Festakt – Rede von Volker Hauff
„Sehr geehrte Frau Bundesministerin Zypries, sehr geehrter Herr Professor Kempf, sehr geehrter Herr Dr. Schütte, meine sehr verehrten Damen und Herren,
Deutschland befindet sich auf dem Weg von einer Industriegesellschaft zu einer Wissensgesellschaft mit einer starken industriellen Basis; ein Weg bei dem individuelles und kollektives Wissen und die Organisation dieses Wissens für die Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft immer wichtiger werden. Neugierde, Mut zum Experiment, die Suche nach dem Neuen, die Freude am Beschreiten von Neuland, aber auch der klare und bewusste Umgang mit der Ambivalenz von Risiken und Chancen, Krisen und Krisenbewältigung – all das prägt diesen Weg; und all das gilt es zu fördern und zu ermutigen.
Dieser Trend zur Wissensgesellschaft zeigt sich in Deutschland exemplarisch in der Energieforschung in den letzten 40 Jahren. Die Energieforschung steht immer im engen Zusammenhang mit der Energiepolitik, der Energiewirtschaft und dem Energiekonsum; sie ist geprägt von äußerst komplexen Strukturen und einer Vielzahl an Akteuren; und sie erfordert ein umfassendes Wissen.
Widersprüche sind selten einfach das Problem der Anderen
Durch Förderung kann der Staat die Forschung und damit den Ausbau des Wissens unterstützen und durch Forschungsprogramme Impulse setzen. Ob daraus schließlich Innovationen entstehen, hängt jedoch am Ende vom gesellschaftlichen Umfeld ab. Denn eine Gesellschaft trägt immer gemeinsam die Verantwortung für ihre Zukunft und muss den Willen haben, Neuerungen aufzunehmen und sich zu eigen zu machen. Eine offene und freiheitliche Gesellschaft lebt vom Engagement ihrer Bürgerinnen und Bürger; und damit von den Widersprüchen, die dabei unvermeidlich sind; etwa wenn es um die so verunglimpften Monstertrassen , um die vermeintlich überflüssigen Energieleitungen geht, wenn es um die Beendigung der Kernenergie geht, wenn es um die Kohle geht, wenn wir Grünstrom wegwerfen statt ihn zu speichern.
Wenn wir eines über Widersprüche gelernt haben, dann das: Widersprüche sind selten einfach das Problem der Anderen. Denken in der Kategorie „Na ja, die lernen das auch noch“ sind Teil des Problems und nicht der Lösung. Aber auch das: Der allein fürsorgliche Umgang mit Widersprüchen, das softe Partizipationsritual, funktioniert nicht. Wo richtig fundamentale Widersprüche auftreten, sind Leidenschaft und Verantwortung gefragt, sind Perspektive und Respekt gefragt, ist Mut und Umsicht gefragt. Mein politisches Fazit ist: Von alledem mehr zu haben, täte uns allen gut, und zwar ohne Einschränkung auf allen Seiten der Debatte. Ich freue mich, heute die Festrede zum 40jährigen Jubiläum des Energieforschungsprogramms der Bundesregierung halten zu dürfen – vor einem Auditorium, das für die überragend Kompetenz und Exzellenz der deutschen Energieforschung steht.
Die Geschichte der Energieforschung
Ein Jubiläum ist immer auch ein Anlass, um zurückzublicken. Dabei zeigt sich der große Wandel den wir in Deutschland in der Energieforschung vollzogen haben. Es begann in den 50er Jahren mit dem aus Amerika stammenden Programm „Atoms for Peace“. Es war geradezu eine Euphorie, die damals mit der Atomenergie verknüpft war: Atomenergie ist die sauberste, sicherste und preiswerteste Energie; ihrer friedlichen Nutzung gehört die Zukunft. Die Versprechungen waren groß; und die öffentliche Zustimmung schier grenzenlos. Deutschland entwickelte ein eigenes Atomprogramm. Ein neues Ministerium – zunächst Atomministerium genannt – wurde gegründet. Später wurde es umbenannt in Bundesministerium für wissenschaftliche Forschung und später nannte man es Bundesministerium für Forschung und Technologie. Im Laufe der Zeit entstanden riesige Großforschungseinrichtungen mit mehreren tausend Beschäftigten, die sich mit der Entwicklung der Kernenergie beschäftigten. Auch in der Grundlagenforschung entstanden respektable Forschungseinrichtungen mit einem hervorragenden Ruf.
In den 70er Jahren gab es erste Versuche, dieses Atomprogramm im Bereich Forschung zu ergänzen. Der Titel des neuen Programms war bezeichnenderweise: „Nichtnukleare Energieforschung“. Dieser Ansatz wurde im Laufe der 70er Jahre – auch unter dem Eindruck des Ölpreisschocks – wesentlich ausgeweitet. Die Dekade war geprägt von einem Paradigmenwechsel. Nach und nach rückte das Thema Energieeffizienz in den Fordergrund, denn man hatte erkannt, dass die beste Energie stets die ist, die wir nicht verbrauchen – zum Beispiel im Verkehr.
Zudem hat die Bundesregierung – zunächst mit dem Rahmenprogramm Energieforschung 1974 und anschließend mit dem ersten umfassenden Energieforschungsprogramm 1977 – ihre Förderung von Forschung und Entwicklung verstetigt und konsequent ausgebaut. Den Grundstein hierfür legt eine exzellente Spitzenforschung in Unternehmen, Universitäten und Forschungszentren.
Folgt: Alternative Energiequellen