der Klimapolitik einfordert: „Klimaschutz duldet keinen Aufschub – das Pariser Weltklimaabkommen in Deutschland konsequent umsetzen!“
Doch „Klimapolitik darf kein Gottesdienst sein“ forderte Dr. Hans-Jörn Weddige, Konzernkoordinator Energie-, Klima- und Umweltpolitik bei thyssenkrupp. Was er damit meinte, war eigentlich die „Sonntagschristen“-Einstellung: Einmal in der Woche in den Gottesdienst gehen und an den restlichen Tagen den lieben Gott einen guten Mann sein lassen und die christlichen Werte links liegen lassen. Klimapolitik dürfe nicht isoliert betrieben werden, sondern müsse vielmehr integriert werden in alle Bereiche von Politik und gesellschaftlichem Leben. Dann könne die Energie- und Klimawende auch gelingen.
Das kirchliche Anlagekapital und die Energiebranche
Für die evangelische Kirche illustrierte Heinrich Bedford-Strohm das mit dem „Grünen Hahn“, einem eingeführten Umweltzertifizierungsprozess für Kirchengemeinden und kirchliche Einrichtungen, dem erfolgreichen Bemühen um ökologisches Bauen und diversen Synodenbeschlüssen und Prozessen für eine klimafreundlichere Kirche. Aber auch das kirchliche Anlagekapital kam zur Sprache, das „aus Branchen der fossilen Energieträgergewinnung und Energieerzeugung sukzessiv“ abgezogen werden soll, wie es die Resolution formuliert.
Trotz allem fiel es dem Publikum schwer, an eine – rechtzeitige – Umsetzung einer Klima- und Ökowende zu glauben. Doch eines, so hatte Superintendent Herche aus Görlitz schon früh in der Diskussion gesagt, mache Christen in diesem Zusammenhang nunmal besonders: Sie hätten einfach Hoffnungspotenzial…!
->Quelle: Chrismon – Claudius Grigat